Die Wahrheit

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Alle hatten ihre besten Sachen angezogen. Diesmal trug ich ein dunkelblaues Kleid. Es hatte einen ähnlichen Schnitt wie mein grünes Kleid, aber die Ärmel waren lang und ausgestellt. Darüber hatte ich wieder ein Mieder geschnürt und meine Taille betonte. Mein Haar war die Nacht über geflochten gewesen, weshalb es jetzt in Wellen herunterhing. Ich trug flache, offene Schuhe, die Schnürbänder hatten. Wie mir wünschte, dass ich mir Schuhe mit Absätzen leisten könnte oder überhaupt darauf laufen. Ich bewunderte die anderen Mädchen, die in adretten, hochhackigen Schnürschuhen oder offenen, mit Muster verzierten, zu der Feier gingen. Doch es war schon in Ordnung, irgendwann hätte ich genug Galleonen und würde darin tanzen können wie die anderen.

Evangeline kam aus dem Waschraum, wo sie gerade ihr Haare fertig fest gesteckt hatte. Sie hatte sie geflochten und am Kopf zusammengesteckt. Sie trug ein hellblaues Kleid, das ihren Teint unterstrich und ihre Augen zum Leuchten brachte. "Du siehst umwerfend aus", sagte ich und lächelte sie an, "Und du erst!", sagte sie sanft und fiel mir um den Hals, unsere Gesichter nur wenige Zentimeter auseinander. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss, sie machte mich so nervös, dass ich nicht mehr klar denken konnte und das Schlimmste daran war, dass ich nie wusste, ob sie meine Gedanken in diesen Augenblicken las. Sie sagte nichts dazu weshalb ich davon ausging das sie meine Privatsphäre so weit respektierte. "Wollen wir?", sagte sie und bot mir ihren Arm an, ich hackte mich bei ihr ein und wir gingen zum Astronomieturm, wo wir uns wünschten, zu dem Raum zu gelangen, wo das Fest stattfand.

Als wir hinausgingen, waren die Feierlichkeiten schon im vollen Gange. Garreth Weasley bot jedem, der an ihm vorbei lief, einen Schluck seines selbst gebrauten Whiskys dar. Poppy und Imelda tanzten bereits wild zu der Musik und Ominis saß in einer Runde mit einigen unserer Mitschüler. Sie ließen eine leere Flasche Feuerwhiskey zwischen sich drehen und wenn zwei ausgewählt waren, mussten sie sich küssen. Ich ließ meinen Blick schleifen und suchte nach Natty, die sehr beschäftigt damit schien, Leander Prewett neue Kusstechniken beizubringen. Ich würde das unter Fehlern unter Alkoholeinfluss verbuchen.

Sebastian war nicht zu sehen und auch Nerida war nicht da, vielleicht hatten sie keine Lust gehabt dabei zu sein. Ich wurde aus meinen Gedanken gezogen als Evangeline mich mit sich zog, in die Mitte, wo alle am Tanzen waren. Sie wirbelte mich herum und fing auf, als ich das Gleichgewicht verlor. Sie war ungefähr so groß wie ich, vielleicht ein paar Zentimeter größer, doch ihre Anmut ließ sie größer wirken. Der Raum schien ihr zu gehören, sie musste ihn nur nehmen.

Der Abend ging wundervoll weiter und wir tanzten und tanzten, hier und da nahm ich einen Schluck Wein oder spülte einen Feuerwhiskey hinunter, meine Gedanken waren voller glücklicher Erinnerungen und auch das hier würde eine wunderschöne Erinnerung werden. Das war jedenfalls das, was ich dachte.

Sebastian und Nerida stolperten lachend aus einer kleinen Kammer, ihre Kleidung zerknittert und die Haare zerzaust. Sebastians Hemdknöpfe waren nicht mal richtig zu. Sie hielten sich an den Händen und ich spürte, wie meine Kehle sich zuschnürte. Nein. Nein. Nein bitte nicht. Ich sah ihn an, in meinem Blick ein flehen, ich wollte auf der stelle tot umfallen. Meine Welt drehte sich. Ich wollte das nicht fühlen, aber ich tat es. Ich hatte keinen Anspruch auf ihn, überhaupt keinen. Neridas Blick war herausfordernd, als wollte sie, dass ich auf sie zustürme und mit einem sauberen Expulso an die Wand beförderte. Ich wollte es, ich wollte sie vor Schmerz leiden sehen, ihr Blick ließ meinen Zorn brennen und als sie sich zu Sebastian drehte und sein Gesicht zu sich zog da machte ich einen Schritt. Doch eine sanfte, aber feste Hand zog mich zurück. Evangeline drehte mich zu sich, "Mach einfach das gleiche wie er", flüsterte sie leise und hob mein Kinn an, ihre Bewegung war zaghaft aber zielsicher und als ihre Lippen meine berührten, schloss ich die Augen. Sie war weich und schmeckte nach Honig und nach Lavendel. Ich ließ mich in den Kuss hineinziehen wie in eines meiner Bücher. Mein erster Kuss und er war mit ihr. Sie legte die Arme um meine Tallie und zog mich an sich. Ich legte meine Hände um ihren Nacken, ein kribbeln zog durch meinen Körper und ich wollte in diesem Moment versinken. Das war nicht wie ich es mir vorgestellt hatte, es war besser.

Als Evangeline sich von mir löste, hatte sie ein verwegenes Lächeln auf den Lippen, sie hatte das getan, weil sie den Schmerz in meinen Augen gesehen hatte, weil sie meine Gefühle erkannt hatte. Sie hatte mir einen Dienst erwiesen und sie wusste nicht, was sie damit in mir geweckt hatte.

"Ich wusste es!", rief Imelda laut und pfiff, ich starrte sie entgeistert an, Natty drückte ihr eine Galeone in die Hand. Hatten Sie gewettet?

Alle hatten die Sache beobachtet, was mich wunderte, denn seit Poppy und Imelda als stolzes Pärchen durch die Gänge von Hogwarts gingen, sollte das nichts besonderes mehr sein, oder? Möglicherweise lag es auch daran, dass Sebastian mich anstarrte, als hätte ich ihm ins Gesicht getreten und Nerida hatte die Lippen zu einer schmalen Linie verzogen. Evangeline nahm meine Hand in ihre und Sebastian folgte der Bewegung, Neridas Blick war auf ihn geheftet, voller Wut und Enttäuschung. "Das kann nicht dein Ernst sein!", zischte sie und schubste ihn nach hinten. Sebastian stolperte leicht, fing sich aber wieder. Nerida stürmte hinaus und schlug die Tür laut hinter sich zu. Wenn irgendjemand noch nicht hierher gesehen hatte, dann tat er es jetzt.

Ich biss mir auf die Lippe, was passierte hier? Die Musik hatte aufgehört und wir waren der Mittelpunkt der Party. Sebastian sah mich an, nein er sah neben mich, er sah Evangeline an und sein Blick war voller Verachtung. Ich stellte mich schützend vor sie als er auf uns zukam und seine dunkelgrünen Augen forderten meine heraus. Ich hatte meinen Zauberstab aus meinem Ärmel gleiten lassen. "Sebastian was soll das werden?", zischte ich. Wie war diese Situation so schnell eskaliert? Wieso verhielt er sich so daneben, wenn er es gerade in einen Schrank getrieben hat? Er stand genau vor mir, wie am Bach, doch dieses Mal war er einschüchternd und nicht vorsichtig. Er sah mir ins Gesicht und in seinem Blick lag die pure Eifersucht.

Du verdammter Mistkerl

"Wir reden.", sagte ich kalt und schob ihn nach hinten, sein Blick wieder auf Evangeline geheftet, "Beth", sagte sie sorgenvoll hinter mir, aber ich wusste, wie ich Sebastian zur Vernunft brachte. Ich packte ihn am Arm und zog ihn aus dem Raum der Wünsche. Jeder in unserem Jahrgang, der auf dieser Feier war, hat es mitbekommen.

Er ließ sich von mir ziehen, wenn seine schritte auch flapsig klangen als wäre er ein trotziges Kind. Unsere Reise endete oben auf der Plattform, wo die Teleskope standen.

Ich drehte mich zu ihm um. "Erklär dich", sagte ich blank und in seinen Augen war Schuld zu lesen. Ich musste den Blick abwenden, weil ich einerseits wusste, dass ich unter diesem Blick schmelzen würde und ich ihm alles verzeihen würde. Andererseits wollte ich ihm in sein Gesicht hauen. In sein schönes, von Sommersprossen überzogenes Gesicht, das ich so unglaublich gerne hatte.

Er sah mich nur an, presste die Lippen aufeinander und verschränkte die Arme vor der Brust, ich machte einen Schritt auf ihn zu, "Ich sagte, erklär dich Sebastian.", meine Stimme war leiser, aber ich versuchte, einschüchternd zu wirken. Er schien nicht beeindruckt, doch machte er einen Schritt zurück. Ich sah, wie sich seine Hände zu Fäusten ballten und aus Angst, was er tun würde, packte ich meinen Zauberstab fester. Ich musste keine Angst vor Sebastian haben, oder?

Er drehte sich um und schritt auf und ab, ich rieb mir über die Stirn, weil ich das Gefühl hatte, den Verstand zu verlieren. "Ich verstehe einfach nicht, was mit dir los ist, Sebastian.", sagte ich und er sah mir direkt an, "Was mit mir los ist? Ich hab nichts falsches getan!", rief er aus, "Und was war das dann grade?", fragte ich voller Zorn, er hatte mich bedroht und Evangeline bedroht, wegen etwas, das er seinerseits seit Wochen tat. "Das fragst du mich? Du hast doch in aller Öffentlichkeit mit deinem neuen Pokal angegeben!", mir platzte der Kragen, "Pass auf was du sagst Sallow!", ich richtete meinen Zauberstab auf ihn, "Oh und was willst du machen?", er zog seinen Zauberstab aus seiner Tasche und richtete ihn ebenfalls auf mich, "Du machst mir keine Vorwürfe, wenn du seit Wochen mit Nerida Roberts in jeder Ecke von Hogwarts verschwindest, um wer weiß was zu tun!"

"Oh, ich kann dir sagen, was wir getan haben!", lachte er auf, ich wollte ihn von diesem Balkon werfen, "Nerida tut wenigstens nicht, als wäre sie ein unschuldiges Lämmchen!" fügte Sebastian hinzu. Was sollte das bedeuten? Ich sah ihn verwirrt an, "Was soll das jetzt heißen?", fragte ich irritiert und ließ meinen Zauberstab ein wenig sinken. Er schien vor Wut zu schäumen.

"Sag du es mir, du wolltest mich doch am Bach küssen!"

Against the dark Hearts - German/DeutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt