Kapitel 56

129 8 2
                                    

Die nächsten Wochen verlaufen ergebnislos. Ich spreche nicht mit Sebastian, es sei denn, es geht um Unterrichtsangelegenheiten oder Schüler. Wir begrüßen einander morgens beim Frühstück, wie wir auch alle anderen Lehrer begrüßen. Mirabel beobachtet die ganze Sache ungefähr drei Wochen, bis sie eines Nachmittags in meinem Büro erscheint und mich mit einem scharfen Blick betrachtet.

"Ich weiß ja es geht mich nichts an aber ich habe euch zwei damals gesehen als ihr hals über Kopf ineinander verliebt wart und die Finger nicht voneinander lassen konntet, vielleicht erinnerst du dich ja noch wie ich euch zwei im abgeschlossenen Bereich erwischt habe während des Unterrichts und jetzt-", sie stoppt sich selbst bevor sie in einen Monolog ausbricht der eine halbe Stunde dauert.

"Was ist vorgefallen, Elisabeth? Wieso seid ihr so kalt zueinander?", fragt Mirabel. Ich wedle kurz mit meinem Zauberstab, der gerade noch neben mir lag und die Tür fällt ins Schloss. Mit einem gemurmelten "Muffliato" sorge ich dafür, dass jeder, der in die Nähe der Tür kommt, ein nerviges Summen im Ohr hat.

"Setz dich Mirabel", sage ich und deute auf einen Stuhl vor meinem Tisch. Ich fühle mich komisch dabei, auf diese Weise mit ihr zu sprechen, sie ist älter als ich und sie war mal meine Lehrerin. "Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll", sage ich. Mirabel sieht mich erwartungsvoll an.

"Möchtest du erstmal einen Tee?", frage ich und lasse zwei Tassen und eine Kanne herüber schweben, die auf einer Kommode an der Wand stehen. Ich gieße zwei Tassen ein, auch wenn Mirabel womöglich keinen Tee trinken wird. Ich nehme einen Schluck und atme kurz durch. Wenn man nicht weiß wo man anfangen soll, ist es am besten wenn man von vorne anfängt und das tue ich. Ich erzähle von allem, was im fünften Schuljahr passiert ist, wie Eleazar starb. Mirabel weiß von alldem und auch, dass Sebastian bei allem immer an meiner Seite war. Ich erzähle ihr nicht, dass er seinen Onkel ermordet hat. Ich erzähle, wie ich die Kartenkammer versiegelt hatte, nur um sie wieder zu öffnen, als der absolute Notfall dazu ausrief. Ich erzähle, was zwischen Sebastian und mir vorgefallen ist, bevor er verschwunden ist und schließlich auch wie unsere letzte Begegnung sich abgespielt hat.

Ich erzähle ihr auch, dass er vor ein paar Wochen einfach in mein Zimmer gestürmt ist und mich fast angegriffen hat und wieso es zwischen uns so zugefroren ist. Als ich am Ende angekommen bin, ist die Sonne bereits untergegangen. Mirabel nimmt einen Schluck von ihrem Tee, der nur dank Magie noch heiß ist.

"Diese Geschichte verlangt etwas stärkeres als Kräutertee meine Liebe", sagt sie und holt einen Flachmann aus ihrer Umhangtasche. Ich ziehe eine Augenbraue hoch, "Hast du den immer dabei?", fragte ich irritiert und Mirabel lacht auf, "Man weiß doch nie wann es etwas anzustoßen gibt"

Ich gebe mich mit der Antwort zufrieden, auch wenn ich es bedenklich finde, dass sie Alkohol in ihrem Umhang mit sich trägt, aber das sollte nicht meine Sorge sein. Sie schüttet jeder von uns ein wenig von der leicht rosa Flüssigkeit in die Teetassen. Sie hat Recht. Diese Geschichte braucht mehr als nur Tee. Dass ich nicht längst Alkoholikerin bin, liegt nur daran, dass ich meine Schüler habe und aus ihnen Kraft ziehen kann, aus dem unterrichten.

"Wieso versuchst du nicht nochmal mit ihm zu sprechen? Wenn ich das richtig sehe, wirkt er einfach nur etwas verletzt und könnte jemanden brauchen, der ihm zuhört", sagt Mirabel jetzt. Ich schüttle den Kopf und nehme einen Schluck von dem, was wohl so etwas wie Schnaps zu sein scheint. "Ich möchte die Sache eigentlich nur vergessen, ich versuche seit Jahren über ihn hinweg zu kommen und habe es nicht geschafft weil ich dachte er wäre meine große Liebe die mir genommen wurde und jetzt weß ich dass es nicht so ist.", ich nehme einen tiefen Atemzug, "Ich weiß jetzt, dass er die ganze Zeit am Leben war und sich nicht einmal gemeldet hat. Welcher Mensch tut sowas Mirabel?"

Mirabel sieht mich mitgenommen an und ich setze die Tasse ab, "Ich kann jetzt über meine große Liebe hinwegkommen, weil ich weiß das er nicht das ist was ich immer dachte", als ich das sage bin ich mir zum ersten Mal sicher, dass es stimmt. Ich kann über ihn hinweg kommen. Er ist vor meiner Nase und es wird schwierig für mich, es wird schwierig für mein Herz, sich von ihm zu verabschieden, aber es wird schon werden. Irgendwie.

Against the dark Hearts - German/DeutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt