Kapitel 57

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Dieses Kapitel enthält Erwähnungen sexueller Gewalt.

Ich atme hörbar aus. Ich habe definitiv etwas anderes erwartet. Ich habe nicht erwartet, dass Sebastian mir sagen würde, dass er fünf Jahre lang als Gefangener von Margaret Grimward gelebt hat und ständig Schmerzen erleiden musste. Ich habe nicht erwartet, dass er mir sagt, dass sie ihn gezwungen hat, das Bett mit ihr zu teilen. Ich habe nicht erwartet, dass er mir sagt, dass er sterben wollte. Ich habe nicht erwartet, dass er mir sagt, dass er nur fliehen konnte, weil sie angefangen hat, sich für ihn zu erwärmen, nachdem er ihr vorgespielt hatte, dass er etwas für sie empfindet.

Sebastian hat sich die letzten zwei Jahre versteckt und versucht, den Albträumen zu entkommen, die all das, was er dort erlebt hat, immer wieder zeigten und seinen Verstand vergifteten. Er wollte zurückkommen, aber er hatte Angst, dass sie hier als erstes nach ihm suchen würde.

Als er fertig ist, laufen ihm Tränen über das Gesicht. Ich greife nach seiner Hand und drücke sie sanft. Was er durchmachen musste, ist grausam. Er hat das nicht verdient. Niemand hat derartiges verdient.

"Und wieso bist du jetzt doch hierher zurück gekommen?", frage ich, mein Ton ist besorgt und ich kann nicht umhin als ihn mit einem genauso sorgenvollen Runzeln anzusehen. Was, wenn sie ihn doch noch hier sucht und findet? Er wird niemals in Sicherheit sein, wenn Grimward nach ihm sucht.

"Ich dachte ich müsste sicher sein, das zwei jahre genug sein würden um sie von meiner Fährte abzubringen und weil ich nichts darüber gehört habe ob sie Hogwarts angegriffen hat, dachte ich hier wäre es vorerst sicher und-", er stoppt kurz und schein zu überlegen was er als nächstes sagen soll. Er spielt an seinen Hemdknöpfen herum und ich ziehe meine Hand vorsichtig von seiner, doch er greift danach und hält sie fest.

"Ich habe dich wirklich vermisst", sagte er und verschränkt seine Finger mit meinen. Ich sehe ihn an. Die Tränen trocknen langsam, doch seine Augen sind noch leicht gerötet, "Nicht nur dich...auch Ominis und Poppy und Imelda und Natsai und selbst Evangeline, aber jede Nacht die ich dort verbracht habe und besonders die in denen sie mich in ihr Zimmer hat schleifen lassen-", wieder stoppt er aber dieses Mal weil seine Stimme ihn im Stich lässt.

"Ich habe immer gehofft das du nach mir suchen würdest und das du mich findet und dort rausholen würdest und als ich gemerkt habe dass du es nicht tust wurde mir klar das du wahrscheinlich denkst das ich nicht mehr lebe", der Schmerz in seiner Stimme ist fast ohrenbetäubend.

Wir sitzen auf meinem Bett und reden nur und das haben wir auch damals immer schon getan, mit siebzehn und achtzehn. Wir saßen zusammen irgendwo herum und haben geredet, über das Universum und über die Sterne und was wir machen wollen, wenn wir erwachsen sind und alles gut wird. Wir haben darüber geredet, was für ein Haus wir haben werden, wir saßen schweigend da und haben gelesen oder wir lieferten uns eine anständige Partie Schach. Wir heckten Pläne aus und spielten anderen Schülern Streiche oder ich bat ihn, für mich Modell zu sitzen, wenn ich Lust hatte ein Portrait zu zeichnen.

Heute reden wir nicht über Häuser oder das Universum. Wir reden über Schmerz und die Dinge, die wir durchgemacht haben. Ich verstehe Sebastian, ich weiß wie es sich anfühlt, zu Dingen gezwungen zu sein, die man nicht tun will. Es fühlt sich an, als würde jemand ein Stück der eigenen Seele herausreißen und dieses Stück mit Schmutz besudeln. Es fühlt sich an, als nähme man dir die Stimme und die Luft zu atmen, als würde man unter Wasser gedrückt und kämpfen, um wieder an die Oberfläche zu kommen während man die Sonne sehen kann, wie sie auf die Wellen strahlt. Man berührt die Grenze, die man übertreten müsste um wieder atmen zu können, und doch kann man sich einfach nicht erreichen.

Ich weiß wie es sich anfühlt, ausgeliefert zu sein und deswegen wünsche ich das niemandem.

"Ich habe gesucht", antworte ich, "In den ersten beiden Jahren nachdem du verschwunden bist habe ich alles abgesucht was ich konnte, ich bin durch die halbe Welt gereist um dich zu finden, ich habe Ominis mitgenommen und Evangeline und ich habe Poppy und Imelda gebeten mitzuhelfen. Natty hat während ihrer Ausbildung zur Aurorin jede Information an mich weitergegeben die auch nur im entferntesten so wirkte als könnte sie mit dir zutun haben aber wir haben nichts gefunden und irgendwann habe ich die Hoffnung aufgegeben und mir eingeredet das du einfach tot sein musst", ich blicke auf den Boden und ich weiß nicht wieso aber ich schäme mich dafür das ich die Hoffnung aufgegeben habe. Es war nicht falsch, hätte ich weiter gesucht, dann hätte ich den Verstand verloren und man hätte mich ins St. Mungos auf die Station mit den Geisteskranken gesteckt. Ich wäre zu meiner eigenen Sicherheit alleine in ein Zimmer gesteckt worden. Ich habe heute schon die Hälfte meine Verstandes eingebüßt, wie sähe das wohl aus, wenn ich jahrelang nach einem totgeglaubten gesucht hätte?

"Es tut mir leid Sebastian aber ich musste weitermachen, sonst-"

"Sonst hätte man dich wohl ins St.Mungos eingewiesen und nicht mehr rausgelassen, ja, ich weiß", sagt er.

"Es tut mir leid"

"Elisabeth, ich liebe dich"

Ich reiße die Augen auf und sehe ihn erschrocken an. Nicht dass ich mir das nicht gewünscht hätte, aber es ist so viel Zeit vergangen und eigentlich kennen wir uns gar nicht mehr gut genug, um solche Dinge zu sagen.

"Sebastian, es ist so viel Zeit vergangen, du weißt nicht mehr, wer ich überhaupt bin, ich habe mich verändert. Du liebst die Version von mir, die vor sieben Jahren verschwunden ist, als du sie verlassen hast", ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, das zu sagen, aber er lässt mir keine andere Wahl.

"Dann lass mich die Elisabeth kennenlernen, die überlebt hat und die jetzt neben mir sitzt", haucht er und legt die Hand an meine Wange, die nicht meine Hand hält. Er sieht mir in die Augen und nähert sich, aber ich habe zu viel Angst und weiche zurück.

"Ich weiß nicht, ob du diese Elisabeth überhaupt mögen würdest", sage ich. Ich will dass er sie mag, das er mich mag so wie ich jetzt bin aber ich bin einfach nicht mehr so mutig wie früher.

"Lass mich das selbst entscheiden Beth"

Ich sehe ihn an und denke an Mirabels Worte, denke daran wie sie mir gesagt hat ich soll mir eine zweite Chance nicht selbst verwehren, also nicke ich zaghaft und als er sich wieder zu mir hinüber beugt weiche ich nicht zurück und lasse es zu, lasse zu wie seine Lippen meine berühren. Zum ersten Mal nach sieben Jahren.

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Es tut mir leid das es wieder so lange gedauert hat, ich hatte ne kleine Schreibblockade in Form eines kaputten Rechners ♥

Against the dark Hearts - German/DeutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt