26.

3 3 0
                                    

"Bereit?" Es war mehr eine rhetorische Frage, denn jetzt musste ich bereit sein. Einen Rückzieher zu machen, war nicht mehr drin.

Ich holte zitternd Luft und nickte, den Blick fest auf die Tür vor mir gerichtet. Ich hatte keine Ahnung was mich dahinter erwarten würde und ein Teil in mir wollte es auch lieber nicht wissen, doch da hatte Crystal schon die Klinke heruntergedrückt und die Tür geöffnet.

Vor uns erstreckte sich ein weiterer Gang, der im Dunklen lag. Er war schmal und mehrere Türen zweigten rechts und links von ihm ab. "Sind das Zellen?", fragte 9402, ich hatte inzwischen herausgefunden, dass ihr Name Beatrice war, ungläubig in die Runde.

Keine von uns antwortete, da sich Beatrices Frage beim Weitergehen selbst beantwortete. Die ersten Zellen waren leer und lagen kalt und dunkel vor uns. Jede der Türen besaß ein kleines Fenster durch das wir in die winzigen Räume hineinsehen konnten. "Wie sieht sie denn aus?", fragte Marisol, während sie auf Zehenspitzen in eine weitere leere Zelle hineinsah.

"Sie hat, ehm sie-", stammelte ich unbeholfen, da ich absolut keine Antwort auf diese Frage hatte.

Woher soll ich das bitte wissen?! Das ist die verdammte Verlobte von dem Jungen den ich liebe und ich habe sie noch nie in meinem Leben gesehen!

"Hübsch. Sie ist hübsch", presste ich schließlich nach einigen Sekunden der Stille heraus. "Sie hat, ehm. Sie hat Haare. Kurze oder mittellange. Naja man könnte auch sagen sie sind lang. Und sie hat-", weiter kam ich nicht, denn Elisabeth, eines der mir fremden Mädchen, unterbrach mich: "Ist sie das hier?"

Mit schnellen Schritten war ich bei Elisabeth angekommen und spähte durch das Fenster. In der Zelle saß in die Ecke gekauert ein extrem dünnes Mädchen mit langem, strähnig schwarzem Haar. Ich zog an der Tür, doch sie ließ sich nicht öffnen. "Lass mich mal", sagte Crystal und schob mich ein Stück zur Seite.

Mit einem Organisationsausweis, wer weiß woher sie den hatte, entriegelte sie die Tür und stieß sie auf. Crystal trat einen Schritt zurück und die anderen Mädchen überließen mir den Vortritt.

Na das kann ja lustig werden.

Zögernd lief ich durch den Türrahmen und blieb zwei Fuß in dem kleinen Raum stehen. "Reverie?", fragte ich unentschlossen. Wenn das nicht Reverie war, hatte ich ein Problem. Sofort schnellte der Kopf des Mädchens hoch und sie starrte mich aus toten Augen an. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Was hatten sie bloß mit ihr gemacht?

Ich ging weiter auf sie zu und kniete mich neben sie, einen Sicherheitsabstand zwischen uns. "Bist du Reverie?", fragte ich so leise, dass bloß sie mich hören konnte. Zu meiner Erleichterung nickte sie. Zwar zögernd, aber sie nickte. Ein Stein fiel mir vom Herzen und ich stieß die Luft aus, von der ich nicht gewusst hatte, dass ich sie angehalten hatte.

"Hallo Reverie, ich bin Kailey. Eine- Freundin von Quinn." Die Worte kamen mir bloß schwer über die Lippen, doch ich musste sie aussprechen. Ich wollte nicht, dass das magere Mädchen vor mir noch mehr in Panik oder Verwirrung geriet.

Bei Quinns Namen leuchtete kurz Hoffnung in Reveries Augen auf. "Wir sind hier um dich zu befreien, möchtest du mitkommen?", ich stellte mit Absicht eine Frage, sodass sie das Gefühl bekam, tatsächlich eine Wahl zu haben. Langsam nickte Reverie und ihre ausdruckslosen Augen lösten ihre Starre, die auf den Boden gerichtet war. "Okay. Dann musst du jetzt aufstehen."

Ich hielt ihr meine Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Reverie griff danach und ließ sich von mir auf die Füße ziehen. Es war keine große Überraschung, dass sie beinahe nichts wog. Sie schlang ihre dünnen Arme um ihren Oberkörper und folgte mir aus der Zelle heraus. Wir wollten gerade zurück nach draußen laufen, da ertönte ein dünnes Stimmchen hinter uns: "Halt." Sofort drehte ich mich um und starrte Reverie an.

Oasis- Kein EntkommenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt