Gyda sitzt in ihren Gemächern und starrt die Büste an, auf der ihr Kleid hängt. Warmes weiß, fein bestickt und mit Perlen reich verziert. Die Sonne nimmt ihrem Lauf, aber Gyda rührt sich nicht. Sie starrt und starrt und starrt.
Es ist ihr Hochzeitskleid, ein Geschenk von Fjell. Dem Mann, der ihr Ehemann werden wird und von sie nichts weiß, außer, dass er nicht der Richtige für sie ist.
Was isst er gerne? Wie verbringt er seinen freien Tag? Wo werden sie leben, im Palast, bei den Soldatenunterkünften oder in der Stadt?
Gyda seufzt. Sie will es gar nicht wissen. Sie will nicht seine Frau werden. Für einen sehr kurzen Moment denkt sie über einen Freitod nach, aber das wäre wohl zu dramatisch und der Situation gegenüber mehr als unpassend (Wäre es das?).
Es klopft, aber Gyda reagiert nicht. Sie will gar nichts mehr wissen, niemanden sehen, niemanden sprechen.
Wie konnte die Situation nur so eskalieren? Wie konnte das alles nur so aus dem Ruder laufen?
Neutral gesehen, ist Fjell keine schlechte Partie für sie. Er ist als Hauptmann entsprechend wohlhabend, führt sicher kein einfaches Leben und es sollte ihr nicht schlecht ergehen. Nachdem Odin mehr als deutlich gemacht hat, dass die Verlobung nicht gelöst wird, welches Leben würde Gyda dann nur bleiben? Weiterhin als Mätresse bei Loki und Sigyn leben? Undenkbar. Gerade weil Sigyn sie bis aufs Blut verachtet. Verachtet für etwas, wofür Gyda gar nichts kann.
Es klopft erneut, aber Gyda zuckt nicht einmal. Loki kann es nicht sein. Sie hat ihm verboten, sich ihr heute zu nähern. Niemals könnte sie es ertragen, ihn vor ihrer Hochzeit zu sehen. Sie würde emotinal wie körperlich zusammenbrechen.
Und jeden anderen will sie nicht sehen. Es gibt niemanden, der ihr jetzt einen Rat geben kann, der wirklich helfen würde.
Noch vor dem nächsten Kopfen wird die Tür aufgerissen und jemand stapft in ihr Zimmer. Gyda spitzt die Ohren. Diese Schritte kennt sie. Sie hörte sie, als sie durch die Burg flitzten oder gemeinsam den Wald erkundeten. Sie bedeuten Heimat und Familie.
Nein, sie bedeuteten Heimat und Familie. Das alles hat sich grundlegend geändert.
"Gyda." Sigyns Stimme klingt forsch, als wollte sie sie für etweas rügen.
"Willst du nur da sitzen und das Kleid anstarren?"
Langsam kommt Siygn auf Gyda zu und stellt sich vor das Kleid, mustert es genau und lässt ihre Hand über den feinen Stoff fahren.
"Es ist wunderschön..." murmelt sie leise und sieht über ihre Schulter. "Und an dir wird es fantastisch aussehen."
Jetzt löst sich Gyda aus ihrer Starre und schaut ihrer langjährigen Freundin in die Augen. Es sind die gleichen Augen, die sie jahrelang begleitet haben und die sie dennoch so verachtend in Vanaheim angesehen haben. Die gleichen Augen, die Gyda unter 10.000 Augenpaaren erkennen würde.
"Du bist ja ganz verheult." Sigyn kommt langsam auf Gyda zu. "So kannst du nicht heiraten."
"Sigyn, was willst du hier?" flüstert Gyda leise und klingt kraftlos.
"Ich bitte dich. Du wirst heiraten, meinst du, ich lasse mir das entgehen? Odin und Frigga sind in Vanaheim und besprechen die Krönung mit Vater. Das ist furchtbar öde und da dachte ich, ich nutze das Schlupfloch, welches sich bietet, und besuche meine einstige Zofe am Tag ihrer Hochzeit, um ihr jedes Glück zu wünschen, welches sie sich so hart verdient hat."
Zofe. Nicht Freundin. Nicht Schwester. Nicht Herzensschwester. Zofe. Mit jedem weiteren Wort wurde Sigyns Stimme kälter.
"Du darfst nicht hier sein. Loki wird dich sehen und das ist verboten. Das weißt du genau."
"Ich halte mich im Hintergrund, keine Sorge. Du kannst froh sein, dass deine Hochzeit heute stattfindet. In vier Tagen ist meine große Hochzeit und ich denke, sie wird wohl wochenlang gefeiert werden." Sigyn schaut Gyda von oben herab an und spielt dabei mit ihrem kupferrotem Haar. "Du wirst natürlich nicht anwesend sein. Immerhin musst du dich in der Zeit um deinen Ehemann kümmern. Inzwischen wirst du einiges gelernt haben, sodass ihr wohl tagelang das Bett nicht mehr verlassen werdet." Sie schnaubt und Gyda läuft es eiskalt den Rücken herunter.
"Vielleicht, und ganz vielleicht, kannst du uns dann irgenddwann in Vanaheim besuchen. Voraussetzung dafür wird aber ein Kind sein, welches du unter dem Herzen trägst. Ich will keine reudige, läufige Hündin in Vanaheim haben, die vor meinem Ehemann herum läuft und mit ihrem Hüften wackelt, bis der nicht mehr weiß, wo oben und unten ist."
Sigyn umkreist Gyda einmal langsam, beugt sich dann zu ihrem Ohr herunter und murmelt: "Diese Hochzeit ist das Beste, was dir passieren kann, Ascheprinzessin. Und ich rate dir, sie als etwas Heiliges anzusehen. Denn wenn ich nur im Augenwinkel mitbekomme, wie du meinem Loki schöne Augen machst, dann lasse ich dich als Verräterin öffentlich hinrichten."
Mit diesen Wort erhebt Sigyn sich.
"Und nun, zieh dich an, es ist gleich soweit."
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Die Mätresse
FanfictionSigyn, Prinzessin von Vanaheim soll Loki, Gott des Schabernacks aus Asgard heiraten. Offiziell ist er die beste Partie, die Vanaheim als zukünftigen König bekommen kann, inoffiziell ist Loki für sein Handeln weltenübergreifend bekannt - und das nich...