Drei Regeln

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"Studierst du auch?", Chishiya hatte sich Zeit gelassen. Als er zu y/n trat war es mindestens Nachmittag. Nach ihrem Streit, oder was auch immer das gewesen war, war y/n ins oberste Stockwerk geflüchtet. Hier gab es eine Art Archiv auf dem Dachboden, es war gemütlich, aber staubig. Aber das war mit einer Runde Stoßlüften durch die Dachfenster etwas zu beheben gewesen. Und so hatte sie sich auf die alte Couch gepflanzt, die hier oben stand, und sich durch einige Bücher geblättert. Nicht viele waren auf Englisch geschrieben. Aber spaßeshalber sah sie sich auch die auf Japanisch an. Es konnte nicht schaden, sich mit der Sprache weiter vertraut zu machen.

"Denkst du nicht, dafür bin ich etwas zu...", sie tat, als würde sie überlegen. "Dumm, intellektuell nicht weit genug, zu kindisch?" 

Chishiya seufzte schwermütig. "Ich halte dich überhaupt nicht für dumm. Wärst du dumm, wärst du schon längst tot. Du bringst dich nur immer wieder in dumme Situationen."

"Geht das nicht miteinander einher?", sie schenkte ihm ein falsches Lächeln. Er ließ sich davon nicht verunsichern. Mit den Händen in den Taschen der weißen Jacke, kam er auf sie zuggeschlendert. Als er sich neben sie auf die Couch fallen ließ, stöhnte sie genervt auf.

"Leute kommen nicht damit klar, wenn du ihnen so ungeniert Wahrheiten an den Kopf wirfst." War das seine Art kleinbei zu geben? Und überhaupt, hatte er vorhin nicht noch gesagt Gefühle sein Quatsch? Aber scheinbar war ihm doch nahegegangen, was sie gesagt hatte.

"Du meinst, du kommst nicht damit klar. Komisch, wo ausgerechnet du ja immer so zurückhaltend mit der Wahrheit bist", provokant sarkastisch ließ sie ihre Brauen auf und ab springen.

"Immerhin bin ich meistens auch..."

"Du bist meistens was?", fragte sie scharf.

"Normalerweise bin ich die klügste Person im Raum. Ich sehe alles und jeden, mir entgeht nichts." Y/n musste kurz darüber nachdenken. Erst fühlte sie sich wieder angegriffen. Doch sie begriff schnell, wo das eigentliche Problem lag. Es lag nicht an ihr, dass er so fies geworden war. Es lag daran, dass sie ihn mit sich selbst konfrontiert hatte. Chishiya war >wie er eben gesagt hatte< gut darin alles und jeden zu druchschauen, sonst wäre es ihm nie möglich gewesen den Herzbuben zu überleben. Das Einzige, was er nicht aushalten konnte, war seine eigene Person. Er wollte einfach nicht mit sich selbst sein, deswegen fokussierte er sich so zwanghaft auf alles andere, deswegen weigerte er sich irgendwelchen emotionalen Bedürfnissen nachzugehen. Er mochte seine Gefühle nicht, er mochte sich nicht. Das sah nur keiner, weil er genau wusste, wie er davon ablenkte. Nämlich indem er den gefühlskalten Logiker mimte. Damit schreckte er jeden ab, sodass keiner ihm so nah kam, um die Wahrheit hinter der Fassade zu sehen. Doch die Person, die er damit am meisten täuschte, war er selbst. Verständlich also, dass er in die Verteidigungsposition ging, wenn y/n an diesen Mauern in ihm rütteln wollte.

Y/n verspürte den Drang ihm dahingehend auf den Zahn zu fühlen. Doch sie wusste, dass würde nur einen weiteren Streit vom Zaun brechen. Das er jetzt hier saß und auf seine komische Art zugab, dass sie vielleicht doch nicht so Unrecht gehabt hatte, war ihr für heute auch genug. Also behielt sie ihre Gedanken für sich. 

So machte sich ein unangenehmes Schweigen zwischen ihnen breit. Ihr Wortgefecht war noch nicht ganz vergeben und vergessen. Außerdem kannten sie sich nicht so gut, sodass sie kaum wussten, worüber der andere gern sprach. Da fiel ihr ein, dass Chishiya sie vorhin ja was gefragt hatte.

"Kunst", sagte y/n also schließlich, als sie die Stille nicht mehr aushielt.

"Was?", Chishiya schien das Thema schon wieder vergessen zu haben. 

"Ich studiere Kunst", erklärte sie deswegen. Doch sie bereute sofort, ihm das verraten zu haben. 

"Das passt ja", tat er abschätzig kund.

Caught in Borderland (German Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt