Eingesperrt

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Nach ihrer Nacht auf dem Dachboden hatten y/n und Chishiya beschlossen wieder loszuziehen. Ihr Plan war es sich aufzuteilen und Chishiyas Freunde auf den Spielfeldern zu suchen. Dafür hatte er y/n drei Namen eingebläut. Kuina, Arisu, Usagi. Nach denen sollte sie fragen und Ausschau halten.

"Willst du sie noch ein letztes Mal halten?", fraget y/n frech und streckte Chishiya ihre Hand zum Abschied hin. Er presste kurz verstimmt die Lippen zusammen. Dann legte er den Kopf schief und setzte einen ungerührten Blick auf. Aber y/n grinste ihn überlegen an, weil sie ihm die Gleichgültigkeit nicht abkaufte. Trotzdem weigerte er sich ihre Hand zu nehmen und behielt seine eigenen Hände starr in den Jackentaschen.

"Jetzt hab dich nicht so", y/n verdrehte die Augen. Dann griff sie Chishiya bei den Schultern und zog ihn an sich.

"Du hast Regel drei nicht einmal vierundzwanzig Stunden durchgehalten." Chishiya erwiderte die Umarmung nicht, aber er drückte sie auch nicht von sich. 

"Meine Regel, also kann ich sie auch brechen", entgegnete y/n und behielt ihn noch einige Sekunden in ihren Armen. Sie konnte nicht widerstehen ihr Kinn für einen Moment auf seiner Schulter abzulegen. Was sie dazu verleitet hatte, wusste sie nicht. Aber sobald sie seine Schulter berührte, hatte sie das Gefühl, dieser Platz wäre schon lange für ihren Kopf vorbestimmt gewesen. Im Gegensatz zu dem Rückzug, den sie nach ihrem Händchenhalten gemacht hatte, erlaubte sie es sich diesmal die Berührung zu genießen. 

Als sie Chishiya wieder los ließ, sah sie gerade noch, wie er das kleine Lächeln auf seinen Lippen verschwinden ließ. Er hatte also nicht wirklich ein Problem damit gehabt, dass sie ihre Regeln über den Haufen geworfen hatte. Aber Hauptsache mal genörgelt, wie hätte es auch anders sein können. Sie musste kurz über ihn lachen, bevor ihre Mine todernst wurde. "Auch wenn du glaubst, dass diese Welt dich verändert, untersteh dich zu sterben, weil du deine neu entdeckten Gefühle nicht in den Griff bekommst."

Nun zeigte er sein Lächeln. Auch wenn es natürlich nicht dieses seltene sanfte war, sondern das wohl bekannte überhebliche. "Da sei mal unbesorgt. Behalt das lieber selbst im Hinterkopf."

Y/n erwiderte das Lächeln trotzdem und zog dabei die Nase etwas kraus, weil sie nicht wusste, was sie als nächstes sagen sollte. Sollte sie sich verabschieden und gehen? Sollte sie sicherheitshalber nochmal nachfragen, ob sie sich wirklich wiedersehen würden? Immerhin hatten sie sich ja verbündet, also war es eigentlich logisch, dass sie wieder zusammenkommen würden. Und er nervte zwar tierisch, aber sie hatte sich schon eingestanden, dass sie ihn wenigstens ein bisschen mochte. Vielleicht ein bisschen zu sehr, wenn man bedachte welche respektlosen Wortgefechte sie sich schon geliefert hatten. Aber es war sinnlos es zu leugnen. Y/n hoffte wirklich, sie würde ihn wiedersehen.

"Wenn du dein Spiel überlebst...", Chishiya schien einen ähnlichen Gedanken zu haben wie sie.

"Komm ich zurück in die Bibliothek und wir können weiter streiten", scherzte sie, weil sie es anders nicht über die Lippen brachte. Niemals hätte sie ihm gegenüber zugegeben, dass sie ihn gar nicht so übel fand, wie sie es immer vorgab.

"Fantastisch", Chishiya klang wenig begeistert. Ob wegen des Scherzes über das Streiten, oder der Vorstellung sie wieder zu sehen, wusste sie nicht. Aber immerhin hatte er ihr nicht widersprochen. Also nahm sie das so hin.

Dann zog jeder für sich allein weiter. Alles was y/n >außer ihren Klamotten< bei sich trug, war das letzte bisschen einer Schachtel Zigarette und ein Feuerzeug. Yumas alten Rucksack hatte sie in der Bibliothek zurückgelassen. In Chishiyas Versteck war er sicher, das wusste y/n, sie selbst war es immerhin auch gewesen.

Y/n entschied sich schließlich der Kreuzdame entgegen zu treten. Doch als sie die verlassene Spielhalle betrat, sackte ihr das Herz sofort in die Hose. 

Sie hatte Niragi zwischen den anderen Teilnehmern schon erkannt, bevor er sie überhaupt gesehen hatte. Als sein Blick sie schließlich fand, kam er ohne Umschweife auf sie zu. Y/n schluckte nervös.

"So sieht man sich wieder", Niragi klang rein gar nicht freundlich. Er fauchte sie an wie eine streitlustige Raubkatze.

"Auch schön, dass du noch am Leben bist", zischte sie zurück und passte sich seinem unfreundlichen Tonfall an. Niragi ließ sich davon nicht einschüchtern. Stattdessen packte er sie grob am Arm. Bevor er allerdings sonst noch irgendwas tun konnte, verzog sich sein Gesicht und er krümmte sich etwas zusammen. Es sah aus, als habe er Schmerzen.

"Was?", unsicher sah y/n zu, wie er sich die Hände auf den Bauch presste. Dann begann er zu husten und y/n sah deutlich die Blutströpfchen, die jetzt seine Lippen besprenkelten.

"Was ist mit dir?" Als sie den ersten Schreck überwunden hatte, griff sie sein Kinn, sodass er sie ansehen musste. Doch er schlug ihre Hand weg, nur um sich anschließend wieder zu krümmen. Y/n entging nicht, wie die anderen Teilnehmer ihn beobachteten. Also ignorierte sie seine Laune und packte ihn wieder. 

"Reiß dich zusammen, die denken alle du bist leichte Beute." Y/n zerrte an seinen Armen und zwang ihn aufrecht zu stehen.

"Als würde dich das interessieren", knurrte er aus tiefer Kehle. Doch diesmal wies er ihre Berührung nicht zurück, was y/n erleichterte. Er war vielleicht sauer, aber nicht in der Verfassung das an ihr auszulassen. Ohne Hilfe konnte er ja nicht einmal gerade stehen.

"Hör auf rumzuheulen, ich bin ja jetzt da." Sie hoffte, dass er sich damit zufrieden geben würde. Nicht dass sie sich doch noch dazu verleiten ließ Chishiya zu erwähnen, wenn Niragi weiter darauf herumritt, dass sie sich jetzt erst wiedergetroffen hatten.

Doch auch wenn er etwas in die Richtung hätte erwidern wollen, hatte er dazu keine Chance mehr. Die Spielregeln wurden erklärt. Die Kreuzdame spielte mit ihnen Escape Room. In Zweierteams galt es alle Rätsel innerhalb von einer Stunde zu lösen. Jedes Paar bekam dafür einen extra Raum, den es bezwingen musste. Wurden alle Rätsel erfolgreich gelöst, öffnete sich ein Ausgang, durch den das Team den Rätselraum verlassen musste. Hinter dem Ausgang lag ein Buzzer. Das Team, das den Buzzer zuerst drückte, konnte gewinnen. Y/n stutzt. Sie wunderte sich über die Formulierung: konnte gewinnen. Was sollte das heißen? Wahrscheinlich, dass es mit dem drücken des Buzzers noch nicht getan war. Außerdem wunderte y/n sich, wo die Kreuzdame in diesem Spiel auftauchte. Weil der Herzbube Teil seines eigenen Spiels gewesen war, hatte sie angenommen, dass würde bei den Spielen der Gesichtskarten immer so ablaufen.

"Lass uns ein Team bilden", schlug y/n vor, Niragi immer noch festhaltend. Weil er nichts einzuwenden hatte, nahm sie das als ein Ja. Y/n hatte kurz gezögert, das zu fragen. Auch wenn es die offensichtliche Wahl war. Sie würde sich ungern mit einem Fremden in einem Raum einschließen lassen. Zwar war Niragi auch nicht gerade der Mensch, mit dem sie am liebsten eingesperrt war. Aber immerhin konnte sie bei ihm ein bisschen einschätzen, womit sie zu rechnen hatte.

Außer ihnen gab es noch drei andere Paare. Sie sahen nicht besonders bedrohlich aus. Aber y/n war sich nicht sicher, wie viel Niragi leisten konnte, wenn er schon Blut hustete. Die Steine, die ihn verschüttete hatten, bevor y/n ihn vor ein paar Tagen gefunden hatte, mussten ihm Innere Verletzungen zugefügt haben. Die heilten wohl nicht. Jedenfalls nicht so lange er durch die Spiele auf Trapp gehalten wurde. Eigentlich brauchte er Ruhe. Aber wenn er nicht spielte, würde er garantiert sofort sterben, weil sein Visa irgendwann auslief.

"Niragi", flüsterte sie, als die Paare sich an den vier Türen verteilten, hinter denen die Escape Rooms lagen. 

"Y/n", gab er zurück und stützte die Hand auf ihre Schulter um aufrecht stehen zu können. Sie wollte sich bei ihm entschuldigen, dass sie ihn allein gelassen hatte. Sie hatte keine Angst mehr vor ihm. Zwar würde sie nicht so weit gehen zu sagen, sie hatte Angst um ihn. Aber sein Zustand stimmte sie schon mitleidig. Es schien ihm absolut nicht gut zu gehen. Aber wenn sie sich dafür entschuldigte, dass sie nicht zurückgekommen war, gab sie ja zu, dass sie mit Absicht von ihm weggeblieben war. 

"Ach nichts. Lass uns einfach gewinnen", entschied sie also das Thema ruhen zu lassen. Als das Startsignal ertönte riss y/n die Tür auf und zog Niragi in den dahinter liegenden Raum. Doch was sie dort fand, überraschte sie.

"Was?" Y/n drehte sich ungläubig im Kreis, während hinter ihnen die Tür zuschlug.


Caught in Borderland (German Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt