Kapitel 50

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Hansson war mit seiner Kraft am Ende. Er hatte in der Nacht kaum ein Auge zugekriegt. Wenn es hochkam, hatte er vielleicht eine Stunde geschlafen. Die Sorge um Bryan ließ ihm keine Ruhe. Zuerst die Entführung von Joy und nun auch noch Bryan. Nahm das denn niemals ein Ende?

Hanssons Nerven lagen blank, während er in Cardwells Büro saß, um ihm ein Update zu geben. Hansson wollte überall sein, wollte Himmel und Hölle in Bewegung setzen, jeden Stein in Sydney umdrehen, um Bryan lebend wiederzusehen, aber ganz bestimmt wollte er nicht untätig in einem Büro festsitzen und sich unterhalten.

„Also, was haben wir bisher?", fragte Cardwell, nachdem er ihnen beiden eine Tasse Kaffee eingeschenkt hatte. Hansson würde heute noch viele Tassen brauchen. Er stöhnte.

„Die Wohnungsdurchsuchung ergab nichts Aufschlussreiches. Allerdings ist die Spurensicherung im Moment noch dort und ich hoffe, dass sie vielleicht mehr finden als die Kollegen letzte Nacht. Mein Team und ich haben außerdem Lockwoods Handydaten und die Anrufprotokolle aus der Universität gesichtet. Alleine an den letzten zwei Tagen saßen wir Stunden. Lockwood hat so viele Beileidsbekundungen erhalten, so viele Anrufe von Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen oder auch Reportern, dass es unzählige Nummern zu überprüfen gab. Die meisten Anrufe hat Lockwood gar nicht angenommen und selbst hat er kaum einen Anruf getätigt. Er hat nur einmal mit Rosemary Clint telefoniert. Sie werde ich in einer halben Stunde treffen. Auch Lockwoods E-Mails haben wir überprüft. Ebenfalls Fehlanzeige. Beileidsbekundungen ohne Ende, Unterstützungsangebote, Anfragen von Reportern. Nichts, was uns weiterhilft."

Manche Reporter oder Agenturen hatten sogar die Möglichkeit genutzt, Lockwood dafür zu gewinnen, ein Buch über die „spektakuläre Geschichte" vor zehn Monaten zu schreiben. Auf diese Weise sollte jeder über Joys Heldentaten lesen können. Hansson hatte nur fassungslos den Kopf geschüttelt. Es war unglaublich.

„Den ersten Durchbruch lieferte uns Lockwoods Kreditkartenabrechnung. Das haben Sie ja mitbekommen. Lockwood hat seine Kreditkarte gestern Abend noch benutzt und zwar nach der Entführung. Er war im Westfield Shopping Centre in Hurstville und hat einen Schlafsack, eine Isomatte und Proviant gekauft. Vor der Entführung hatte er keine Gelegenheit dazu, da er von uns überwacht wurde. Achja, und Bargeld hat er abgehoben. Er weiß, dass er ab jetzt nur noch bar bezahlen kann. Lockwood wird so schnell leider kein Fehler unterlaufen."

Cardwell seufzte bestätigend.

„Die größte Überraschung war, dass Bryans Auto im Parkhaus des Shoppingcenters gefunden wurde. Wir haben sofort die Videoaufzeichnungen überprüft. Lockwood war alleine unterwegs. Er ist um 20:41 ins Parkhaus gefahren, ausgestiegen und ins Shoppingcenter gegangen. Dort hat er zwischen 20:53 und 21:45 seine Kreditkarte benutzt. Die Leute vom Shoppingcenter waren sehr hilfsbereit und sind sämtliche Videos durchgegangen. Sie haben Lockwoods Schritte verfolgt. Er hat um 21:49 das Shoppingcenter verlassen. Aber er ist nicht zum Auto zurück. Stattdessen hat er den Ausgang zur Rose Street gewählt. Danach verliert sich seine Spur. Wir haben keine Ahnung, wo er hingegangen ist, oder wie er von dort weggekommen ist. Trotzdem gibt uns sein Auftauchen im Shoppingcenter eine erste Zeitvorstellung. 20:41 Uhr. Das war eineinhalb Stunden nach der Entführung. Das heißt, Lockwood hat zwischen 19:07 Uhr und 20:41 Uhr Bryan entführt und weggebracht und ist anschließend zum Westfield Centre gefahren."

„Das grenzt also den Bereich ein, in dem Lockwood Bryan Mills festhalten könnte?"

Hansson nickte. „Da sitzt mein Team gerade dran. Es ist das Greifen nach einem Strohhalm und vermutlich bringt es uns nicht wirklich weiter, der Umkreis ist immer noch viel zu groß. Was es aber zeigt, ist, dass Lockwood noch in der Stadt ist. In der kurzen Zeit hätte er die Stadt nicht mit Bryan verlassen und wieder zurück zum Shoppingcenter fahren können."

Im Strudel der Zeit - TodgeweihtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt