Kapitel 25

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James war völlig leer. Nachdem die Bombe hochgegangen war, war er losgerannt, bis er keine Luft mehr bekommen hatte. Kurzentschlossen war er ins nächste Taxi gestiegen und in die Blue Mountains gefahren. Verzweifelt und erfüllt von Trauer und Entsetzen war er durch den Wald gestolpert, bis er zu der Lichtung gekommen war, auf der er mit Joy zu Beginn gelebt hatte. Hier hatte er sich unter den Resten seines damaligen Unterstands zusammengekauert und seine Wut herausgebrüllt.

Anschließend hatte er stundenlang geweint. Er sah die kleine Joy vor sich liegen, gerade mal drei Monate alt, hilflos und unschuldig. Auf seinen Schutz angewiesen. Er hatte sie immer beschützen wollen! Doch jetzt hatte er versagt. Die Verzweiflung schien ihn von innen aufzufressen. Er bedauerte, dass er sein Schwert nicht dabei hatte, sonst hätte er seinem Leid hier und jetzt ein Ende bereitet. Ohne Joy hatte sein Leben keinen Sinn. Er hatte nun alles verloren, was ihm jemals etwas bedeutet hatte. Seine Freunde damals auf dem Schiff, die freiwillig in den Tod gegangen waren, um Henry nicht dienen zu müssen, seine Frau und seine Tochter. Darüber hinaus hatte er auch noch seine geliebte Frau, seine Lynne, enttäuscht. Sie war für Joy gestorben, um sie zu retten. James hatte sich geschworen, ihr Vermächtnis weiterzutragen, doch er hatte es nicht geschafft, Joy zu beschützen. Heute hatte er darin versagt, Joy war tot.

James' ganzer Körper stand in Flammen und er wusste nicht, wie er den Schmerz länger ertragen sollte. Die Trauer brach über ihn herein und umhüllte ihn wie ein schwarzer Nebel. James sah nichts anderes mehr. Da war nur noch Trauer – und Wut. Immer mehr rückte die Wut in den Vordergrund, bis sie alles war, was seinen Geist erfüllte.

Nicholas Chandler.

Dieses Monster hatte Joy getötet! Er hatte Lynnes Opfer in den Dreck gezogen. Er hatte Joy tagelang gefoltert. All das war seine Schuld! Nein, James würde sich nicht das Leben nehmen. Nicht, bevor er sich nicht gerächt hatte. Plötzlich bedauerte er aus ganz anderen Gründen, dass er sein Schwert nicht dabei hatte. Er würde es brauchen. Vor allem, falls die Idioten bei der Polizei es tatsächlich so gründlich versaut hatten, dass sie auch noch Black Soul hatten entkommen lassen. Dieses Mal war James Black Soul ebenbürtig. Dieses Mal war er nicht schwerverletzt. Dieses Mal hatte er eine Chance bei einem Duell um Leben und Tod.

James würde sich an Chandler rächen und Black Soul dorthin zurückbringen, wo er hingehörte. Er würde den ungebändigten Geist wieder hinter Gitter stecken, ihn einsperren und ihm damit das antun, worunter er am meisten litt. Fast hoffte James, dass die Polizei seinen Erzfeind verloren hatte, denn dann würde ihm die Freude zuteilwerden, ihn wieder einzufangen. Doch er wusste, dass dieses Gefühl von einem verwirrten und verzweifelten Geist herrührte. Die Trauer um Joy raubte ihm den Verstand, weckte eine Blutlust in ihm und den Wunsch, so viele Menschen wie möglich für ihren Tod bezahlen zu lassen – und sich in eine Schlacht zu stürzen, um alle anderen Gefühle vergessen zu können. Was gab es für eine bessere Schlacht als die gegen Black Soul?

Nur leider würde all das seine geliebte Tochter nicht wieder lebendig machen und so versuchte er sich Vernunft einzureden. Black Soul war hoffentlich von der Polizei aufgehalten worden, bevor er Chandler erreicht hatte. Doch an der Rache an Chandler änderte das nichts. Er musste für das bezahlen, was er Joy angetan hatte. James war ein friedliebender Mensch, aber wenn jemand Joy verletzte, hatte seine Gutmütigkeit ein Ende. Er würde noch darüber nachdenken müssen, wie sehr er Chandler leiden ließ, bevor er ihn der Polizei übergab. Aber er würde Chandler finden. Er würde ihn finden und vernichten. Anschließend würde er darüber nachdenken, ob er das Schwert noch für einen letzten Einsatz benutzen wollte. Ein letztes Mal, um mit seiner geliebten Familie vereint zu sein.

Wieder kamen ihm die Tränen und er schrie seine Trauer in den Wald hinein. Er hörte Vögel aufstoben und es raschelte im Gebüsch. Doch das Rascheln verstummte nicht. Es kam näher. Wurde lauter. Und es hörte sich ganz und gar nicht nach einem Tier an. James setzte sich auf und war sofort in Alarmbereitschaft. Er zog sich hinter den Baum zurück.

Im Strudel der Zeit - TodgeweihtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt