Kapitel 66

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Amy schlüpfte in die Flip Flops. Ihre Mutter lächelte ihr liebevoll zu und streichelte ihr über den Rücken.

„Ich bin froh, dass du dich dazu entschieden hast", hauchte sie.

Amy hob den Blick. „Ich will das tun. Ich muss es tun."

Mit diesen Worten öffnete sie die Tür. Ihre Mutter kam hinterher und sie stiegen ins Auto. Es fühlte sich seltsam an, das erste Mal, seit Joy entführt worden war, das Haus zu verlassen, aber es war unausweichlich. Anstatt sich um die Beerdigung der nicht vorhandenen Überreste von Joy zu kümmern, war James unter die Entführer gegangen. Dieser Umstand zwang Amy nun aus dem Haus. Sie trug eine graue Sporthose und ein schwarzes Top, auf Schminke oder andere Versuche, sich ansehnlich zu machen, hatte sie verzichtet. Das alles hatte seinen Wert verloren. Sie hatte sich lediglich die Zeit genommen, ihre Haare zu einem französischen Zopf zu flechten. Joy hatte die Frisur an ihr geliebt.

Amys Mutter warf ihr besorgte, aber auch hoffnungsvolle Blicke zu, während sie ihrem Ziel näherkamen. Es war nicht weit, aber Amy hatte darauf bestanden, mit dem Auto zu fahren. Sie wollte niemandem begegnen, der sie erkennen könnte. Inzwischen waren auch Fotos von Joy mit Amy in der Boulevardpresse aufgetaucht. Amy ärgerte sich tierisch darüber, aber das war nicht mehr rückgängig zu machen.

„Alles klar?", fragte ihre Mutter, als sie am Ziel angekommen waren. „Bist du bereit oder brauchst du noch Zeit?"

Amy sah aus dem Fenster. Voller Unbehagen entdeckte sie die beiden Polizeiautos an der Straße. Ein Polizist stand vor der Haustür. Amys Brust zog sich zusammen.

„Nein, ist schon in Ordnung", krächzte sie und öffnete die Beifahrertür. Auf wackligen Beinen stieg sie aus und näherte sich unter den neugierigen Blicken des Polizisten dem Haus. Ihre Mutter kam schnell hinterher.

„Ich möchte zu Stefanie Davies", erklärte Amy, als sie die Tür erreicht hatte. „Ist sie da?"

Der Polizist sah sie verwundert an. „Und wer bist du?"

„Ich bin Amy. Joys Freundin – beste Freundin. Sie haben bestimmt schon von mir gehört."

Der Polizist nickte. „Moment."

Er drehte sich von ihr weg und sprach etwas in sein Funkgerät. Kurz darauf wandte er sich wieder ihr zu und lächelte sie freundlich an.

„Alles klar, du darfst rein. Miss Davies ist da und weiß Bescheid."

„Danke", meinte Amys Mutter und schob sie durch die Tür, die der Polizist für sie aufhielt.

Oben angekommen wurde Amy nervös. Als sie aus dem Aufzug trat, sah sie bereits den Polizisten, der vor Joys Wohnung stand. Nein, nicht mehr Joys Wohnung. Joy... war tot. Sie würde diese Wohnung nie mehr betreten. Plötzlich wich Amy wieder ein paar Schritte zurück, was ihr einen verwunderten Blick ihrer Mutter einbrachte. Amy stand nun mitten im Aufzug.

„Ist was nicht in Ordnung?", fragte ihre Mom.

Amy atmete schwer. „Es... es ist nur... es ist..." Amys Augen wurden feucht und sie begann zu zittern.

„Vielleicht war es doch keine so gute Idee, Amy. Wir können auch später wiederkommen, es besteht keine Eile."

„Nein, Mom", widersprach Amy leise. „Ich will das jetzt tun."

Ganz langsam trat Amy aus dem Aufzug heraus. Der Polizist sah bereits neugierig zu ihnen hinüber. Als Amy den Flur betreten hatte, zog ihre Mom den Arm aus der Aufzugtür, mit dem sie sie offengehalten hatte. Nun schossen die Türen aufeinander zu und Amy drehte sich erschrocken zu ihnen um. Ihre Rückzugsmöglichkeit hatte sich geschlossen. Nun gab es nur noch einen Weg: den nach vorn.

Im Strudel der Zeit - TodgeweihtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt