Kapitel 63

93 21 4
                                    

James hätte kotzen können, als er Henrys Stimme hörte. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte er, Ruhe zu bewahren.

„Was willst du, Henry?", fragte er gehässig.

„Ich will gar nichts. Aber deine Tochter wollte etwas. Ich hab gedacht, das solltest du wissen."

Joy? James' Herz setzte einen Moment aus. Der Unterton in Henrys Worten wollte ihm gar nicht gefallen. Sofort machte er sich Sorgen. War etwas passiert?

„Weißt du, Joy hat doch ernsthaft versucht, zu fliehen. Nur, um diesen beschissenen Detective zu retten. Kannst du das fassen?"

James stockte der Atem. Sein Gesicht erstarrte zu einer Maske aus Wut und blanker Panik. Als er nichts sagte, sprach Henry weiter.

„Keine Sorge, James. Sie ist noch am Leben. Sie liegt gut verschnürt im Kofferraum."

Die Worte ließen James zusammenbrechen. Er wollte Henry anschreien, doch er hielt sich wohlweislich zurück. „Was hast du ihr angetan?", zischte er.

„Ich?", fragte Henry unschuldig. „Ich habe ihr gar nichts angetan. Natürlich musste ich sie bestrafen, das ist klar. Aber ich habe mich mit einem Schlag zufriedengegeben. Dass sie jetzt im Kofferraum liegt, hat sie sich selbst zuzuschreiben."

Ein Schlag. Gut verschnürt im Kofferraum. James' Herz schmerzte, als würde es in einer Schraubzwinge stecken, die erbarmungslos zugezogen wurde.

„Ich habe angerufen, um dich darum zu bitten, deiner Tochter diese dummen Fluchtversuche auszureden."

Fluchtversuche? Plural? Hatte Joy es schon einmal versucht? So schrecklich Henrys Worte auch waren, sie erfüllten James mit Stolz und Hoffnung. Seine mutige Löwin hatte noch nicht aufgegeben. Noch kämpfte sie. Aber das sollte ausgerechnet er ihr ausreden? Das war Wahnsinn! Das konnte er nicht tun!

„Erklär deiner Tochter doch bitte, dass das keinen Zweck hat, aye? Tust du das für mich? Sie kann Hansson nicht retten, stimmt's? Sag ihr das."

James' Herz zerbrach entzwei. Seine Brust zog sich zusammen.

„Moment, ich nehm ihr noch das Klebeband ab, dann kannst du mit ihr reden."

Klebeband? James zerbrach bei jedem von Henrys Worten immer noch ein Stückchen mehr. Am Ende würde nur noch ein kleines Häufchen Schutt und Asche übrig bleiben.

„Dad?" Verdammt, ihre Stimme war dermaßen zerbrechlich! Sofort rappelte James sich wieder auf.

„Joy! Joy, wie geht es dir?", fragte er und bereute die Frage sofort. Wie sollte es ihr schon gehen?

„Nicht so gut, Dad", antwortete Joy ehrlich. „Dad, du darfst Hansson nicht töten."

James stöhnte verzweifelt. Joy riskierte schon wieder ihr Leben für das eines Anderen. Und das, obwohl es gar nicht nötig war. Aber das konnte James ihr unmöglich sagen, denn das würde ihr das Leben kosten.

„Dad, ich wollte... ich wollte fliehen, damit du es nicht tun musst. Aber..."

„Ist schon gut, Joy."

Joys Verzweiflung klang glasklar durch den Hörer. Ebenso wie ihre Schwäche. Seine Tochter lallte!

„Sag ihr schon, dass sie es vergessen soll!", fauchte Henry aus dem Hintergrund.

James kämpfte gegen die Tränen und atmete einmal tief durch.

„Joy, tu bitte nichts Unüberlegtes. Halte dich an die Regeln und bleib am Leben. Dafür tue ich das doch alles. Damit du am Leben bleibst. Setze das bitte nicht aufs Spiel."

Im Strudel der Zeit - TodgeweihtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt