Kapitel 27

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Langsam kam ich wieder zu mir. Es dauerte eine Weile, bis ich meine Augen schließlich öffnen konnte. Nach und nach wurden die Umrisse scharf und ich erkannte den Krankenflügel wieder. Doch diesmal war ich alleine.
Der Vorhang neben mir war zugezogen, von dahinter hörte man gedämmte Stimmen. Anscheinend war Madame Pomfrey viel beschäftigt. Ich stieß einen leisen Seufzer aus. Mein Körper fühlte sich schwach an, mein Kopf brummte und insgesamt fühlte ich mich schrecklich.

Draußen war es immer noch hell oder schon wieder. Wie lange ich wohl diesmal geschlafen hatte? Ein Stechen in meiner linken Hand, erinnerte mich an das, was geschehen war. Und auch wenn mein Kreislauf und meine Sicht schon sehr beschränkt waren, sah ich die platinblonden Haare vor meinem inneren Auge, als wären erst wenige Minuten vergangen.
Warum musste es ausgerechnet Malfoy sein? Warum musste er es sein, welcher mich in den Krankenflügel gebracht hatte - schon wieder? Die Fragen verstärkten meine Kopfschmerzen nur und ich versuchte alles auszublenden. Schließlich schlief ich vollkommen erschöpft wieder ein und durchlebte immer wieder den Moment, als Malfoy mich zu Umbridge zerrte.

* * * *

Als ich aufwachte, grinsten mich zwei Rotschöpfe an.
„Hey Nanc", saß Fred zu meiner Linken. „Wir haben uns echt Sorgen um dich gemacht", ergänzte George von meiner rechten Seite. „Umbridge hat dich krass zugerichtet. Madame Pomfrey ist im Dreieck gerannt, als du hier ankamst." Die Beiden schauten mich an wie sieben Tage Regenwetter. „Wie fühlst du dich jetzt?" Ich zwang mir ein Lächeln ab. „Müde."
„Du hast echt was verpasst", sprach Fred gleich weiter. „Wir haben Umbridge mit unseren neuesten Feuerwerkskörpern gejagt." „Oh ja, du hättest ihr Gesicht sehen sollen", lachte nun auch George. Das hätte ich wirklich zu gerne gesehen.
Und auch wenn ich mich noch immer schwach fühlte, hatte ich ein Lächeln auf den Lippen und fühlte mich das erste Mal wieder unbeschwert, auch wenn es nur ein kurzer Moment war. Die Zwillinge waren einfach Gold wert.

„Aber leider ist auch nicht nur Gutes passiert", wurde George plötzlich ernst. Fred nickte. „Die DA wurde Dumbledore quasi zum Verhängnis, das Ministerium wollte ihn loswerden", flüsterte George. „Umbridge ist jetzt auch noch die neue Schulleitung, das ist echt kein Spaß", ergänzte Fred. Ich blickte zwischen den Beiden Hin und Her. „Wie lange war ich denn weg?"
„Bis Madame Pomfrey dich aufgepäppelt hatte, waren es fast zwei Tage. Aber du warst schwach und hast immer wieder geschlafen." „Und die ganzen Änderungen gingen jetzt echt schnell." Leicht geknickt saßen wir nun da.
Ich seufzte. „Das Schuljahr ist fast rum und ich muss so viel Lernen. Ich kann es mir nicht länger leisten, hier zu liegen und nichts zu machen." Ich versuchte überzeugend zu klingen, doch war ich mir selbst nicht sicher, wie ich das alles auf die Reihe bekommen sollte. Ganz abgesehen von meinen eigentlichen Problemen außerhalb der Schule.

* * * *

Die letzten wenigen Wochen vor den ZAG's standen an. Mein Kopf ratterte wie eine alte Dampflok, ich hatte das Gefühl nichts zu können. Als wäre ich das gesamte Jahr nicht Anwesend gewesen. Eigentlich wollte ich Hermine nach Hilfe fragen, aber sie war ständig mit Harry und Ron unterwegs, dann waren sie für eine Zeit wieder verschwunden, ehe ich die Drei überhaupt mal zu Gesicht bekam.
Sogar Ginny war teilweise wie vom Erdboden verschluckt.
Das einzige kleine Licht in all dem war, dass auch Malfoy sich selten in meiner Gegenwart blicken ließ. Wahrscheinlich hatte er keine Lust mehr, mich ständig in den Krankenflügel zu bringen und mied mich lieber - am Ende könnte noch jemand auf die Idee kommen, er wäre nett.

Und mir sollte es nur Recht sein. Meine Nerven lagen komplett blank, ich wusste überhaupt nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Einmal mehr verkroch ich mich in der Mädchentoilette der maulenden Myrte. Die meisten Schüler suchten eine andere Toilette auf, da Myrte viel zu anstrengend war.
Ich zog den geknitterten Brief aus meinem Umhang und öffnete ihn mit zittrigen Händen. So oft schon, hatte ich ihn gelesen, jedes einzelne Wort analysiert und doch ergab das alles keinen Sinn für mich. Mein Herz zog sich zusammen, meine Augen brannten von all den Tränen. Doch ich konnte nicht anders, versuchte zu verstehen was passiert war, versuchte eine Antwort auf all meine Fragen zu finden. Immer und immer wieder, fing ich an den Brief leise vorzulesen.

Nancy,
Wir können nicht mehr. Hätten wir damals gewusst, was du bist - was du kannst, dann hätten wir dich niemals mit nach Hause genommen. Wir hätten dich im Heim lassen sollen und uns ein normales Kind aussuchen sollen. Du schienst so unschuldig und süß, doch das bist du nicht. Du bist abnorm, ein Freak, ein Fehler in unserer Gesellschaft. Wir können das alles nicht länger und wollen auch nicht mehr, dass du mit unseren Namen in Verbindung gebracht wirst. Wir lassen dir deine Sachen in diese Schule schicken und möchten dich nie wieder sehen. Verlasse unser Leben, damit wir endlich wieder glücklich sein können.
Gezeichnet Mr. & Mrs. Devon

Meine Eltern wollten mich nicht mehr. Sie hatten mich aus unserem Haus geschmissen, mir meine Familie genommen. Gleichzeitig erwähnten sie kurz nebenbei, dass sie gar nicht meine Eltern waren, ich war adoptiert. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Meine Eltern waren nicht meine Eltern.
Binnen einer Nacht hatte ich alles verloren. Ich fühlte mich so elendig. Was sollte ich jetzt machen? Wo sollte ich denn hin? Ich war doch noch ein Kind.

Meine Freunde waren allesamt beschäftigt und die Schule war nebenbei auch noch viel zu stressig. Jeder hatte seine eigenen Probleme und ich wusste schlichtweg nicht, wie ich irgendwas zustande bekommen sollte. Ich war überfordert, alleine und hatte Angst. Das wahrscheinlich erste Mal in meinem Leben hatte ich unglaublich Angst. Die Lehrer waren auch keine große Hilfe, alle hatten nur ihr Fach und ihre Prüfungen im Sinn. Natürlich konnten sie alle meckern, wenn ich unachtsam war oder einen Fehler machte, aber niemand kam auf die Idee, zu fragen, warum meine Leistungen so schlecht wurden. Weil es niemandem interessiert, höhnte eine kleine Stimme in meinem Kopf.

Ich war ein Fehler der Gesellschaft. Bei den Muggeln und bei den Zauberern. Ich passte nirgends dazu, keine Seite wollte mich. Und mittlerweile wollte ich mich nicht einmal mehr selbst ertragen.

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