Kapitel 36

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Wir mussten gefühlte Stunden warten.
Immer wieder verließen Heiler oder Schwestern das Zimmer, in welchem Devon nun war. Dann kamen sie wieder. Jeder Versuch, einen von ihnen auszufragen, misslang.

Angespannt wippte meine Mutter mit dem Fuß. Endlich schien einer der Heiler sich auf den Weg in unsere Richtung zu machen.
„Guten Abend. Sie gehören zu dem Mädchen?"
„Ja, ja. Und wir würden sehr gerne zu ihr. Wie geht es ihr jetzt?"
Der ältere Herr wies uns jedoch an, ihm zu folgen. Das passte meiner Mutter natürlich überhaupt nicht, aber wir durften keinen Verdacht aufkommen lassen. In einem großen Büro nahmen wir Platz, der Heiler hinter einem breiten Schreibtisch gegenüber von uns.
„Gut. Mein Name ist Dr. Cleeves. Mit wem genau habe ich die Ehre hier?", er setzte ein charmantes Lächeln auf. „Narzissa Malfoy und das ist mein Sohn Draco."
„Dann ist das Mädchen also Ihre Freundin?", wandte er sich an mich.
Mein Unterkiefer spannte sich an, was dachte er sich eigentlich?
„Nein", versuchte ich so entspannt und freundlich wie nur möglich zu klingen.
„Sie ist lediglich eine Schulkameradin."

„Ihre Eltern sind unterwegs wegen der Arbeit und wir haben Angeboten auf sie aufzupassen", mischte sich Mutter ein. Der Mann nickte.
„Verzeihen Sie mir, wenn ich so direkt bin, aber dann waren Sie nicht miteinander sexuell aktiv, verstehe ich das richtig?" Mir blieb die Luft weg. Ich und Devon? Geschockt blickte ich ihn an. „Nein, ganz sicher nicht", ich konnte die Empörung nur schwer unterdrücken. Mein Herzschlag beschleunigte sich.
„Ich wollte Ihnen nicht zu Nahe treten Mr. Malfoy", entschuldigend hob er die Hände. Dennoch hatte sein Blick etwas Misstrauisches, mit dem er zwischen mir und meiner Mutter hin und her schaute.

„Und Sie sagen, das Mädchen war vorher bei ihren Eltern?"
„So wurde es uns mitgeteilt. Warum genau ist das so wichtig?" Noch immer sprach meine Mutter wie die Ruhe selbst. Der Heiler räusperte sich.
„Wir werden sie hierbehalten." „Bitte?! Das geht nicht", Mutter atmete tief ein.
„Bitte verstehen Sie, wir haben ihren Eltern versprochen, gut auf sie aufzupassen. Sie kennt unser Haus, das arme Ding hat dieses Schuljahr eine Menge durchgemacht und braucht eine vertraute Umgebung." Mit einem wehleidigen Blick schaute sie ihm in die Augen. „Sie braucht uns jetzt."
Und wir brauchten sie, wenn wir Bellatrix über den Weg liefen.

„Es freut mich zu hören, dass Sie so besorgt sind um das Mädchen. Allerdings weisen ihre Verletzten und ihr Verhalten sehr auf einen Missbrauch hin und das muss ich dem Ministerium melden. Und sie hat gerade ein Kind verloren, da ist sie in einem Krankenhaus am besten aufgehoben."
Die Stimme des Heilers war mitfühlend und weniger forsch als vor einigen Augenblicken. Sie hatte ein Kind verloren?

Ich spürte ein flaues Gefühl in meinem Magen. Die Greifer waren allesamt erwachsene Männer, Devon war schon immer eine Kämpferin und sie würde niemals freiwillig so etwas mit sich machen lassen. Allein der Gedanke, wie sehr sie die letzten Wochen gelitten haben muss, verschaffte mir Übelkeit und Unwohlsein. Ich bekam kaum noch Luft. Ich verspürte ein schmerzendes Gefühl, welches ich nicht kannte. Es war schrecklich und wurde mit jeder Sekunde stärker.
„Frische Luft wird Ihnen guttun. Kommen Sie morgen früh wieder. Ich werde es abhängig von dem Zustand des Mädchens machen. Aber dennoch werde ich den Fall dem Ministerium melden und dann werden sich die zuständigen Mitarbeiter bei Ihnen melden." Natürlich war ihm mein Zustand nicht entgangen.

Meine Mutter stimmte dem zu, wir verabschiedeten uns und machten uns auf den Rückweg zum Kamin. Niemand außer uns wusste, dass der Kamin an das Flohnetz angeschlossen war und somit konnten wir ungesehen ins Manor zurückkehren. Mutter musste sich erst einmal setzten. Sie schüttelte den Kopf. „Das arme Ding." Dann erhob sie sich wieder und setzte ihre kalte Miene auf.
„Zu Niemanden ein Wort. Morgen Früh, bevor Bella aufsteht, werden wir wieder ins Mungos gehen und sie holen. Niemand wird mitbekommen, dass wir überhaupt weg waren und alles wird gut." Ich nickte.
Vielleicht würde für uns wieder alles gut werden, aber für Devon bestimmt nicht. Und wenn ich mein Leben behalten wollte, konnte ich ihr nicht helfen.
Das unbekannte schmerzende Stechen in meinem Brustkorb war wieder da. Gerade wollte meine Mutter die Tür öffnen, als ein heller Lichtschein auf uns zukam. Es bildete sich eine leuchtende Kugel vor uns.

„Mrs. Malfoy, hier spricht Dr. Cleeves. Bitte kommen Sie schnellstmöglich wieder in das St. Mungos."

Die Kugel löste sich auf und der Raum wurde wieder dunkel. Sofort griff ich erneut zum Flohpulver, stieg in den Kamin und ließ mich von den grünen Flammen verschlingen.

Wir wurden schon im zweiten Stock erwartet.
„Das war wirklich schnell", begrüßte uns der Heiler.
„Was ist passiert?", meine Mutter war ganz außer Atem.
„Nachdem sich unsere Wege getrennt hatten, wollte ich noch einmal nach dem Mädchen schauen. Sie hatte einen Moment dank des Beruhigungstranks geschlafen. Allerdings verfiel sie in regelrechte Panik, als sie wieder wach wurde. Sie lässt nicht mit sich reden und scheint generell die Situation nicht zu verstehen, was bei vielen Opfern von Missbrauch der Fall ist, da sie sich somit schützen."

Wir hatten das Zimmer erreicht. Bei ihrem Anblick hatte ich das Gefühl, jemand würde mein Herz zerreißen. Devon saß zusammengekauert, wie ein Häufchen Elend auf dem Bett. Sie zitterte, die Überwachungsgeräte piepten wild durcheinander.
Ihre japsenden Versuche nach Luft hörten sich an wie eine Ertrinkende. Zusätzlich wurde sie von Schluchzern durchzogen, ihr Gesicht war tränenüberströmt.

„Wir kriegen Sie nicht beruhigt, aber Sie hat immer wieder nach Ihnen gefragt, Mr. Malfoy." Ich blickte den Mann neben mir unsicher an. Er nickte mit dem Kopf in ihre Richtung. Auch Mutter gab mir einen kleinen Schubs.
Warum fragte Devon ausgerechnet nach mir?

Am Bett angekommen, legte ich meine Hand auf ihre. Sie war eiskalt. Mit ihren verheulten Augen starrte sie mich an. Es tat weh, sie so zu sehen. Ich verstand nicht warum, aber ihr Zustand verschlechterte meinen ebenfalls. Und doch wusste ich nicht, was ich machen sollte. Ich konnte ihr nicht helfen. All die Menschen in meinem Leben würden ihr nur noch mehr Leid bringen.
Im nächsten Augenblick legte Devon ihren Kopf gegen meinen Oberkörper. Sie drückte ihr Gesicht in mein Hemd und ich spürte, wie ihre Tränen es durchnässten.

Vorsichtig legte ich meinen Arm um sie. Wenige Minuten später war ihre Atmung ruhiger, das Zittern hatte aufgehört und es machte den Anschein, als würde sie nicht mehr weinen. Mutter unterhielt sich mit dem Heiler, doch ich konnte sie nicht verstehen. Meine Aufmerksamkeit galt einzig und allein Devon.
Ich nahm meine Hand und streichelte ihr über den Kopf.

Es wäre besser, wenn sie hierbleiben würde und jemand sie in Sicherheit bringen würde. Im Manor würden ihr nur schlimme Dinge zustoßen. Wenn Bellatrix herausfinden würde, dass sie Muggelstämmig ist, würde sie Devon auf der Stelle töten. Egal ob sie Informationen über Potter wüsste oder nicht. Ich musste einen Weg finden, um dies zu verhindern. Diese Situation war die beste Gelegenheit. Meine Mutter erschien neben mir.

Wir können sie mitnehmen."

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