Kapitel 33

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Die kommenden Tage mied ich Harry. Und Ron. Und Hermine.
Ich mied sie alle, ich wollte mit keinem reden. Ich wusste nicht, ob und was Harry ihnen erzählt hatte, doch ich konnte nicht darüber sprechen. Ich wollte nicht.
Wollte nicht wieder an die Situation denken, wollte nicht die blutigen Bilder von Malfoy in meinem Kopf sehen. Es reichte schon, dass sie mich im Schlaf heimsuchten. In den meisten Nächten wachte ich mehrmals schweißgebadet, mit Tränen in den Augen auf. Ich konnte nicht mehr.

Der Unterricht wurde noch anstrengender als er eh schon war. Hausaufgaben gab es auch immer mehr und jeder Lehrer hatte nur noch ein Thema: Prüfungen.
Ich war übermüdet, ausgebrannt und kaum imstande, einen zusammenhängenden Gedanken zu fassen. Müde schleppte ich mich in die Bibliothek, irgendwie musste ich meinen Aufsatz für Verwandlung schreiben.

Etwas kitzelte meine Nase. Langsam öffnete ich die Augen. Um mich herum waren hohe Bücherregale, ich war noch immer in der Bibliothek. Ich hielt die Feder aus meinem Gesicht und setzte mich aufrecht hin. Das Mondlicht schien durch die Fenster, weit und breit war niemand zu sehen oder zu hören.
Anscheinend war ich eingeschlafen und nun war es nachts. Ich rollte mein Pergament zusammen, nahm mein Buch und machte mich auf den Weg zum Gemeinschaftsraum. Jetzt musste ich nur hoffen, dass Filch mich nicht erwischte.

Vorsichtig und leise schlich ich durch die Gänge. Eines der Portraits fing an mich zu tadeln und wie unerzogen die Jugend von heute doch sei.
„Psssst", zischte ich ihm zu, während ich weiterlief. Mit meinem Blick nach hinten prallte ich mit einer Person zusammen. Erschrocken biss ich mir auf die Unterlippe, drehte ruckartig meinem Kopf und ließ mein Buch fallen. Ein dumpfes Plopp war zu hören, doch es hörte sich an wie eine einschlagende Bombe.
Vor mir stand Malfoy, welcher ebenso erstarrt war wie ich. Ich blickte auf mein Buch hinunter. Die Stille im Gang war unerträglich. Ich schnappte mein Buch und setzte zum Gehen an, als ein einziges Miau die Stille durchbrach.
„Filch", flüsterte ich erschrocken.

Plötzlich erfasste er meinen Oberarm und zog mich schnellen Schrittes mit sich. Seine Schritte waren so groß, ich stolperte lediglich hinter ihm her. Er öffnete die erstbeste Tür - es war eine kleine Putzkammer. Mit einem weiteren Schwung seines Zauberstabs ertönte ein leises Klicken und die Tür war wieder verschlossen.
Mein Herz pochte bis zu meinem Hals, meine Fingernägel presste ich in das Buch hinein. Vom Weiten war Filchs kratzige Stimme zu hören.
„Hast du jemanden gefunden, Mrs. Norris?"
Durch den Türschlitz drang das Licht seiner Laterne. Filch rüttelte an der Türklinke. Ich hielt den Atem an, mein Herz setzte gefühlt einen Schlag aus. Wir waren erledigt.

„Verschlossen. Hier ist nichts, dummes Katzenvieh", meckerte er.
Mit schlürfenden Schritten entfernte er sich und das Licht verschwand. Keuchend holte ich tief Luft. Mein Magen hatte sich mindestens zweimal im Kreis gedreht, meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding. Malfoys Griff um meinen Oberarm lockerte sich etwas. Dennoch traute ich mich nicht, mich zu bewegen.
Filch war nicht gerade der Schnellste. Was, wenn er noch in dem Gang wäre, wenn wir die Tür öffnen? Oder wenn Mrs. Norris vor der Tür sitzt? Anderseits wollte ich auch nicht noch mehr Zeit mit Malfoy verbringen. In einer dunklen Kammer, eng beieinander stehend.

Doch er macht gar keine Anstalten, sich zu bewegen. Sein Blick ging stumpf Richtung Tür, als würde er gar nicht mitbekommen, was um ihn herum passierte. Seine Hand ruhte noch immer auf meinem Oberarm.
„Ich denke, die Luft ist rein", flüsterte ich. Ein Klicken ertönte - die Tür war wieder offen. Und auf einmal beugte er sich nach vorne, in meine Richtung. Ehe ich reagieren konnte, ehe ich überhaupt verstand, was gerade in diesem Moment passierte, riss er schon die Tür auf und verschwand. Wie erstarrt blieb ich zurück. Meine Augen vor Schock geöffnet, mein Herz hämmerte wie verrückt in meiner Brust.

Und doch hatte ich das Gefühl, ich könnte die Wärme seiner weichen Lippen noch auf meinen spüren.

Er hatte mich geküsst. Malfoy hat mich geküsst. Malfoy. Mich. Ein Kuss.
ER?! Warum? Wieso er? Wieso ich? Wieso jetzt? Ich konnte nicht mehr, ich war komplett überwältigt, verwirrt, mit tausend Fragen in meinem Kopf und einem Chaos in meinen Gefühlen.
Mal abgesehen davon, dass dies mein erster Kuss seit letztem Jahr war und vielleicht gerade mal eine Sekunde andauerte, war ich erstaunt, wie weich und zart Malfoys Lippen waren. Wie sanft und angenehm dieser Hauch eines Kusses war. Viel besser als alles, was ich je mit Vik erlebt hatte.
Warum zur Hölle dachte ich nur darüber nach? Ich schüttelte heftig den Kopf, bis mir leicht schwindlig wurde. Vielleicht hatte er noch einige Heiltränke intus, nachdem Harry ihn so zugerichtet hatte. Wahrscheinlich war ihm gar nicht bewusst, wer vor ihm stand und er wird es eh vergessen.

Und ich musste es vergessen. Malfoy hatte kein Platz in meinem Leben, wir waren zu verschieden und wir konnten uns nicht ausstehen. Er war das selbstverliebte Arschloch und ich das Schlammblut. Und jetzt hör auf darüber nachzudenken, fuhr ich mich selbst an. Leise machte ich mich endlich auf den Weg zu meinem Schlafsaal. Hermine schnarchte zufrieden. Wie gerne ich mit ihr darüber reden wollen würde. Doch wahrscheinlich würde sie nur meckern, warum ich zur Sperrstunde außerhalb meines Bettes war. Ich seufzte.

Mein unruhiger Schlaf wurde kurze Zeit später unterbrochen. Hermine weckte mich, rief etwas von Todessern, dem Orden und wir müssten kämpfen. Ich verstand gar nichts mehr, doch griff nach meinem Zauberstab und folgte ihr blind. Auf den Gängen war ein großen Getümmel. Maskierte, schwarz gekleidete Zauberer griffen alles und jeden an. Ich wehrte einige Zauber ab, ehe es mir überhaupt möglich war, anzugreifen. Zwei Todesser standen vor mir und gingen gleichzeitig auf mich los. Doch ehe sie ihren Zauber ausführen konnten, flog einer gegen die nächste Wand. Neben mir erschien Professor Lupin. Ich nickte ihm kurz zu und gemeinsam stürzten wir weiter in den Kampf. Irgendwann erwischte mich ein Schockzauber. Ich prallte auf den harten Boden und konnte mich nicht mehr bewegen. Mein Kopf tat weh und überall sah ich schwarze Punkte.

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