Kapitel 40

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Wenige Tage, nachdem Hermine mit den Jungs aufgebrochen war, bekam Bill eine Nachricht vom Orden. Sie seien nun in Hogwarts, die Mitglieder des Ordens sollten sich dort versammeln. Es würde das Ende sein. Der Kampf um die Zukunft der Zauberwelt hatte seinen Höhepunkt erreicht.

„Ich komme mit", entschlossen stand ich vor Bill. „Nein, tust du nicht."
Schon seit einigen Minuten diskutierten wir darüber. Es war so sinnlos. Harry brauchten den Orden und der Orden brauchte Bill - er hatte keine Zeit um hier zu stehen und zu reden.
„Nancy bitte. Du schaffst es nicht, dich einen halben Tag auf den Beinen zu halten. Wie willst du eine Schlacht überstehen?" Zwar hatte er recht, aber ich konnte nicht einfach hier bleiben und nichts tun. Ich wollte Helfen. Ich wollte Kämpfen. Erneut schüttelte er den Kopf.

„Du kannst mir 'ier 'elfen", überredete Fleur mich schlussendlich nicht in den Kampf zu ziehen. Mit einigen Flüsterein und einem langen Kuss, verabschiedete sie sich von Bill. Bei ihrem liebevollen gemeinsamen Anblick zog sich mein Herz zusammen und eine bestimmte Person tauchte in meinen Gedanken auf.
Ich wandte den Blick ab und schüttelte meinen Kopf. Gemeinsam mit Fleur fing ich an, Sachen zu packen. Sie wollte vorbereitet sein, falls die dunkle Seite gewinnen würde. Sie würden nach Frankreich fliehen und bei ihrer Familie unterkommen.
„Du kannst natürlisch gerne mitkommen", lächelte sie mir zu. Ich nickte.
Ich hatte mir nie groß Gedanken darüber gemacht, was ich machen würde, wenn Voldemort gewinnt. Obwohl ich noch vor einigen Wochen nicht einmal daran geglaubt hatte, jetzt überhaupt noch am Leben zu sein.

„Wieso bist du nicht mit Bill mit gegangen?" Diese Frage lag mir schon die ganze Zeit auf der Zunge. Verlegen lächelte sie. „Isch . . bin schwanger."
Erstaunte schaute ich sie an. Nun strahlte sie von einem Ohr zum Anderen. Ich freute mich für sie und musste ebenfalls Lachen. Sie wird ein Kind bekommen.

Es war, als würde sich ein Messer durch meinen Oberkörper ziehen. Ich entschuldigte mich kurz und schloss die Badezimmertür ab. Mein Puls raste, ich bekam kaum noch Luft. Wieso warf mich das jetzt so aus der Bahn?
Ich war noch viel zu jung für ein Kind und dieses Kind hätte ich niemals lieben können, ich hätte es gehasst und verabscheut. Auch wenn ich körperlich und seelisch gelitten hatte, es war besser so. Dessen war ich mir mehr als bewusst. Vielleicht musste ich mit jemanden darüber reden, aber Fleur war nun definitive die falsche Person. Und wir hatten gerade weitaus größere Probleme.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis es ein Lebenszeichen von Bill gab. Wir saßen auf gepackten Taschen, starrten in das Kaminfeuer und schwiegen. Die Stille war erdrückend, doch es gab kein Thema, was die Situation hätte besser machen können. All die Leute, die uns wichtig waren, kämpften in dieser Schlacht. Wir wussten nicht, wie es um sie stand, ob sie überhaupt noch lebten. Uns blieb nichts anderes übrig als zu Warten. Und dann war es endlich so weit.

Ein lautes Plopp ertönte im Nebenzimmer und ein dreckiger, fertig aussehender Bill stand vor uns. Fleur fiel ihm um den Hals. Er hatte einige Schrammen und Kratzer, sah aber sonst unversehrt aus. Er hielt sich an Fleur fest und begann zu weinen, bitterlichst zu schluchzen und bekam kein Wort raus. Dann tauchte noch ein Rotschopf im Türrahmen auf. Es war George.
Mein Herz machte einen Hüpfer. Doch er sah ebenfalls schrecklich aus. Seine Augen waren rot und geschwollen, sein Ausdruck war so herzzerreißend. Wir gingen aufeinander zu und immer wieder huschten meine Augen zum Türrahmen.
Doch hinter ihm war niemand - kein rothaariger Junge, kein Fred.

Ich wollte etwas sagen, bekam jedoch keinen Ton raus. Als George direkt vor mir stand, konnte ich den Schmerz in seinen Augen deutlich erkennen. Ich schüttelte den Kopf, Tränen sammelten sich in meinen Augen. Er zog mich in seine Arme und fing ebenfalls bitterlich an zu weinen, sein gesamter Körper zitterte wie verrückt. Das konnte nicht wahr sein, es durfte einfach nicht.

George konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, die anderen beiden halfen mir, ihn zum Sofa zu führen. Dort verbrachten wir den restlichen Abend, Arm im Arm. Draußen wurde es allmählich dunkel, als seine Tränen zum ersten Mal versiegten.
„Ich fühl' mich so leer. Als würde ein Teil von mir fehlen", brachte George mit erstickter Stimme hervor. Die Tatsache, dass wir Fred verloren hatten, zerriss mein Herz in tausend Teile. Doch George so zu sehen und an seinem Schmerz Teil zu haben, zerbrach die einzelnen Stücke nochmal mehr.
Und ich konnte ihm nicht einmal helfen.

* * * *

Wir blieben noch ein paar Tage in Shell Cottage, ehe George mich fragte, ob ich mit zu ihm ziehen würde. In zwei Tagen würde Freds Beerdigung stattfinden und er wollte nicht allein sein. Jedoch hatte er das Gefühl, seinem Bruder und seiner Frau eine Last zu sein. Im ersten Moment wollte ich ihm widersprechen, doch dann wurde mir bewusste, ich hatte mich genau so verhalten. Ich wollte nicht, dass er sich ebenso zurückzog, wie ich es getan hatte. Ich würde alles für ihn tun und ihn unterstützen.

Freds Beerdigung war noch emotionaler und trauriger, als die von Dumbledore. Es war, als würden wir alle ein Familienmitglied verlieren. Harry und Hermine waren so oft bei den Weasleys, sie gehörten schon zur Familie dazu und ich hatte fünf Jahre meiner Schulzeit mit den Zwillingen verbracht. Sie zeigte mir diese wunderbare neue Welt, sie brachten mich immer zum Lachen, halfen mir über mein Heimweh und beschützen mich vor den Slytherins. Ich konnte mich immer auf sie verlassen und war ihnen für so vieles dankbar. Für mich waren sie immer die großen Brüder, die ich nie hatte.

Die nächsten Nächte schlief ich bei George im Bett. Wir schenkten einander Kraft. Es waren keine Worte nötig, allein die Anwesenheit des jeweils anderen, schenkte uns Hoffnung. Gleichzeitig erinnerte mich unsere Zweisamkeit immer wieder an den Tag, wo ich neben Malfoy aufgewacht war. Auch wenn George für mich nur ein Freund war, war es dieses Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit, welches ich jeher nur bei dem Slytherin gespürt hatte.
Und so kam es, dass mir mitten in der Nacht erneut die Tränen kamen und mein Herz sich abermals anfühlte, als würde es zerreißen.

„Nancy, was ist los?", mit besorgter Stimme zog er mich enger an sich.
„So Vieles", flüsterte ich. George machte uns Tee und gemeinsam kuschelten wir uns in die Decken ein.
„Ich denke, du brauchst auch jemanden zum Reden." Traurig blickte ich ihn an.
Er nahm meine Hand und brachte ein kleines Lächeln zum Vorschein.
Und dann fing ich an zu erzählen. Von Anfang an. Über alles.

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