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Als wir den überfüllten Gemeinschaftsraum betreten, wird mir erst bewusst, wie laut, stickig und voll es ist.
Ich halte Hermines Hand immer noch fest, meine Finger sind nach wie vor mit ihren verschränkt.
Ich bugsiere sie vorsichtig durch die Menge, achte darauf, dass sie nicht angerempelt wird oder womöglich sogar jemand versehentlich ein Getränk über sie verschüttet. Sie scheint zu bemerken, wie umsichtig ich bin, denn als sich unsere Blicke kurz treffen, lächelt sie mich dankbar an.
Endlich kommen wir am Aufgang zu den Schlafsälen an und ich bleibe stehen.
„Tu mir bitte einen Gefallen“, sage ich, während ich mich nah zu ihr beuge und ihr intensiv in die Augen schaue. „Warte hier kurz auf mich, ja?“
Sie wirkt überrascht und unsicher, nickt aber.
„Ich bin gleich wieder da, Liebes“, sage ich.
Ihre Augen werden groß und selbst in dem gedimmten Licht sehe ich, wie ihre Wangen rot werden.
„Wie hast du mich gerade genannt?“, fragt sie.
Merlin... Hat niemand, selbst ihr dummes Wiesel, ihr jemals ein zärtliches Kosewort zugeraunt?
Sie hat mehr verpasst, als ich dachte.
Ich verkneife mir jeden Kommentar, sondern lächle nur flüchtig, hebe ihre Hand an meine Lippen und hauche einen flüchtigen Kuss auf ihren Handballen, was ihre Augen vor Erstaunen noch größer werden lässt.
„Bin gleich wieder da“, verspreche ich und drehe mich um.
Ich benötige nur wenige Sekunden, um die Personen zu finden, die ich suche.
Rasch schiebe ich mich durch die Menge.
Auf dem Weg streicht mir plötzlich jemand über meinen Arm und versucht, mich festzuhalten.
„Hey, Draco, warte doch kurz...“, säuselt eine weibliche Stimme, aber ich ignoriere das Mädchen vollkommen, schiebe ihre Hand von meinem Arm ohne sie anzusehen und behalte fest meine Zielpersonen im Auge, während das Mädchen ein enttäuschtes Geräusch von sich gibt.
Sie sitzen immer noch auf der schwarzen Ledergarnitur, aber das Gesamtbild hat sich verändert.
Longbottom und die beiden Hufflepuffs sind nicht mehr da.
Theo und Blaise sitzen auf einem Sofa, Gregory ihnen gegebenüber auf dem anderen. Er hat irgendetwas Selbstgedrehtes, Qualmendes in der Hand und macht einen etwas zugedröhnten Eindruck, während er aufmerksam aber auch etwas neidisch zu Theo und Blaise rüberschaut. Was vermutlich daran liegt, dass Blaise den Arm um ein Mädchen gelegt hat, was dicht neben ihm sitzt, und ihr irgendetwas ins Ohr säuselt, während Theo ein anderes auf dem Schoß hat und schwer damit beschäftigt ist, sie zu küssen und unter ihrem Oberteil rumzufummeln.
Blaise' Blick fällt auf mich, und eine flüchtige Geste meinerseits genügt, damit er seiner für den heutigen Abend Außerwählten entschuldigend etwas zuflüstert und Theo leicht anstupst.
Blaise steht als erster neben mir, Theo folgt nur Sekunden später, und auch Greg erhebt sich etwas schwankend und schließt den kleinen Kreis.
„Ok Jungs“, sage ich. „Sollte jemand den Schlafsaal schon für sich gebucht haben – hiermit breche ich unsere Absprache, denn ich brauche ihn, und zwar jetzt sofort und ohne Widerrede.“
Wir haben irgendwann die Absprache getroffen, sollte jemand von uns den Schlafsaal für sich und ein Mädchen reservieren, haben die anderen eben zu warten, bis derjenige fertig ist, und niemand hat sich einfach vorzudrängeln.
Es kam auch schon vor, dass wir es zeitgleich anmelden wollten, dann haben wir es zeitlich beschränkt, meistens auf dreißig Minuten pro Person und haben gelost, wer als Erstes gehen durfte. Dann standen wir anderen ungeduldig am Aufgang zu den Schlafsälen und zählten die Minuten, während wir versuchten, das ausgesuchte Mädchen irgendwie bei Laune zu halten.
Hatte man die Geduld nicht – was nicht selten vorkam – musste eben doch irgendeine Besenkammer herhalten, denn zu den Klassenräumen war es von hier aus einfach zu weit und das Risiko zu hoch, doch erwischt zu werden.
Die Mädchen wussten natürlich immer nichts von unserer Absprache und zum Glück hat auch nie eine Verdacht geschöpft.
So viel zu Privatsphäre in Hogwarts, ich erwähne es immer wieder gerne.
„Niemand hat ihn reserviert, Draco“, versichert Theo rasch und erst jetzt wird mir bewusst, wie drängend ich mich angehört haben muss.
„Und selbst wenn es so wäre“, grinst Blaise. „Wenn du das machen willst, was ich gerade denke... dafür hätten wir dir alle sofort den Bruch unserer Absprache verziehen.“
Ich packe Blaise am Kragen und sehe ihm eindringlich in die Augen.
„Ich möchte, dass du mir genau zuhörst“, beschwöre ich ihn.
Theo neben mir lacht laut los.
„Oh Merlin! Da hat aber jemand gewaltig Druck“, prustet er.
„Ich möchte“, fahre ich fort, während ich Blaise' Blick noch immer mit meinem gefangen halte. „dass ihr mir den Rücken frei haltet. Keine Störungen. Haltet alles und jeden für die nächsten zwei Stunden von diesem verfluchten Schlafsaal fern, verstanden?“
„Zwei Stunden?“, entfährt es Greg und seine Stimme steigt vor Schreck und Unglauben etliche Oktaven höher.
Wir sind uns sicher, dass Greg noch nie Sex hatte, auch, wenn er etwas anderes behauptet, aber ich gehe davon aus, dass er so oder so nicht wüsste, was man zwei Stunden oder sogar noch länger mit einem Mädchen anfangen kann.
Ich beachte ihn nicht, sondern starre immer noch Blaise an, während ich seinen Kragen festhalte und Theo schon wieder in Gelächter ausbricht.
„Wir halten alles und jeden so lange wie nötig von unserem Schlafsaal fern, Kumpel“, grinst Blaise.
„Und haltet vor allen Dingen den da von der Tür fern.“
Ich deute flüchtig auf Greg.
„Ey“, kommt es vorwurfsvoll von ihm, aber ich lasse mich nicht täuschen, wir haben ihn in der Vergangenheit oft genug beim Spannen erwischt.
„Mensch Draco, jetzt mach dir nicht so einen Kopf und hau endlich ab, dein Mädchen wartet doch bestimmmt“, sagt Theo wohlwollend.
„Wir passen auf“, verspricht Blaise. „Und jetzt geh und lass dir endlich das Hirn wegvögeln.“
Tatsächlich bin ich erleichtert und dankbar.

„Ihr habt was bei mir gut“, sage ich und drehe mich um.
Ich weiß, Blaise und Theo werden achtgeben.
Bei einer anderen würde es mich nicht stören. Aber mit Hermine will ich keine einzige Unterbrechung haben.
Kurz übermannt mich Panik, als ich sie nicht sofort sehe und denke, sie sei einfach gegangen, aber dann bemerke ich, dass sie halb hinter jemandem versteckt ist.
Da lässt man sie fünf Minuten aus den Augen und schon hat sie irgendein Typ angequatscht, ist das zu fassen? Und – tatsächlich auch noch jemand aus meinem Haus!
Ich drängle mich zu ihr.
„Entschuldige, wir haben was vor“, gifte ich den anderen an, der mich halb irritiert, halb ärgerlich ansieht, aber eindeutig keine Lust auf eine Konfrontation mit mir hat und sich verzieht.
Ich greife sanft Hermines Hand, verschränke wieder meine Finger mit ihren und ziehe sie die Treppe hinauf.
„Draco?“
Hermine spricht mich zaghaft an, als wir vor der Tür unseres Schlafsaals stehen.
Oh nein. Sie hat es sich anders überlegt. Ich bin mir ganz sicher. Sie hatte Zeit zum Nachdenken und will nicht mehr.
Salazar, bitte nicht.
„Was hast du mit den anderen besprochen?“
Ich atme erleichtert aus, sehe sie an.
„Ich... habe sie gebeten, ein wenig für Ruhe für uns zu sorgen“, antworte ich ehrlich.
Ich möchte sie nicht anlügen.
Ihre Wangen werden rot.
„Ok“, haucht sie und senkt den Blick.
Verflucht, warum zur Hölle zittert meine Hand, als ich den Stab von meinem Gürtel ziehe und die Schutzzauber an unserer Tür löse?
Ich öffne die Tür und ziehe Hermine in unseren Schlafsaal.
Rasch schließe ich die Tür wieder und spreche mehrere Zauber: Ich verschließe die Tür gründlich, lege einen Stillezauber über den Raum, wodurch wir immer noch die Musik und das Stimmengewirr von unten hören, man aber draußen nichts von drinnen hören kann, ehe ich schlussendlich noch einen einfachen Alarmzauber aktiviere, der losgeht, sollte jemand versuchen, meinen Schutzzauber zu durchbrechen.
Kurz zögere ich, dann drehe ich mich um.
Hermine steht nur wenige Meter von mir entfernt in dem fast vollkommen dunklen Zimmer, und ganz kurz kommt es mir beinahe falsch vor, was ich hier tue. Fast ist es, als würde ich sie wie irgendein Mädchen einfach auf einer Party abschleppen.
Aber ich gebe mir einen Ruck, überbrücke die wenigen Meter zu meinem Bett und entzünde meine Nachttischlampe, wobei ich rasch das Licht stark dimme, so dass eine gemütliche Stimmung entsteht.
Hermine ist derweil an unser Fenster getreten.
„Ihr habt auch hier Unterwasserfenster“, sagt sie überrascht.
„Ähm... ja“, bestätige ich und beeile mich, zu Gregs Bett zu kommen.
Rasch kicke ich mit dem Fuß eins seiner Schmuddelmagazine unter sein Bett, ehe es ihr womöglich ins Auge fällt.
Dann gehe ich zurück zu meinem Bett, setze mich kurz und schlüpfe schon einmal aus Schuhen und Socken, ehe ich wieder aufstehe, mich mit dem Rücken an den einen Bettpfosten meines Himmelbetts lehne, die Hände tief in den Taschen vergrabe und sie beobachte, wie sie vom Fenster zu mir zurück schlendert und ihren Blick durch das Zimmer schweifen lässt.
Bisher habe ich mir über so etwas noch nie Gedanken gemacht, aber plötzlich ist mir Gregs ungemachtes Bett, die unordentlich auf Theos Nachttisch gestapelten Bücher und die Hemden, die nachlässig auf Blaise' Bett liegen, da er sich vorhin nicht entscheiden konnte, was er anziehen soll, irgendwie unangenehm.
Sie bleibt mit etwas Abstand zu mir stehen, während ich immer noch am Bettpfosten lehne.
Ihr Blick fällt auf meine nackten Füße, kurz zögert sie unsicher, dann schlüpft sie auch aus ihren Schuhen und kommt noch etwas näher.
„Möchtest du den Zauber sprechen oder soll ich?“
Ihre Wangen stehen in Flammen nach meiner Frage und kurz habe ich das Bedürfnis, mich zu ohrfeigen.
Ok, romantisch kann ich schon mal – nicht.
Warum zur Hölle bin ich so aufgeregt?
„Ich habe meinen Stab nicht hier“, erklärt sie leise.
„Ok“, murmle ich, ziehe meinen Stab und spreche rasch den Verhütungszauber.
Dann schaue ich sie an.
Gut, so langsam sollte ich wieder aus meiner Starre erwachen.
Ich vergeige es jetzt nicht, oder?
Da tritt sie plötzlich dicht an mich heran.
Langsam hebt sie ihre Hand und legt sie an meine Wange.
Meine Augen fallen zu.
Ich spüre, wie meine Atmung sich beschleunigt, als ihre Hand sanft von meiner Wange zu meinem Hals gleitet, und ich lasse meinen Kopf gegen den Pfosten hinter mir kippen.
Oh Merlin.
Sie hat mich bisher noch nie so berührt, und plötzlich bin ich mir sicher, dass ich das ganze abbrechen muss. Ich überlebe es nicht, so am ganzen Körper von ihr berührt zu werden.
Ihre Hand streicht sanft über meinen Hals und liebkost dann die nackte Haut, die sie von meinem Oberkörper erreichen kann, da mein Hemd ja glücklicherweise bereits ein Stück geöffnet ist.
Es fühlt sich an, als würde mein Körper in Flammen stehen.
Fast meine ich, das Klacken der imaginären Kette zu hören, die ich bewusst von dem Drängenden in meinem Inneren löse.
Meine Augen öffnen sich und sie erstarrt, als ich sie fest fokussiere, ehe ich bestimmend ihre Hüfte packe und sie ruckartig an mich ziehe.
Ich presse meine Lippen auf ihre, schiebe drängend meine Zunge dazwischen, und sie erzittert, als mir ein Laut entweicht, der halb nach Knurren, halb nach Stöhnen klingt.
Ich will sie so sehr. Und bei allem, was mir heilig ist – wenn sie mich nicht stoppt, dann werde ich sie jetzt auch bekommen.

Friendship and other Disasters (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt