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Als erstes fällt mir auf, dass sie etwas verloren und unsicher zwischen den beiden Sicherheitsbeauftragten wirkt, die sie flankieren, während ein Dritter auf mich zukommt.
Und als nächstes wird mir klar, dass mein Hirn sich irgendwie weigert, gänzlich aufzunehmen, wie umwerfend sie aussieht. Ein bisschen ist es so, als hätte die Masse in meinem Kopf Sorge, dass irgendwelche Synapsen durchknallen oder so, daher nehme ich sie fast wie durch Watte wahr.
Rasch konzentriere ich mich auf den Wachmann und gehe ihm mit schnellen Schritten entgegen.
„Mr Malfoy“, sagt er, als wir uns auf halber Strecke treffen. „Miss Granger ist-“
„Ich sehe, dass sie angekommen ist“, fauche ich und verkneife mir gerade noch so, ein „Sie Trottel“  hinterherzuschieben.
Diese Kretins sollten mir bescheid sagen, bevor sie schon halb im Raum steht!
Idioten. Wenn man nicht alles selber macht...
„Verzeihung, Mr Malfoy...“
„Schon gut“, unterbrechen ich den Angestellten, drücke ihm mein Glas in die Hand und gehe an ihm vorbei.
Ich kann mich gerade noch so zusammenreißen, meine Schritte nicht zu sehr zu beschleunigen und möglichst normal zu Hermine zu gehen, denn die ersten Leute schauen schon zu ihr und beginnen zu tuscheln.
Es ist aber auch ein merkwürdiger Anblick, wie sie da steht, in diesem Wahnsinnskleid, rechts und links von ihr das Sicherheitspersonal, was in diesem Moment wirkt wie ihre persönliche Security, die extra für sie engagiert wurde.
„Draco“, sagt sie sofort, als ich bei ihr ankomme, der Blick beunruhigt. „Ist irgendetwas nicht ok?“
Ich ignoriere sie einen Augenblick und wende mich an die Angestellten.
„Danke, ich übernehme jetzt“, sage ich knapp, woraufhin wir alleine gelassen werden.
Dann schaue ich Hermine an und muss lächeln.
„Alles vollkommen in Ordnung, Liebes“, sage ich leise und greife mit meinen Händen nach ihren, um sie festzuhalten.
Oh Merlin, ich kann immer noch nicht glauben, dass dieses Mädchen jetzt zu mir gehört.
Das Kleid ist ein Traum. Sie ist ein Traum.
Ich starre sie vermutlich einen Moment etwas dümmlich an.
Ich weiß nicht, was mir am besten gefällt: Ihr Körper, der einfach perfekt von dem grünen Stoff umspielt wird, ihre Haare, die sie glücklicherweise tatsächlich in wunderschönen Locken offen trägt, die leicht geöffneten Lippen, auf die sie ausnahmsweise dunkelroten Lippenstift aufgetragen hat, oder ihre bildschönen Augen, dunkel umrandet, mit diesen Wahnsinnswimpern, aus denen sie mich leicht besorgt ansieht.
„Sicher? Ich dachte schon, die werfen mich raus! Zu keinem anderen, die gerade angekommen sind, ist jemand von diesen komischen Security-Leuten gegangen, nur zu mir, da dachte ich schon, ich kann nicht auf die Party-“
„Vergiss die Party“, höre ich mich selbst sagen.
Sie blinzelt.
„Was?“
„Vergiss das alles hier. Wir apparieren zu mir. Ich halte das keine fünf Minuten neben dir aus, das ist dir hoffentlich klar.“
Sie scheint einen Moment zu benötigen, um zu verstehen, was ich meine.
Dann lacht sie.
„Du spinnst“, sagt sie amüsiert.
Ich ziehe sie an ihren Händen näher und beuge mich herab, um ihr zuzuflüstern: „Das ist mein Ernst. Verflucht, ich hatte keinen Sex mehr mit dir seit meinem Geburtstag, ich drehe sowieso schon fast durch, aber das hier bringt das Fass zum Überlaufen. Weißt du eigentlich, wie du aussiehst?“
Sie lacht wieder, aber dieses Mal klingt es verlegen.
„Ich weiß nicht... Meine Haare...“
„Hör auf mit deinen Haaren. Sie sind verdammt noch mal perfekt.“
Sie lächelt.
„Danke.“
„Ich störe ja nur sehr ungern“, sagt plötzlich Theo neben mir. „Aber gefühlt die Hälfte der Gäste starrt schon her, Kumpel, ihr solltet euch bewegen.“
Als ich den Blick von Hermine löse und Theo anschaue, grinst dieser und zwinkert mir kurz zu, ehe er Hermine freundlich lächelnd zunickt, an seinem Champagner nippt und uns stehen lässt.
„Komm“, sage ich zu Hermine und halte ihr auffordernd den Arm hin. „Es gibt da jemanden, den du kurz begrüßen solltest.“
Erst, als sie sich zögerlich eingehakt hat und ich mich umdrehe, sehe ich, dass meine Mutter uns aufmerksam beobachtet – vermutlich die ganze Zeit beobachtet hat – während mein Vater so betont desinteressiert in eine andere Richtung schaut, dass ich mir sicher bin, dass er uns mit Absicht ignoriert und gerade vor Wut kocht.
Mach das nicht, Vater, denke ich still für mich. Bitte tu doch ein einziges Mal in deinem verdammten Leben das Richtige!
Ich bin positiv überrascht, dass Hermine ohne ein Zögern und vollkommen selbstbewusst vor meine Eltern tritt, und kurz bewundere ich sie wieder unfassbar stark. Dann fällt mir ein, dass sie auch allen Grund hat, so aufzutreten. Ich habe es schließlich selbst zu meinen Eltern gesagt: Sie ist Jahrgangsbeste, sie ist Kriegsheldin, sie ist beste Freundin von Harry Potter, wir alle haben ihr unser Leben und mehr zu verdanken.
Mein Vater hat mir eingeredet, dass sie nur Dreck wert ist, aber eigentlich sind wir es im Vergleich zu ihr. Vater müsste sich glücklich schätzen, so jemanden überhaupt in seinem Haus willkommen heißen zu dürfen.
„Mutter-“, beginne ich, aber ehe ich weiterreden kann, hat meine Mutter bereits ihr typisches, etwas kühles Lächeln aufgesetzt und die Hand gehoben.
„Miss Granger“, sagt sie. „Willkommen.“
Hermine zögert nur den Bruchteil einer Sekunde, ehe sie ebenfalls die Hand ausstreckt und kurz die Hand meiner Mutter schüttelt.
„Vielen Dank, dass ich hier sein darf, Mrs Malfoy“, sagt sie höflich-distanziert.
Ich nehme ihr nicht übel, dass sie sich nicht vor Begeisterung überschlägt – sie hat ja nicht gerade gute Erfahrungen mit meinen Eltern gemacht.
„Das ist doch selbstverständlich“, sagt Mutter, und am liebsten hätte ich die Augenbrauen hochgezogen, denn genau genommen ist es alles andere als selbstverständlich.
Mein Blick heftet sich auf Vater, der immer noch betont in eine andere Richtung schaut.
Mutter bemerkt meinen Blick sofort.
„Lucius.“
Ich sehe, wie ein Ruck durch den Körper meines Vaters geht, ehe er sich uns zuwendet und Hermine einer eisigen Musterung unterzieht.
„Miss Granger“, sagt er knapp, wie eine Begrüßung.
Die Hand gibt er ihr nicht.
Hermine nickt als Antwort lediglich.
Ich werde nervös, als ich sehe, wie mein Vater Hermine in die Augen starrt, der Blick eiskalt, der Gesichtsausdruck steinern und ernst.
Hermine erwidert den Blick, sie blinzelt nicht einmal, und nach wenigen Sekunden hebt sich ihr Kinn sogar leicht an und ihre Schultern straffen sich.
Und dann geschieht etwas Merkwürdiges.
Es ist mein Vater, der plötzlich blinzelt, ehe sein Blick kurz zu Boden fällt.
Als er wieder aufsieht, schaut er mich und nicht mehr Hermine an.
„Draco, willst du deinem Gast nicht etwas zu Trinken anbieten und das Buffet zeigen?“
„Ja, natürlich“, sage ich und lege sanft meine Hand an Hermines unteren Rückenbereich, um sie von meinen Eltern wegzuführen.
Ich kann die Blicke meiner Eltern im Rücken spüren, während ich mit Hermine Richtung Buffet gehe.
„Es tut mir leid“, sage ich leise zu ihr.
„Alles gut, Draco“, sagt sie und schenkt mir im Gehen ein flüchtiges Lächeln. „Ich hatte mit Schlimmeren gerechnet.“
Ich weiß nicht, was ich darauf erwidern soll und schweige einfach, bis wir das Buffet erreicht haben.
„Möchtest du überhaupt etwas essen?“
„Ich... Nein, eigentlich habe ich keinen Hunger. Aber etwas zu Trinken wäre super. Habt ihr auch einfach nur Wasser?“
„Wir haben Wasser, ja“, antworte ich und verkneife mir dabei den Zusatz, dass es natürlich nicht einfach nur Wasser ist, sondern sündhaft teures, limitiertes Quellwasser aus Lappland, welches durch mehrere Eisschichten und schließlich noch durch Kristalle gefiltert wurde.

Friendship and other Disasters (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt