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„Kannst du es fassen? Wir haben es echt geschafft!“
Ich muss lächeln, denn ich habe Hermine selten so euphorisch, ausgelassen und erleichtert erlebt.
Gestern haben wir die letzte Prüfung hinter uns gebracht, und übernächste Woche wird die Zeugnisausgabe und der Abschlussball sein.
Ging es mir die ganze Zeit nicht schnell genug, habe ich plötzlich doch das Gefühl, dass die Zeit rast und wir Hogwarts bald verlassen werden.
„Ich dachte, du bist traurig, dass du bald die Schule verlassen musst“, sage ich.
Wir gehen nebeneinander in Richtung Schlossgarten.
„Bin ich auch“, antwortet Hermine. „Aber dass wir die Prüfungen geschafft haben... Irgendwie schon erleichternd.“
Im nächsten Moment schaut sie mich erschrocken aus ihren großen Augen an.
„Ich hoffe nur, dass ich keine Arbeit verhauen habe. Oh man, die eine Frage in Zauberkunst, ich weiß echt nicht-“
„Hermine“, unterbreche ich sie. „Du wirst garantiert überall volle Punktzahl haben.“
Sie wirft mir einen bösen Seitenblick zu.
„Ja, das sagst du jetzt“, sagt sie pikiert. „Aber auch ich kann mal Fehler machen.“
„Klar“, bestätige ich. „Aber ich habe mit dir gelernt und ich weiß, was du alles weißt und kannst. Du hast garantiert keine großartigen Fehler gemacht. Da ist sie.“
Beim letzten Satz deute ich auf Ginny Weasley, die auf einer Bank auf Hermine wartet.
Hermine will sich mit ihrer Freundin treffen, um was auch immer zu machen, und da die Rothaarige bereits zu uns herüber schaut, bin ich unsicher, wie ich mich verhalten soll.
„Bis später dann“, sagt Hermine.
„Ja... Bis später“, bestätige ich.
„Und du triffst dich mit deinen Freunden?“
„Ja, wir werden am See laufen.“
Einen Moment stehen wir uns gegenüber, während Ginny Weasley aus ein paar Metern Entfernung beobachtet, was wir tun.
Im nächsten Moment tritt Hermine auf mich zu, hält sich an meinem Kragen fest, stellt sich auf Zehenspitzen und legt ihre Lippen auf meine.
Ich bin nur eine Sekunde perplex, dann lege ich rasch meine Arme um ihre Taille und ziehe sie einen Moment näher.
„Bis später“, haucht sie noch mal, als wir uns lösen, ehe sie zu Potters Freundin hastet.
Ich schaue ihr lächelnd nach und bemerke, dass Ginny Weasleys Blick undeutbar auf mir ruht.
Der Höflichkeit halber nicke ich ihr flüchtig zu, ehe ich mich umdrehe und gehe, um mich schnell für unsere Sporteinheit umzuziehen.
Auf dem Weg zu den Kerkern kommt mir Daphne Greengrass entgegen und ich grüße sie freundlich. Ihre einzige Reaktion ist ein merkwürdiger Seitenblick.
Ich bin schon etliche Meter weiter gegangen, als ich sie höre.
„Draco? Warte mal.“
Ich bleibe stehen und drehe mich um, während Daphne zu mir zurück kommt.
Vor mir bleibt sie stehen und baut sich in ihrer vollen Größe auf – wobei sie immer noch einen guten Kopf kleiner ist als ich.
„Hör zu, ich will es kurz machen. Vermutlich kannst du dir schon denken, worum es geht.“
Ich blinzle.
„Äh... nein?“
Daphne wartet und wirkt genervt, da ein paar jüngere Slytherins an uns vorbei gehen.
„Stell dich nicht dumm“, zischt sie, als wir wieder alleine sind. „Es geht um meine Schwester und das weißt du ganz genau!“
„Um Astoria?“, frage ich perplex.
Was zur Hölle will dieses Mädchen von mir?
„Ja, um Astoria. Ich weiß nicht, was ihr von ihr denkt. Aber ich kann dir sagen, sie ist die falsche. Lasst also diesen ganzen Mist, verstanden?“
Ich verstehe überhaupt nichts.
„Entschuldige, aber was genau meinst du?“
Daphne holt tief Luft, ihre Augen scheinen zu blitzen, und tatsächlich werden ihre Wangen leicht rot vor Wut.
Ich verstehe echt nicht, was ihr Problem ist.
„Was ich meine?“, faucht sie. „Ich meine, dass du deinen beiden dauergeilen Freunden sagen sollst, dass sie die Finger von meiner Schwester lassen sollen!“
„Meinen... bitte was?“
„Du hast mich schon verstanden“, zischt Daphne.
Ok, sie meint Theo und Blaise.
Theo hat sich tatsächlich komplett zurück gehalten seit dem Gespräch mit Greg, aber davor waren seine Blicke und Annäherungsversuche eindeutig, und auch jetzt ist er eben viel, wo Blaise ist, und Blaise ist momentan ständig um Daphne herum unterwegs, und die wiederum verbringt viel Zeit mit ihrer Schwester.
„Denkst du nicht, deine Schwester ist ein großes Mädchen und kann selbst entscheiden, mit wem sie redet?“, frage ich und ziehe provokativ meine Augenbrauen hoch.
Ich kann nicht anders. Ich kippe bei solchen Gesprächen immer in eine gewisse Arroganz, ich kann es einfach nicht verhindern.
Und ich sehe, dass es Daphne furchtbar wütend macht.
„Deinen Freunden geht es aber nicht ums Reden!“, sagt sie hitzig. „Meine Schwester denkt das. Sie denkt, sie sind einfach nur ein paar nette Jungs, die freundlich sein wollen. Sie begreift nicht, was sie für Absichten verfolgen und will es auch nicht von mir hören.“
„Nun, vielleicht merkt sie, dass es Blödsinn ist, was du redest“, grinse ich.
Daphne explodiert.
„Es ist kein Blödsinn!“, sagt sie, nun kurz davor, zu schreien. „Ihr wollt jedes Mädchen, was auch nur ansatzweise in euer Beuteschema passt, ins Bett kriegen, und das weißt du genau! Jeder Raum, den ihr betretet, ist regelrecht mit Testosteron geschwängert, es ist kaum auszuhalten!“
„Wohooo, jetzt mal langsam“, sage ich, immer noch provokativ grinsend und hebe abwehrend meine Hände. „Was erwartest du denn? Wir sind junge Männer im besten Alter. Jeder Junge würde-“
„Nein, nicht jeder Junge würde sich so verhalten wie ihr!“, unterbricht Daphne mich zornig. „Es gibt nämlich auch anständige Jungs, die wissen, wie man mit Mädchen umgeht!“
„Wir sind anständige Jungs“, sage ich in unschuldigem Ton, ziehe dabei aber anzüglich die Augenbrauen hoch.
Ach, ich habe ganz vergessen, wieviel Spaß es macht, andere mit Worten zur Weißglut zu treiben.
Daphnes Wangen werden dunkelrot vor unterdrückter Wut.
„Und“, setze ich grinsend noch eins oben drauf. „wir wissen sehr gut, wie man mit Mädchen umgeht.“
„Oh du... du...“
Daphne scheinen im Zorn die Worte ausgegangen zu sein.
„Wenn es das jetzt war – ich muss los. Meine dauergeilen Freunde warten, denn wir wollen am See ein wenig unser Testosteron verbreiten. Also...“
Ich tippe mir an einen nicht vorhandenen Hut und will mich abwenden.
„Oh nein, so einfach lasse ich dich nicht gehen“, knurrt Daphne. „Wenn du mit deinen Freunden nicht redest, werde ich es tun!“
Ich seufze.
„Hör mal zu, Kleines“, sage ich zuckersüß und ich sehe, wie meine Worte sie noch zorniger machen. „Erstens: Selbst wenn ich mit ihnen rede... Wer sagt dir, dass sie auch auf mich hören?“
Daphne holt Luft, aber ich rede einfach weiter.
„Und zweitens: Bei Theo musst du dir schon mal gar keine Gedanken machen. Er wird deine Schwester nicht anrühren.“
Daphne schaut mich misstrauisch an.
„Wieso?“
„Er hat seine Gründe. Und was Blaise angeht...“
Ich mache absichtlich eine theatralische Pause, um meinen Worten noch mehr Wirkung zukommen zu lassen.
„Der interessiert sich nicht für deine Schwester.“
Daphne runzelt die Stirn.
„So ein Blödsinn. Er scharwenzelt ständig um Tori rum.“
„Falsch“, sage ich genüsslich. „Er hält sich ständig in deiner Gegenwart auf, und du bist eben ununterbrochen bei deiner Schwester.“
Einen Augenblick ist es still.
Dann verschränkt Daphne die Arme vor dem Oberkörper, ihre Wangen scheinen in Flammen zu stehen.
„Was willst du damit sagen?“, fragt sie und klingt dabei so bockig, dass ich erneut grinsen muss.
„Ich denke, du hast mich verstanden“, wiederhole ich, was sie vorhin zu mir gesagt hat.
„Ich... Du willst doch nicht andeuten... Schwachsinn!“
Wütend lässt Daphne die Arme wieder sinken.
„Schön, weil du es bist, will ich mal nicht so sein und sage es dir ganz deutlich: Blaise steht auf dich, ok? Wenn du möchtest, kann ich es dir auch noch buchstabieren.“
„Er... Was? Das ist doch Blödsinn.“
Daphne weiß plötzlich nicht wohin mit ihren Händen.
„Kein Blödsinn. Er findet dich verdammt heiß. Wir dachten, du weißt das.“
„Ich... Nein! Nein, das weiß ich nicht!“
„Naja, jetzt weißt du es ja. Dann gehe ich mal.“
„Stopp! Stopp, stopp, stopp.“
Ich bleibe geduldig stehen und beobachte amüsiert Daphne und die Verwirrtheit, in der sie gerade gefangen ist.
„Du willst mir allen Ernstes sagen, dass Blaise ein Auge auf mich geworfen hat?“, fragt sie.
„Ja, das will ich sagen. Wie du vorhin so schön sagtest: Du fällst komplett in sein Beuteschema.“
Einen Moment ist Daphne sprachlos.
„Ok“, sagt sie schließlich. „Gehen wir mal davon aus, du sagst die Wahrheit.“
„Was ich tue.“
„Ja, ja. Gehen wir also davon aus, Theo will gar nichts von Tori und Blaise... Oh Merlin, ich kann es nicht mal aussprechen!“
Ich grinse breit.
„Blaise möchte ein paar schöne Stunden mit dir verbringen“, umschreibe ich es.
Erstaunlich, ich hätte nicht gedacht, dass ihre Wangen noch dunkler werden können.
„Ok, gehen wir davon mal aus. Es ändert aber nichts an meiner Aussage.“
„Hä? Inwiefern?“
Daphne wirft ihr volles, blondes Haar zurück und reckt das Kinn.
„Für mich gilt das gleiche wie für meine Schwester.“
Ich mustere Daphne flüchtig und sehe, wie sie sich zusammenreißt, um unter meinem Blick keine Unsicherheit zu zeigen.
Also, sie ist wirklich heiß geworden, und auch wenn sie grundsätzlich eher nicht mein Typ ist – keine Ahnung, warum blond und blauäugig mich noch nie so angesprochen hat – kann ich echt verstehen, warum Blaise so scharf auf sie ist. Es ist nicht nur ihr Aussehen. Es ist ihre ganze Art. Sie hat einen starken Charakter und ich bin mir sicher, dass Blaise das besonders anspornt.
„Gut, werde ich ihm ausrichten“, sage ich gelassen und wende mich ab.
Ich gebe ihr höchstens fünf Sekunden...
„Moment mal.“
Ok, es waren nur drei Sekunden.
Ich grinse, drehe mich wieder um und gehe die zwei Schritte zurück.
„Ja?“
„Das akzeptierst du einfach so?“, fragt Daphne misstrauisch.
„Klar.“
„Und... Blaise? Er wird es auch einfach so akzeptieren?“
„Natürlich“, sage ich. „Was denkst du denn? Wir zwingen doch niemanden zu etwas. Und wenn du meinst, dir eine Nacht mit Blaise durch die Lappen gehen lassen zu müssen, bist du selber Schuld. Also...“
Ich zucke lässig mit den Schultern.
„Oh, ich fasse es nicht!“, platzt es aus Daphne heraus. „Ihr denkt das wirklich, oder? Dass ihr ein Geschenk für jedes Mädchen seid? Oh ihr seid so erbärmlich! Ihr denkt wirklich, ihr könnt euch alles erlauben und kriegt jede rum, mit eurem ganzen... so!“
Bei dem Wort „so“ macht sie eine fahrige Handbewegung, die flüchtig an meinem Körper hinab und wieder hinauf deutet.
„Mit unserem ganzen... so?“, frage ich und imitiere ihre Handbewegung.
„Ja! Ihr denkt, nur weil ihr clever seid und attraktiv, liegen euch alle zu Füßen! Aber nur, weil Blaise gut aussieht-“
„Moment mal“, sage ich grinsend. „Das muss ich irgendwie aufzeichnen, das glaubt mir ja nachher kein Mensch. Hast du gerade gesagt, du findest Blaise gutaussehend und attraktiv?“
Daphne schweigt einen Moment ertappt.
„Ja und? Was tut das zur Sache?“, fragt sie dann trotzig.
„Oh sag mir jetzt nicht, dass die Erkenntnis, dass er scharf auf dich ist, bei dir Bilder im Kopf ausgelöst hat?“
Daphne schnappt erschrocken nach Luft.
„Oh Merlin, es ist so, oder? Du könntest es dir mit ihm vorstellen, aber du bist zu stolz, um es zuzugeben.“
„Das stimmt nicht!“, sagt Daphne, viel zu schnell und viel zu hitzig. „Ich würde sowas nicht tun. Ich bin nicht so, verstehst du? Ich mache solche einmaligen Sachen nicht.“
„Warum nicht?“, frage ich ruhig.
„Was? Warum nicht? Ist das eine ernsthafte Frage? Na, weil... weil...“
Sie bricht ab.
„Siehst du, du weißt es ja selber nicht mal.“
„Ich mache das nicht, weil ich keine Lust habe, dass er nachher damit prahlt, mich rumgekriegt zu haben!“
„Hast du Blaise oder einen anderen von uns schon mal prahlen gehört?“
„Ich... nein. Aber die ganzen Mädchen haben nachher immer erzählt-“
„Was können wir dafür, was die Mädchen erzählen? Und du musst es ja nicht erzählen.“ Ich schmunzle und senke meine Stimme. „Du könntest einfach still genießen.“
Daphne reibt sich nervös über die Arme.
„Man macht sowas einfach nicht“, murmelt sie.
„Ja, man macht eine Menge nicht. Mir wurde auch ein Leben lang gesagt, dass ein Reinblüter niemals mit jemandem zusammen sein kann und darf, der muggelgeboren ist. Und weißt du was? Drauf geschissen. Ich habe keine Lust mehr, mich an das zu halten, was man angeblich nicht macht. Wenn du denkst, dass man sowas nicht macht, was Blaise möchte – dann ist das eben deine Wahrnehmung, bitte. Denk was du willst. Aber red dir nicht ein, dass es nur deshalb nicht ok ist, weil andere von dir erwarten, dass du es nicht tust. Oder einfach weil du ein Mädchen bist und Mädchen sowas nicht machen sollten. Ich will dir nichts einreden. Tu, was du willst. Geh auf Blaise ein oder lass es bleiben. Deine Entscheidung. Du bist ein eigenständiger Mensch. Aber triff nicht eine Entscheidung, weil andere diese Entscheidung von dir erwarten.“
Daphne ist der Mund aufgeklappt und irgendwie bin ich genauso erstaunt wie sie, denn ich weiß gar nicht, woher diese Worte plötzlich kommen. Sie haben sich einfach so in meinen Gehirnwindungen gebildet.
„Vielleicht ist es für dich richtig, dich dagegen zu entscheiden“, fahre ich fort. „Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht ist es auch einfach mal eine andere Erfahrung. Eine Erfahrung, von der du sonst irgendwann bereust, sie nicht gemacht zu haben. Und wer weiß, vielleicht ist es auch eine richtig gute Erfahrung.“
Ich grinse noch mal, drehe mich nun endgültig um und lasse sie stehen.




Friendship and other Disasters (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt