Ok, ich wünsche mir einen Augenblick wirklich, einfach im Erdboden verschwinden oder disapparieren zu können, als die riesige Gestalt auf mich zugestapft kommt und die käferschwarzen Augen mich wild und verärgert anfunkeln.
Ich muss gestehen, dass ich schon immer an der geistigen Gesundheit des Halbriesen gezweifelt habe, aber seine Größe und die Masse seiner Gestalt kann schon ziemlich furchteinflößend wirken.
Instinktiv taste ich nach meinem Zauberstab und umschließe das glatte Holz, wodurch ich etwas ruhiger werde. Vorerst ziehe ich den Stab aber nicht.
Der drohende Anblick des Wildhüters wird plötzlich dadurch abgeschwächt, dass er aus den Tiefen der vielen Schichten seiner Kleidung einen rosafarbenen Schirm zieht und diesen mit der Spitze auf mich richtet.
„Hermine, alles in Ordnung? Was will er von dir?“, grollt der Halbriese und lässt mich keine Sekunde aus den Augen.
„Hagrid“, höre ich Hermine und bin erstaunt, wie freundlich, ruhig und beschwichtigend sie klingt.
Im nächsten Moment schiebt sie sich vor mich und schirmt mich vor dem Regenschirm ab.
„Draco und ich waren verabredet. Es ist alles gut.“
„Verabredet?“, wiederholt der Wildhüter. Und dann, vollkommen ungläubig: „Draco?“
Er betont meinen Namen so, als könne er nicht fassen, dass Hermine mich tatsächlich so nennt.
„Tut mir leid, ich habe es dir irgendwie nicht erzählt, aber wir sind schon länger befreundet“, erklärt Hermine sanft und tätschelt flüchtig den Arm des Halbriesen.
„Du kannst den... Regenschirm runter nehmen“, ergänzt sie noch.
Ich sehe das Misstrauen und die Wut in den dunklen Augen, und abrupt wird mir klar:
Es ist nicht nur der Hippogreif.
Es sind die vielen negativen Erfahrungen, die er mit meinem Vater gemacht hat. Es ist die Tatsache, dass er Dumbledore verehrt hat und dieser durch meine Schuld getötet wurde. Es sind die Dinge, die ihm vom Goldenen Trio über viele Jahre über mich erzählt wurden, und sicher waren es alles keine Lobeshymnen. Zurecht, wie ich gestehen muss.
Der Halbriese reißt seinen Blick von mir los und starrt Hermine an.
Sein Gesichtsausdruck wird merkwürdig weich, die Augen überraschend sanft.
„Bist du dir sicher?“, fragt er, und als Hermine nickt, lässt er tatsächlich sofort den Schirm sinken.
„Gut... Dann... Naja, dann kommt mal rein, ihr zwei“, sagt er, nachdem er mir noch einen letzten, misstrauischen Blick zugeworfen hat.
Ohne auf eine Reaktion zu warten, dreht er sich um und geht Richtung Hütte.
Hermine dreht sich zu mir, zuckt mit den Schultern und sieht mich entschuldigend an, ehe sie dem Wildhüter hinterher geht.
Zögernd setze ich mich in Bewegung und folge den beiden.
Ich gehe hinter Hermine durch einen ungepflegten Vorgarten, ehe ich zögernd die Hütte betrete.
Der Geruch nach irgendwelchen Tieren schlägt mir entgegen und ich japse kurz nach Luft.
Aus einer Ecke kommt ein leises Wuffen, und ich sehe den Saurüden des Halbriesen in einem überdimensional großen Körbchen liegen. Sein Blick ist auf Hermine geheftet und er wedelt, hat aber scheinbar keine Lust, sich zu erheben, woraufhin Hermine halb zu ihm in den Korb krabbelt und ihn kurz krault, während ich unschlüssig in der Nähe der Tür stehen bleibe.
Der Hüne ist gerade dabei, am Feuer an einem Topf zu hantieren und ich schätze, dass er sich um Tee kümmert.
Oder er kocht eine Brühe, bei der ich die Fleischeinlage werden soll. Wer weiß.
„Setzt euch Kinder, setzt euch“, brummt unser Gastgeber, als er sich vom Feuer umdreht.
Hermine gehorcht sofort und klettert mehr oder weniger auf einen der großen Stühle, die an einem ebenso großen Tisch stehen.
Zögernd gehe ich zu ihr und hieve mich auf den Stuhl neben ihr, nicht ohne vorher unauffällig einen kurzen Reinigungszauber zu wirken, was sie zum grinsen bringt.
In der nächsten Sekunde zucke ich erschrocken zusammen, als ich eine Berührung an meinem Bein spüre.
Ein Blick unter den Tisch zeigt mir ein merkwürdiges Wesen:
Auf den ersten Blick wirkt der Körper wie der eines kleinen Zickleins – allerdings blicken mich grimmige Augen aus einem Löwenkopf an, und deutlich sehe ich unter dem Tisch einen Drachenschweif peitschen.
„Bei Merlin!“, japse ich und ziehe meine Beine weg.
„Hagrid! Cookie ist wieder ausgebrochen“, höre ich Hermine neben mir.
Das Wesen – ich weigere mich zu glauben, dass es das ist, was ich denke – reagiert auf ihre Stimme und hüpft unter dem Tisch zu ihr.
„Ist ja gut“, sagt Hermine und tätschelt flüchtig den Löwenkopf.
„Ah! So ein ungezogenes Mädchen! Cookie, komm her!“, schimpft der Halbriese und angelt unter dem Tisch nach dem Wesen.
Merlin sei Dank bekommt er es zu fassen und klemmt es sich unter den Arm.
„Das ist doch nicht etwa-“, beginne ich.
„Cookie ist eine Chimäre“, sagt da der Wildhüter. „Aber keine Sorge – ich weiß, sie werden von der Gefährlichkeit her genauso eingestuft wie Drachen, aber es sind zutiefst missverstandene Kreaturen. Und vor Cookie musst du wirklich keine Angst haben, sie ist erst zwei Wochen alt. Ein Baby, sozusagen.“
Beim letzten Satz hat die Stimmlage des riesigen Mannes etwas zärtlich-mütterliches angenommen, während die kleine Chimäre mich fixiert, ohne zu blinzeln, und mit einem leisen Fauchen nadelspitze Zähne entblößt.
„Ein Baby“, wiederhole ich tonlos.
„Ja, und du musst dir keine Gedanken machen, es ist alles mit Professor McGonagall abgesprochen. Chimären wachsen sehr schnell, und schon bald wird die Schulleiterin sie zu einem Auswilderungsprogramm der Scamander-Stiftung bringen lassen – es besteht also keine Gefahr für niemanden nicht.“
„Äh“, mache ich, als ich deutlich höre, wie das „Baby“ mich anknurrt.
„So, und jetzt ab ins Bettchen“, schnurrt der Halbriese und trägt das Wesen zu einem Gitterkäfig in der hinteren Ecke der Hütte.
Ich beobachte, wie er das Tier einsperrt und meine, in dem Käfig nicht nur Plüschdecken in allen möglichen Farben, sondern auch etliche Kuscheltiere zu sehen – und ich schlucke, denn den meisten fehlt der Kopf.
„Aber schnell schlafen, Cookie“, höre ich den Halbriesen, während die Chimäre ein Kuscheltier ausweidet.
„Keine Angst, sie tut nichts“, behauptet Hagrid, der wohl meinen entsetzen Blick gesehen haben muss. „Nicht wahr, Hermine?“
„Natürlich nicht“, sagt Hermine hastig, aber als der Wildhüter in einem Schrank hantiert, flüstert sie: „Steck bloß nicht die Finger durch die Gitterstäbe. Ich kenne Cookie von Anfang an, daher tut sie mir noch nichts, aber Fremden würde sie schon gerne mal einen Finger abkauen.“
„Ich hatte tatsächlich nicht vor, sie näher kennen zu lernen“, erkläre ich und Hermine muss leise kichern.
In diesem Moment kommt Hagrid an den Tisch und stellt eine riesige Schale mit irgendwelchen dunkelbraunen, kreisrunden Scheiben auf den Tisch.
„Lasst es euch schmecken“, sagt er, und erst, als Hermine eine der Scheiben in die Hand nimmt, begreife ich, dass es Kekse sein sollen. „Ich bringe euch noch Tee.“
Kaum, dass der Halbriese sich entfernt hat, flüstert Hermine: „Warte auf den Tee. Du musst die Kekse einweichen, sonst kannst du sie nicht kauen.“
„Was?“, frage ich fassungslos und entlocke ihr damit ein erneutes Kichern.
„Oh Merlin, du müsstest dein Gesicht sehen“, prustet sie.
Na, wenigstens amüsiert sich hier eine Person, denke ich.
Ich frage mich, wie man so riesige Kekse in einer Tasse einweichen soll, aber als der Wildhüter im nächsten Moment mit dem Tee zum Tisch kommt und fast eimergroße Tassen abstellt, hat sich die Frage erübrigt.
Hermine tunkt ihren Keks eifrig in das warme Getränk.
Im nächsten Moment trifft mich ein Hieb auf meine Schulter.
„Uff“, entfährt es mir.
„Na los, greif zu“, höre ich Hagrid neben mir und erst da begreife ich, dass das wohl ein freundschaftliches Schulterklopfen gewesen sein sollte.
Hermine presst ihre freie Hand auf den Mund, um ein Lachen zu ersticken.
Ich angle nach einem Riesenkeks und begutachte ihn intensiv.
Sofort habe ich ein Bild im Kopf von dem Halbriesen, der mit total verdreckten Händen in seiner schäbigen Küche den Teig knetet, während die Chimäre und der Saurüde daneben stehen und Sabber, Haare und Merlin weiß was verteilen, und sofort rebelliert mein Magen.
„Du kannst sie ruhig essen“, sagt Hermine leise. „Ich habe schon häufiger welche gegessen und es hat mir nicht geschadet.“
„Hm“, mache ich skeptisch und beäuge den Keks, ehe ich wenig enthusiastisch beginne, ihn im Tee zu ertränken.
„So“, sagt Hagrid und lässt sich zu uns an den Tisch sinken. „Und jetzt erzählt mal. Malfoy und unsere Hermine – befreundet! Wie kommt das? Und warum weiß ich bisher nichts davon?“
Ich höre nur halb zu, wie Hermine ein wenig von der Lerngruppe Anfang des Schuljahres erzählt und davon, wie wir uns besser kennen gelernt haben, ehe sie entschuldigend anfügt, dass sie den Wildhüter nicht aufregen wollte und daher nichts von dieser ungewöhnlichen Freundschaft erzählt hätte.
Zögernd beiße ich ein Stück vom Keks ab – ich muss mich anstrengen, obwohl das Gebäck tatsächlich schon von Tee getränkt ist – und unterdrücke Brechreiz, als ich beginne, die Masse zu zerkauen.
Es ist, als hätte ich Sand im Mund. Es ist grauenhaft.
„Oh, ich habe meinen eigenen Tee vergessen“, sagt da Hagrid und kaum, dass er aufgestanden ist und sich umgewandt hat, fixiere ich rasch seinen Saurüden und wedele auffordernd mit dem Keks.
Tatsächlich kommt das Ungetüm herüber getrottet und sieht mich – oder eher den Keks – erwartungsvoll an.
Rasch halte ich ihm das sandige Gebäck hin und er verschlingt es mit einem Bissen.
„Malfoy! Hast du Fang einen Keks gegeben?“
Ich unterdrücke das Bedürfnis, zusammen zu zucken, als Hagrid mit seiner eigenen Tasse zum Tisch zurück kommt.
„Ich... also... äh...“
Der Halbriese bleckt die Zähne und ich spanne mich an.
Im nächsten Moment landet die riesige Hand wieder auf meiner Schulter und ich ächze erneut.
„Na, wer hätte gedacht, dass so ein Malfoy-Schnösel ein Herz für Tiere hat. Guter Junge.“
Erst jetzt begreife ich, dass das Zähneblecken ein Grinsen gewesen sein sollte.
Neben mir prustet Hermine in ihren Tee.
„Verschluck dich nicht“, zische ich ihr zu, ist mir doch klar, dass sie sich auf meine Kosten amüsiert.
Sie lacht noch heftiger.
Der Wildhüter betrachtet Hermine mit einem fürsorglichen Blick.
„Na, die Freundschaft zu dir scheint ihr gut zu tun“, stellt er, in meine Richtung gewandt, fest. „Schöne Sache, wirklich schöne Sache.“
Er greift nach der Keksschüssel und schiebt sie näher in meine Richtung.
„Jetzt musst du aber auch selbst einen Keks essen.“
„Oh, danke, aber ich-“
„Keine Widerrede! Ich denke zwar hauptsächlich an die Tiere, aber auch Gäste sollen es bei mir immer gut haben. Also, greif zu!“
Und, während Hermine neben mir schon wieder kichert, beschließe ich, einfach das Beste aus dieser vollkommen verrückten Situation zu machen und greife einen zweiten Keks.
Eine Stunde später verlasse ich an der Seite von Hermine die stinkende Hütte.
Ich höre, wie die Tür hinter uns zufällt und kaum, dass wir den Vorgarten verlassen haben, schnappe ich blitzschnell Hermines Handgelenk und ziehe sie mit einem Ruck an meine Brust.
„So, du fandest es wohl gerade alles ziemlich lustig, ja?“, frage ich leise und schaue sie intensiv an.
Ich sehe deutlich, sie verkneift sich ein Grinsen.
„Man hätte meinen können, du seist auf einem fremden Planeten gelandet“, sagt sie amüsiert.
„Du machst dich also immer noch über mich lustig?“, frage ich gespielt drohend und verstärke meinen Griff an ihrem Handgelenk leicht.
„Vielleicht“, entgegnet sie.
Ich hebe meine freie Hand und streiche ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht, was sie überraschenderweise sofort verstummen und ernst werden lässt.
„Tut mir leid. Fandest du es sehr schlimm?“, fragt sie plötzlich.
Nun muss ich grinsen.
„Ganz ehrlich? Es war grauenhaft. Trotzdem bin ich froh, dass die Situation so glimpflich ausgegangen ist.“
„Ich auch“, bestätigt Hermine. „Aber jetzt kamen wir gar nicht zum Reden. Ich wollte dich nämlich eigentlich fragen, was du für deinen Geburtstag geplant hast.“
Ich blinzle überrascht.
Mit dem Themenwechsel habe ich nicht gerechnet.
Mein Geburtstag.
Ich habe kaum einen Gedanken daran verschwendet, war dieses Ereignis in den letzten zwei Jahren ziemlich nebensächlich.
Und in letzter Zeit ist auch so viel passiert, dass es irgendwie in den Hintergrund gerückt ist. Ganz abgesehen davon, dass alle fast ausschließlich von den Abschlussprüfungen reden und sich darauf fokussieren.
„Ich habe noch gar nicht drüber nachgedacht. Aber früher... Also, du weißt schon... Bis zur Fünften habe ich meinen Geburtstag immer mit den Jungs verbracht und irgendwie dachte ich...“
Ich breche ab.
Ja, irgendwie dachte ich, dass ich das ganz selbstverständlich dieses Jahr wieder tue.
„Dann mach das“, sagt sie mit einem leichten Lächeln. „Wir sehen uns ja sicherlich trotzdem kurz und vielleicht unternehmen wir einfach nachträglich einen Tag später was zusammen?“
Ich schaue sie aufmerksam an und suche in ihrem Gesicht nach einem Zeichen von Kränkung, kann aber nichts finden.
Sie ist wirklich etwas Besonderes.
„Das wäre großartig“, sage ich rasch.
Und als sie lächelt, ziehe ich sie am Handgelenk noch näher und schlinge meinen anderen Arm um sie.
„Und du“, füge ich leise hinzu. „bist wundervoll, weißt du das?“
Sie guckt halb überrascht, halb verlegen.
„Danke“, haucht sie und ich beuge mich hinab, um meine Lippen kurz, aber sanft auf ihre zu legen.
„Ich vermisse dich, weißt du das?“, flüstere ich nah an ihren Lippen.
„Ich bin doch hier.“
„Das meine ich nicht“, sage ich leise und höre selbst, dass ich etwas rau klinge.
Sie schaudert.
„Draco...“, haucht sie.
„Wann schläfst du wieder mit mir?“, flüstere ich.
„Merlin! Ich muss mich wirklich daran gewöhnen, dass du so offen deine Bedürfnisse formulierst“, murmelt sie.
„Ich bitte darum, dass du das auch machst“, sage ich ernst.
Ich bin erstaunt, dass es so ungewöhnlich für sie zu sein scheint.
„Ok“, wispert sie und klingt leicht verlegen.
Widerwillig löse ich mich von ihr und ich will gerade den Arm um sie legen und mit ihr zum Schloss zurück gehen, als mein Blick zur Hütte zurück schweift und ich kurz erstarre.
Am Fenster steht der Halbriese und starrt uns an.
Einen Moment lang bin ich mir sicher, dass nun doch mein letztes Stündlein geschlagen hat, aber dann sehe ich, wie der Wildhüter kurz mit dem Kopf ruckt – in einer Art, die einerseits Zustimmung ausdrückt und gleichzeitig aber auch so wirkt, als wollte er sagen: „Gib ja acht, dass du dich anständig verhältst.“
Ich zögere nur kurz, dann nicke ich ihm zur Bestätigung zu, ehe ich den Arm um Hermines Hüfte lege, sie die Geste sofort erwidert und wir uns so auf den Rückweg machen.
DU LIEST GERADE
Friendship and other Disasters (Dramione)
FanfictionFreundschaft ist immer etwas Wunderbares - denkt man. Aber es gibt auch die Freundschaften, die nur in einer Katastrophe enden können. Oder in etwas anderem. // Dramione // Scharf gewürzt - und mit einer Prise Humor...