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„Erzähl es noch mal.“
Ich stöhne genervt und lege den Kopf in den Nacken.
Wir sind in unserem Schlafsaal, jeder sitzt auf seinem Bett, und alle Aufmerksamkeit ist auf mich gerichtet.
Greg hat mich vorhin in unser Zimmer gebracht und dann Theo und Blaise geholt.
„Ich habe es euch doch schon zweimal erzählt, Theo“, schnarre ich. „Ich habe den Anti-Kater-Trank gesucht, habe die Phiole in der Nähe meiner Kommode auf dem Boden gefunden, dachte, es sei die Phiole, über die wir sprachen, und habe das Zeug genommen. Dann habe ich den Raum verlassen und in den Gängen ging der Scheiß schon los.“
Es war, jetzt rückblickend, ein furchtbares Gefühl gewesen.
Ich war nicht mehr Herr meiner Sinne und hatte keine Kontrolle über meine Handlungen.
Kaum, dass ich wieder einigermaßen klar denken konnte, habe ich mich dutzendfach bei Astoria entschuldigt. Ich war erleichtert, zu sehen, dass sie zwar immer noch verunsichert wirkte, aber keine Angst vor mir zu haben schien. Sie sagte, dass sie mir sofort angesehen habe, dass etwas nicht stimmte und ihr klar war, dass die Handlung nicht aus mir selbst kam.
Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich hörte trotzdem nicht auf, mich zu entschuldigen, bis Astoria mir schließlich deutlich sagte, dass sie sich zwar unfassbar erschrocken habe, aber alles in Ordnung zwischen uns sei, und ich glaubte ihr.
Sie fragte mich sogar besorgt, ob ich damit klar kommen würde, was geschehen war, und ich kann mittlerweile nicht anders als sowas wie eine leise Bewunderung für sie zu empfinden. Das ganze hätte auch anders ausgehen können, wenn sie mit der Geschichte zu unserem Hauslehrer oder der Schulleitung gerannt wäre. Erst Recht, wo gerade sowieso solche Gerüchte von einem gewissen Ravenclaw verbreitet wurden.
„Wie ist die Phiole in unser Zimmer gekommen?“, murmelt Theo nun vermutlich schon zum hundertsten Male.
„Und was zur Hölle ist das für ein Trank?“, ergänze ich.
Theo hat vorhin nachdenklich an der Phiole geschnuppert und dann ratlos die Schultern gezuckt.
Nun dreht Blaise sie zwischen den Fingern, ehe er ebenfalls kurz daran schnuppert und dann seinen Finger an die Öffnung legt, ehe er den Finger an die Lippen führt und so ein wenig von der Restflüssigkeit, die sich am Boden der Phiole gesammelt hat, probiert.
„Ich kenne zwar weder Geruch noch Geschmack“, sagt er. „Aber es ist ziemlich eindeutig ein Lust-Trank, oder?“
„Vermutlich“, bestätigt Theo.
Toll, auf die Idee bin ich auch schon gekommen.
„Und wie kommt der hierher?“, frage ich genervt.
Wir drehen uns im Kreis!
„Gregory?“, fragt Blaise streng.
„Was?“, entfährt es dem Angesprochenen.
„Hast du etwas damit zu tun?“
Greg starrt Blaise wütend an.
„Warum soll es immer meine Schuld sein, wenn es um bewusstseinsverändernde Substanzen geht?“
Theo lacht spöttisch auf und ich schnaube.
„Hm“, macht Blaise trocken und starrt Greg weiter an.
„Der ist nicht von mir“, sagt Greg und klingt beleidigt.
„Ich glaube auch nicht, dass Greg etwas damit zu tun hat“, sage ich.
Und das glaube ich wirklich, auch, wenn ich mir nicht erklären kann, wie dieses Teufelszeug hierher gekommen ist.
Niemand hat unseren Schlafsaal betreten.
Niemand außer... Hermine.
Alles zieht sich in mir zusammen.
Erstens, weil ich mir absolut nicht vorstellen kann, dass sie einen so bewusstseinsverändernden Trank bei sich haben würde und zweitens, weil ich wieder daran denke, dass sie mich vorhin gesehen hat.
Ich stehe auf.
„Wir kommen hier sowieso keinen Schritt weiter“, sage ich. „Von daher suche ich jetzt Hermine. Ich muss ihr erklären, was da los gewesen ist.“
Bei Merlin, sie wird denken, ich habe freiwillig mit Astoria geknutscht!
Jetzt, da ich mich von meinem ersten Schock erholt habe, muss ich das dringend klären.
Und ich muss sie fragen, ob sie eine Idee hat, woher die Phiole kam.

Ich finde sie im Innenhof – die Nase in einem Buch, natürlich.
Sie sitzt mit dem Wieselmädchen auf einer Bank und wirkt aufgebracht.
Ich bin noch etliche Schritte von den beiden entfernt, als Weasley mich entdeckt.
Fast zeitgleich springen sie auf, nachdem die Rothaarige Hermine angestupst hat, und schnappen ein paar Bücher, die neben ihnen auf der Bank liegen, ehe sie rasch loshasten.
„Hermine?“, spreche ich sie an, als ich sie mit schnellen Schritten eingeholt habe.
Sie reagiert nicht, sondern stürmt an der Seite von Ginny Weasley davon.
Ich gehe natürlich hinterher.
„Hermine!“, spreche ich sie erneut an, dieses Mal eindringlicher.
Ihre rothaarige Freundin fährt zu mir herum.
„Hast du nicht schon genug angerichtet?“, faucht sie mich an.
„Entschuldige, aber ich rede mit Hermine“, sage ich kühl.
„Sie will aber nicht mit dir reden“, knurrt die Weasley.
„Sie kann ja wohl für sich selber sprechen“, gebe ich nicht minder unfreundlich zurück.
Nun fährt Hermine zu mir herum.
„Oh ja, das kann sie“, sagt sie leise, aber es klingt bedrohlich.
Ihre Augen sind stark gerötet.
„Und tatsächlich will ich nicht mit dir reden!“
„Hermine-“
Aber sie fährt einfach herum und stürmt los.
„Wag es ja nicht, ihr nachzurennen, Malfoy“, zischt Ginny Weasley und eilt ihrer Freundin hinterher.
Ich bleibe wie angewurzelt stehen und starre den beiden nach.
Fuck.
Sie ist richtig sauer.
Ob sie mir zuhört, wenn sie sich etwas beruhigt hat?
Verfluchte Scheiße, wie soll ich ihr erklären, was geschehen ist?
Ich fahre mir mit der Hand durchs Haar und mache mich wieder auf den Weg in unseren Gemeinschaftsraum.




„Du musst noch mal mit ihr reden.“
„Hmpf“, mache ich auf Blaise' Aussage hin.
Es ist das zehnte Mal oder so, dass er das sagt, und immer reagiere ich lediglich mit einem undefinierbaren Laut, während ich langgestreckt auf meinem Bett liege und vor mich hin brüte.
Ich habe es nach meinem ersten vergeblichen Versuch, mit Hermine zu reden, noch ein zweites Mal probiert, aber wieder hat sie mich komplett abgeblockt.
Zumindest für heute gebe ich es auf.
Ich kann Hermine tatsächlich verstehen.
Ich kam schon nicht damit klar, sie noch einmal in den Armen von Weasley zu sehen, was ja tatsächlich nur eine freundschaftliche Umarmung gewesen war... Wie hätte ich erst reagiert, wenn ich gesehen hätte, wie sie einen anderen küsst?
Vermutlich kann ich froh sein, dass sie mir nicht irgendeinen Fluch auf den Hals gehetzt hat.
Es ist furchtbar. Ich fühle mich schuldig, obwohl ich weiß, dass mich keine Schuld trifft.
Tatsächlich habe ich mich noch nicht sehr intensiv mit Lusttränken beschäftigt. Immer wieder sieht man hier und da welche zum Verkauf, wobei die Abgabe an Minderjährige untersagt ist. Allerdings weiß ich, dass diese mehr Schein als Sein und recht harmlos sind.
Irgendwann, in der Vierten oder Fünften, habe ich in der Winkelgasse erwachsene Hexen und Zauberer über diese Tränke reden gehört und sie sagten etwas amüsiert, dass die öffentlich verkäuflichen Lusttränke sowieso nicht viel ausrichten und lediglich etwas angestaubten Ehen etwas Pepp geben würden. Kurz erwähnten sie, dass die „richtigen“ Lusttränke nicht umsonst verboten und gefährlich seien, und damals verstand ich nicht ganz, warum.
Heutzutage hätte ich mir mit genug Verstand auch so ausrechnen können, warum man diese Tränke meiden sollte, aber nun, da ich die Wirkung am eigenen Leibe erfahren habe, verstehe ich es absolut.
Bisher habe ich die Entschuldigung, man habe etwas getan, weil man unter der Wirkung von berauschenden Mitteln stand – sei es Alkohol oder irgendwelche Zaubertränke – nie gelten lassen.
Ich selbst war in meinem Leben schon etliche Male ziemlich betrunken, und ehrlicherweise habe ich in der Fünften auch ein paar verbotete, berauschende Tränke ausprobiert, und manchmal war ich echt ziemlich neben der Spur, aber niemals hätte ich in einem solchen Zustand etwas getan, was sich für mich nicht richtig angefühlt beziehungsweise jemand anders geschadet hätte. Vielleicht habe ich mal ein Mädchen etwas zu heftig angegraben, aber niemals hätte ich eins gegen ihren Willen angefasst.
Dieser Trank, den ich heute genommen habe... Das war ein ganz anderes Kaliber.
Es war nicht nur erschreckend, sondern regelrecht beängstigend, wie sehr der Trank mein Bewusstsein für richtig und falsch abgeschaltet hat, wie fremdbestimmt ich gewesen bin, wie sehr er mich auf Triebe und Instinkte reduziert hat. Ich möchte nicht wissen, welche Zentren im Gehirn dieser Trank abschaltet.
Es ist nicht vergleichbar mit einem Liebestrank.
Wir haben niemals Liebestränke bei Mädchen eingesetzt, hatten aber immer Angst davor, dass wir Opfer werden könnten, und haben immer höllisch aufgepasst, dass kein Mädchen uns einen Liebestrank unterjubelt.
Blaise hatte einmal das Pech, einen zu sich zu nehmen, welches ein Mädchen ihm untergejubelt hatte, was heillos in ihn verknallt war und welches er nicht einmal mit dem Hintern anguckte, so wenig interessierte es ihn. Keine Ahnung, was sie sich davon versprach, ihm den Trank ins Getränk zu schmuggeln. Jedenfalls hatten wir stundenlang alle Hände voll damit zu tun, Blaise irgendwie in unserem Zimmer zu halten, während wir darauf warteten, dass die Wirkung nachließ. Er jammerte und bettelte und schwärmte ununterbrochen von diesem Mädchen, zwischendurch drohte er uns auch kurz, was aber keiner ernst nahm, und dann starrte er verträumt aus dem Fenster, ehe er wieder jammerte und bettelte und schließlich sogar Theo, der gerade dabei war, unsere Tür von innen zu bewachen, bekniete ihn durchzulassen, damit er zu dem Mädchen gehen konnte.
Aber Menschen, die einen Liebestrank zu sich genommen haben, können sich auch damit begnügen, dann in der Nähe der Person zu sein und sie dümmlich anzugrinsen. Es muss nicht zwingend zu Körperkontakt kommen.
Bei diesem verdammten Lust-Trank sieht das ganze offensichtlich anders aus.
Ich zerbreche mir den Kopf, woher der Trank kam und wie zur Hölle ich es schaffen soll, Hermine dazu zu bringen, mir zuzuhören, bis ich schließlich in einen unruhigen Schlaf falle.
Als ich wach werde, ist es früher morgen und ich merke sofort, dass die anderen Jungs noch schlafen.
Ich bin in meiner Kleidung eingeschlafen und irgendjemand war so freundlich und hat mir meine Schuhe ausgezogen.
Aber das alles kümmert mich nicht, denn ich sitze abrupt aufrecht im Bett, als mir plötzlich klar wird, was es mit dem Trank auf sich hat.

Friendship and other Disasters (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt