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Eine Woche.
Eine verdammte Woche ist vergangen, seitdem Hermine mich gesehen hat, als ich unter der Wirkung dieses beschissenen Trankes stand.
Wir haben kein Wort miteinander geredet.
Sie zeigt mir allzu deutlich, dass sie keinen Kontakt will, und sie ist ständig von irgendwelchen Gryffindors umringt wie von Leibwächtern.
Anfänglich habe ich noch versucht, mich ihr anzunähern, aber sofort haben sich irgendwelche Leute aus ihrem Haus dazwischen geschoben und mich drohend angesehen. Bin ich ihr doch mal näher gekommen, ist sie sofort weggerannt.
Sie sieht nicht gut aus.
Ihre Augen sind geschwollen und ich sehe deutlich, dass sie viel geweint hat.
Ich muss sie irgendwie dazu kriegen, mir zuzuhören!
Ich esse kaum und ich schlafe miserabel. Auf den Unterricht kann ich mich nur schlecht konzentrieren. Das einzige, was mich ein bisschen ablenkt, ist das Quidditch-Training. In wenigen Tagen haben wir – wie passend – das Endspiel gegen Gryffindor, welches darüber entscheidet, wer den Pokal gewinnen wird. Blaise triezt uns beim Training und verlangt uns alles ab, was mir nur Recht ist. Es tut mir gut, mich körperlich zu verausgaben.
Noch vor ein paar Tagen haben Blaise und Theo immer wieder irgendetwas vorgeschlagen, um mir zu helfen. Zum Beispiel kamen sie mit der Idee, dass ich Hermine einen Brief schreiben könnte (was ich tatsächlich tat, nur, um ihn ungeöffnet per Eule zurück zu bekommen) und dem Vorschlag, dass sie mit ihr reden könnten (was auch nicht funktionierte, da sie vor ihnen genauso wegrannte oder andere Gryffindors die beiden abblockten).
Irgendwann gaben sie es auf, entweder, weil ich nicht sehr zugänglich war oder weil ihnen die Ideen ausgingen oder beides.
„Draco, du solltest nicht aufgeben.“
Ich sitze gerade im Gemeinschaftsraum und starre finster aus einem der Fenster. Hinter der Scheibe bewegen sich die Wasserpflanzen träge mit der Strömung. Eigentlich hat man ein ganz angenehmes, ruhiges Leben so als scheiß Wasserpflanze, oder? Derzeit erscheint mir eine solche Existenz um einiges attraktiver als mein tatsächliches Dasein.
„Gregory, spar es dir“, sage ich müde.
„Bist du eine Schlange oder ein beschissener Regenwurm?“
Mein Blick löst sich vom Fenster und ich starre Greg an.
„Wie bitte?“
„Ob du eine Schlange bist oder ein Regenwurm, der den Kopf einzieht und sich verkriecht, will ich wissen“, sagt Greg und reckt beinahe trotzig das Kinn vor.
„Du redest Müll, Greg“, erkläre ich ihm.
„Nein“, beharrt er. „Ein Slytherin gibt nicht so schnell auf, Draco!“
Ich starre Greg finster an.
„Bullshit.“
„Kein Bullshit. Du hast dir deinen Ehrgeiz nehmen lassen!“
Einen Augenblick sehen wir uns fest in die Augen.
Greg sagt mir selten die Meinung, und es scheint ihm sehr ernst zu sein.
Ich seufze.
„Also gut“, schnarre ich. „Ich gebe noch nicht auf, ok?“
Und um meine Worte zu unterstreichen, stehe ich auf und verlasse den Gemeinschaftsraum.


Ein Drittklässler hat mir geöffnet und ich habe nach Hermine gefragt.
Bisher habe ich mich nicht zu ihrem Gemeinschaftsraum getraut. Aber vielleicht ist das tatsächlich die Lösung. Vielleicht hört sie mir hier kurz zu.
Überraschend schnell öffnet sich das Porträt wieder, aber heraus kommt nicht Hermine – sondern Weasley.
„Du!“, speit er mit entgegen, als er mich sieht.
Seine Hände ballen sich zu Fäusten.
Ich weiß, was er tun wird. Ich könnte ausweichen, ich könnte den Schlag abfangen, ich könnte mich verteidigen.
Ich tue nichts davon, sondern spanne mich nur an, warte ab, sehe die Faust auf mich zusausen.
So eine Kraft habe ich dem Wiesel nicht zugetraut. Der Schlag lässt mich tatsächlich ein Stück nach hinten schwanken und mein Kiefer schmerzt höllisch.
„Komm schon“, höre ich Weasley knurren. „Wehr dich, falsche Schlange!“
„Nein“, sage ich schlicht. Das fehlt noch! Ich kann mir denken, was Hermine sagen wird, wenn ich nun auch noch Ronald Weasley verprügeln würde. „Ich will Hermine sprechen.“
Auch der zweite Schlag trifft mich nicht überraschend, was ihn aber nicht weniger schmerzhaft macht.
Ich höre und fühle das Knirschen, als er mir mitten ins Gesicht schlägt, und ich wanke rückwärts an die Wand, an der ich langsam herunter rutsche, während ich spüre, wie Blut aus meiner Nase zu laufen beginnt.
„Steh gefälligst auf!“, verlangt Weasley von mir, aber schüttle stur den Kopf.
„Ich will Hermine sprechen“, wiederhole ich, dieses Mal um einiges mühsamer, schmerzt mein Gesicht doch bei jeder Silbe, die ich von mir gebe.
„Du verfluchter-“
„Ron! Lass das!“
Das Porträt ist erneut aufgegangen und ich höre Potters Worte und Hermines erschrockenen Laut gleichzeitig.
Ich sehe auf.
Hermine hat sich erschrocken die Hände vor den Mund geschlagen, Potter hält Weasley am Arm fest.
Ich ziehe mich an der Wand wieder hoch.
„Hermine...“
„Wag es nicht, sie anzusprechen nach dem, was du ihr angetan hast, du mieser-“
„Ron!“, sagt Potter wieder warnend.
„Was? Dass er es noch wagt, hier aufzutauchen-“
„Ron, trotzdem ist es nicht der richtige Weg, so auf ihn loszugehen.“
„Hör auf Potter, Weaselbee“, schnarre ich. Verdammt, tut mein Gesicht weh. „Verzieh dich und geh eine Runde Zauberschnippschnapp spielen, während sich die Erwachsenen unterhalten.“
Ok, sehr klug sind meine Worte sicherlich nicht, aber zumindest habe ich ihm keine reingehauen.
Ich versuche, mir mit dem Hemdsärmel das Blut unter meiner Nase wegzuwischen.
„Damit wollte ich nicht sagen“, fährt Potter mich an. „dass du es nicht verdient hast, die Fresse poliert zu kriegen, Malfoy.“
„Solche Worte aus dem Mund von Gryffindors Heiligem, wer hätte das gedacht“, lasse ich mich dummerweise auf den Schlagabtausch ein.

Friendship and other Disasters (Dramione) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt