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Am nächsten Morgen war es bitterkalt in der Hütte. Durch das mit einer dünnen Gardine verhangene Fenster strahlte die Morgensonne herein. Auf dem wackeligen Campingtisch lag ein Stapel mit frischbezogenen Bettdecken, verschiedene Bücher, ein Pyjama und frische Kleidung für den Tag. Bibbernd kroch sie aus dem Schlafsack. Erst jetzt fiel Melissa auf, dass sie eingeschlafen war, ohne sich umzuziehen.

Neben der Eingangstür entdeckte sie einen kleinen Heizkörper. Er war abgeschaltet. Sie drehte den Regler hoch und sogleich begann das Gerät zu rauschen und sich langsam zu erwärmen.
Als sie das Badezimmer durch eine Tür in der Rückseite des Raumes öffnete, stellte sie fest, dass Tara nicht zu viel versprochen hatte – es war winzig. Melissa konnte sich zwischen Toilette, Dusche und Waschbecken kaum um ihre eigene Achse drehen. Und dennoch, es war alles da, was sie brauchte. An der Wand hing ein kleiner Heizstrahler. Melissa stellte ihn auf höchste Stufe ein und sofort strömte ihr warme Luft entgegen. Das war schon besser. Sowie die Holzhütte selbst, hatte auch das Badezimmer Wände und Boden aus Holz. Dennoch wollte kaum ein Gefühl von Gemütlichkeit aufkommen. Diese Hütte war auf jeden Fall ausbaufähig.

Zitternd machte Melissa sich frisch und kleidete sich an. An der Eingangstür hing ein elegant geschnittener schwarzer Mantel, der ganz bestimmt nicht Nicolas gehörte. Der taillierte feminine Schnitt verriet Melissa, dass es sich um ein Stück aus Taras Sammlung handeln musste. Sie zog ihn über und trat aus der Tür hinaus. Kurz dachte sie darüber nach, dass sie es am Abend zuvor nicht einmal mehr geschafft hatte, diese Tür abzuschließen. Der Schlüssel lag noch immer ungenutzt auf dem Tisch. Merkwürdigerweise bereitete ihr dieser Gedanke kein so großes Unbehagen mehr, wie noch vor wenigen Stunden.

Da sich ihr verletzter Knöchel noch immer sehr empfindlich zeigte, ging sie auf Socken und war daher dankbar um den gepflasterten Weg bis zum Haupthaus.

Zum ersten Mal betrachtete Melissa das Gebäude genauer. Die Farbe des Hauses war verblasst, der Anstrich blättert an einigen Stellen ab und es wirkte leicht verwittert. Eine abgenutzte Veranda schien es komplett zu umrunden. Kleine Details gaben dem Haus dennoch eine fast romantische Note. Die Fensterrahmen waren mit filigranen Schnitzereien verziert, der Eingang von einer Efeuranke umrankt, die sich beharrlich ihren Weg durch die Ritzen des alten Holzes bahnte, und die Fensterläden standen leicht schief. Das Highlight aber war die breite Fensterfront, welche das Morgenlicht nun ungehindert in den Wohnraum fluten ließ.

Gegenüber des Hauses breitete sich ein Wald mit hohen Bäumen aus, die ihre Schatten auf den Waldboden warfen. Die Sonnenstrahlen tanzten durch die im Wind rauschenden Blätter. Wie viel freundlicher ein Wald doch bei strahlendem Tageslicht wirkte.

Auf einem kleinen Stück Rasen, der sich zwischen der Gartenhütte und dem Wald erstreckte, stand eine Schaukel, die Melissa bereits aus dem Inneren des Hauses kannte.

Noch bevor Melissa die Tür zum großen Wohnraum erreicht hatte, sprang diese auch schon auf und eine fröhlich strahlende Amia hüpfte ihr mit leichten Sprüngen entgegen.

»Guten Morgen! Endlich bist du wach. Ich dachte schon, du stehst nie mehr auf. Adam hat gesagt, ich soll dich schlafen lassen. Ich bin schon ewig wach.« Das Kind schlang die Arme um Melissa und drückte sich an sie. Leicht überfordert erwiderte diese die Umarmung. Melissa verstand nicht, womit sie diese Zuneigung verdient hatte, musste aber zugeben, dass sie ein nahezu leerer Tank irgendwo in ihr zu füllen begann. So merkwürdig es klang, aber auf eine eigentümliche Weise kam es Melissa vor, als hätte Amia sie adoptiert. Dabei war doch Melissa die Erwachsene und Amia das Kind.

»Schau mal, das ist für dich.« Das Mädchen streckte Melissa die geöffnete Hand entgegen, auf der etwas Helles lag. Interessiert begutachtete Melissa das Geschenk.

»Danke. Was hast du denn da?«

»Das ist das Gehäuse einer Meeresschnecke. Die habe ich am Strand gefunden, bei den Klippen. Dort ist es toll, du musst unbedingt mal mit uns hingehen.«

♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt