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Schweigend stocherte Melissa mit der Gabel in ihrem Essen herum. Ihr vor wenigen Minuten noch so ausgeprägter Appetit war von einem schweren, düsteren Nagen in ihrem Bauch vertrieben worden. Um nicht nur auf ihren Teller zu starren, blickte sie zu Nicolas Mahlzeit hinüber. Er hatte von allem gekostet, außer vom Black Pudding. Irritiert zog sie eine Augenbraue hoch. »Gerade den blutigen Teil lässt du auf deinen Teller liegen?«

»Vielleicht stehe ich doch nicht so besonders auf alte, verdorbene Nahrung.« Verschmitzt zwinkerte er ihr zu.

»Du hättest nicht tauschen müssen.« Melissa bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen, weil sie so selbstverständlich davon ausgegangen war, dass Black Pudding für einen Vampir angemessen war. Er hatte nur mit ihr getauscht, damit sie ein wohlschmeckendes Essen bekam.

»Nein, aber ich wollte es. Mir liegt nichts an dieser Art Nahrung, es ist mir einerlei, was auf meinen Teller liegt. Nur dieses zähe gammelige Etwas, dass bekomme nicht einmal ich hinunter.«

»Das lass besser nicht den Koch hören.« Ein Schmunzeln stahl sich auf Melissas Gesicht und das Nagen in ihrem Bauch wurde schon etwas erträglicher.

Nicolas lachte belustig auf. »Ich werde behaupten, es lag nicht am Essen, sondern ich wäre Vegetarier.«

Ein Schauer jagte über Melissas Rücken und schnell versuchte sie, die Gedanken an Nicolas Essgewohnheiten beiseitezuschieben. Sie griff nach dem Bierglas und nahm einige herbe Schlucke, als sie aus dem Augenwinkel sah, wie Menschen auf das Podest am anderen Raumende stiegen. Interessiert drehte sie sich in deren Richtung und erkannte, wie sie die Instrumente ergriffen und sich auf ihren Auftritt vorbereiteten. Einige Gäste johlten begeistert und riefen den Musikern etwas zu. Die Stimmung wurde augenblicklich ausgelassener. Dann erklangen die ersten Töne und Gitarrenakkorde füllten die Luft. Die rhythmischen Klänge nahmen an Fahrt auf und die Menge begann sich im Takt zu bewegen. Einige Leute klatschten mit und ließen sich vollkommen von der Musik mitreißen. Als der Sänger beschwingt zu singen anfing, sprühte er vor Lebensfreude und positiver Energie. Es war genau das, was Melissa jetzt so bitternötig brauchte. Die ersten Leute erhoben sich, um ausgelassen zu tanzen. Melissa bekam kaum mit, wie sie die Musiker und Tänzer fasziniert anstarrte, und sie selbst sich im Rhythmus mitzubewegen begann.

Als sie sich wieder Nicolas zuwandte, war sein Platz leer. Von ihr unbemerkt hatte er sich erhoben und seine elegante Gestalt stand jetzt genau neben ihr und blickte sie lächelnd an, ihr eine Hand einladend entgegenhaltend.

»Möchtest du vielleicht tanzen?«

Seine plötzliche Nähe traf sie völlig unvorbereitet. Entgeistert starrte sie auf seine schlanke Hand, dann in sein engelsgleiches Gesicht. So bedrohlich und düster Nicolas wirken konnte, in diesem Moment war davon nichts zu erkennen – im Gegenteil, es schien regelrecht ein Strahlen von ihm auszugehen. Wie hypnotisiert ergriff Melissa seine Hand und seine Körperwärme schickte ein Kribbeln in ihre Fingerspitzen, das sich bis in ihren Arm ausbreitete. Er zog sie mit einem breiten Lächeln hoch und zu den anderen Tanzenden. Bevor Melissa begreifen konnte, was sie tat, spürte sie, wie er eine Hand auf ihre Taille legte und seine andere die ihre festumschlungen hielt. Sogleich begann er sie im Rhythmus der Musik herumzuwirbeln und Melissa schnappte überrascht nach Luft. Nicolas war ein begnadeter Tänzer und seine sonstigen anmutigen Bewegungen nur ein schaler Vorgeschmack von seinem Talent auf der Tanzfläche.

Sie konnte nicht glauben, wie leicht und geschmeidig er sich bewegte, als wäre er Teil der Musik selbst. Ein Song folgte dem anderen und sie ließ sich von ihm führen, verlor sich in den rhythmischen Bewegungen und in den Melodien. Ihr helles Kleid wehte herum und ihre Haare flogen wild umher und klebten ihr feucht im erhitzten Gesicht. Sie keuchte vor Anstrengung und Freude. Nicolas lenkte sie immer wieder in eine neue Richtung, bis sie alles um sich herum vergaß und sich dem Moment vollkommen hingab. Die Anspannungen der letzten Stunde und Tage vergessend, wiegte Melissa sich im Tanz und fühlte sich wie in einer anderen Welt.

Die Musik wurde immer lauter, die Lichter immer heller und die Menschen um sie herum verschwammen zu einem einzigen Farbenmeer. Nicolas' Hände auf ihrem Körper fühlten sich warm und vertraut an, als ob sie ihn schon ewig kennen würde.

Dann begann ein ruhigeres langsameres Lied, und die Gitarre schickte sanfte zarte Akkorde durch den Raum. Der Sänger summte eine gefühlvolle Melodie und die Tänzer fanden zu gemäßigteren Bewegungen. Nicolas zog Melissa an sich heran, nur leicht wiegend, und sie spürte die Hitze, die zwischen ihnen brannte. Seine weit geöffneten Augen waren fest auf ihr Gesicht gerichtet und Überraschung sprach aus ihnen. Hypnotisiert starrte sie in dieses hellgrüne Funkeln und schlagartig war sie sich seiner Nähe erschreckend bewusst. Sein Geruch, die Hitze seines schlanken Körpers, der sie beinahe berührte, seine Finger mit ihren eigenen verwoben. Seine sanften Berührungen ließen jede Faser ihres Körpers vibrieren.

»Hast du wieder Angst vor mir?«

»Ich ... äh ... nein, warum?«, keuchte sie. Angestrengt versuchte sie, unbeeindruckt zu wirken, und war sich gleichzeitig bewusst, wie sinnlos dieser Versuch war.

»Weil ich mich dann frage, warum dein Herzschlag gerade jetzt, wo es ruhiger wird, so intensiv beschleunigt.«

Melissa spürte, wie ihr das Blut in die sowieso schon erhitzten Wangen schoss. Schwer atmend senkte sie die Lider, um Nicolas Blick zu entgehen. Doch dieser legte einen Finger unter ihr Kinn, und drückte es leicht nach oben, sodass sie den Kopf hob. Etwas in ihr wollte fliehen. Doch sie konnte sich kaum rühren. Sein Blick hielt sie gefangen, sein Gesicht war so nah, sein warmer Atem streichelte ihre Lippen. Sie spürte, wie ihr Körper leicht zitterte, ihre Beine drohten unter ihr nachzugeben. Der Druck seiner Hand auf ihrer Taille verstärkte sich, zog sie näher an ihn, sodass ihr Körper nun den seinen berührte. Stromstöße jagten durch sie hindurch. Er war so fucking nah.

»Hab ich dir schon gesagt, wie gut dir rote Wangen stehen?«

Seine geschwungenen, leicht geöffneten Lippen lächelten sanft, einladend, wenige Zentimeter von ihren entfernt. Warum nur sah er so betörend gut aus, mit seinem perfekt geschnittenen Gesicht, seinen Augen, die zu glühen schienen, die makellose helle Haut unter den dunklen Haaren. Übermenschlich. Anziehend. Ein Kreisel begann sich in ihrem Kopf zu drehen, immer schneller. Sie hielt sich fester an Nicolas, um nicht zu fallen.

Sie schloss die Augen.

Doch, sie wollte fallen, sich fallen lassen. Geschehen lassen, was geschah.

 Geschehen lassen, was geschah

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♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt