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Als sie das Hotel verließen, war die Nacht bereits hereingebrochen. Sie erreichten ihr Ziel nach einem kurzen Fußweg. Nicolas führte sie zu einem Gebäude, dass gerade mal eine Straßenecke vom Hotel entfernt war. Es war in traditioneller Steinarchitektur erbaut und große Fenster mit breiten Fensterbänken ließen warmes, einladendes Licht auf die Straße fließen. Über dem Eingang hingen große rote Buchstaben, die den Namen RED DRAGON präsentierten.

»Ein Pub?« Melissa stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Sie war erleichtert, in keinem steifen Sterne-Restaurant ausharren zu müssen. Dieser Laden sah ein Vielfaches einladender aus, als alles, was sie sich an Luxuseinrichtungen vorstellen konnte. Er schien gut besucht zu sein und ausgelassene Menschen gingen ein und aus. Aus seinem Inneren erklang fröhliches Stimmengewirr.

»Gefällt es dir?«, fragte Nicolas.

Melissa bezweifelte, dass er ernsthaft an ihrer Meinung interessiert war, aber sie nickte dennoch höflich.

»Ich dachte, das hier würde am besten zu deiner eigenwilligen Schuhwahl passen.«

Melissa blickte auf ihre Füße, an denen sich noch immer Lias Geschenk befand. Ungerührt zuckte sie mit den Schultern. Ihrem Fuß ging es mittlerweile viel besser und sie hatte den ganzen Nachmittag nicht an ihre Verletzung denken müssen. Das wäre in festen Schuhen nicht möglich gewesen. Oder gar in hochhackigen Stiefeln. Es scherte sie nicht, was Nicolas über ihre Wahl dachte, sie war froh, überhaupt so problemlos gehen zu können. In zwei oder drei Tagen hätte sie genug Gelegenheit, ihre neuen Stiefel – sie hatte absolut nichts ausgelassen bei ihrem Einkaufstrip – ausführen zu können.

»In einem Pub laufen so oft schräge Vögel herum, dass du gar nicht groß auffallen wirst.« Nicolas ließ seine Augen von ihren Füßen hoch über ihre gesamte Erscheinung gleiten und fuhr dann fort: »Zumindest nicht wegen deiner Schuhe.« Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und machte einem angespanntem Ausdruck Platz.

Was sollte das heißen? Benahm sie sich auffällig? War er mit ihrem Mantel nicht einverstanden? Das sollte nicht ihre Sorge sein, ihr gefiel das Kleidungsstück ausgesprochen gut. Außerdem war es seine Idee gewesen, auszugehen, jetzt musste er damit klarkommen, dass sie ihren eigenen Stil hatte und nicht länger in Taras Designerkleidung herumlief.

»Danke für deine Fürsorge«, antwortete sie etwas zu bissig. »Wollen wir auch reingehen, oder nur von außen gucken?«

»Nach dir«, antwortete Nicolas knapp und deutete mit einer eleganten Handbewegung an, dass er ihr den Vortritt lassen würde. Melissa ging auf die Eingangstür aus schwerem dunklen Holz zu und ergriff die geschwungene Klinke. Als sie die Türe öffnen wollte, schwang diese mit Wucht auf und zwei Männer traten eilig hinaus. Von ihrer Anwesenheit überrascht, stieß der größere der beiden Melissa an die Schulter und sie stolperte. Augenblicklich spürte sie eine kräftige Hand in ihrem Rücken, die verhinderte, dass sie nach hinten fiel und ein eigenartiges Prickeln auf ihrer Haut entstehen ließ.

»'Tschuldigung« nuschelte der Mann direkt neben ihrer Wange und grinste sie überhaupt nicht reumütig an. Melissa blickte in sein rot aufgequollenes Gesicht und konnte seinen Whiskey-Atem riechen. Kaum eine Sekunde später waren beide Männer an ihr vorbei. Da die Tür nun frei war, wollte sie eintreten, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte und sie zurückhielt.

»Warte einen Moment«, knurrte Nicolas und schon war er und die Hand verschwunden. Verwirrt drehte Melissa sich um und sah, wie Nicolas den Mann, der sie angestoßen hatte, nun am Hals gepackt hielt und abseits der Fenster gegen die Steinwand presste. Dunkle Schatten lagen über den beiden und Melissa konnte nur undeutlich erkennen, was sich abspielte. Aber sie brauchte keine bessere Beleuchtung um Nicolas kalte Wut zu wahrzunehmen. Sie konnte sie beinahe körperlich spüren. Alle Nackenhärchen stellten sich ihr auf. Was war in ihn gefahren?

♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt