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»Was können wir tun?«, fragte sie verzweifelt.

Der junge Vampir musterte sie nachdenklich und tippte dabei immer wieder seine Fingerspitzen gegeneinander, bevor plötzlich seine Mundwinkel nach oben zuckten. »Jetzt«, genüsslich zog er das Wort in die Länge und richtete sich gerade auf, »besinnen wir uns auf die altmodischen Methoden.«

Melissa runzelte die Stirn. »Was meinst du? Soll ich ihm ein Telegramm schicken? Vielleicht indem ich eine Nachricht auf meinen Arm einritze, in der Hoffnung, dass diese als rote Streifen auf seinem erscheint und er sie liest? Und dann kann er mit seiner Adresse antworten?«

»Kreativer Einfall, wenn auch etwas makaber. Aber ich hatte an etwas weniger Blutiges gedacht.«

»Und das wäre?« Sie hatte absolut keine Ahnung, worauf Adam hinauswollte.

»Versuchen wir es anstatt mit Marlons Magie doch einmal mit dem Zauber der Mathematik.«

Melissa glaubte sich verhört zu haben. Jetzt musste er völlig verrückt geworden sein.

»Was hast du vor? Nicolas' Koordinaten anhand seines Sternzeichens ausrechnen?«

»Der Ansatz ist gut. Aber eventuell sollten wir uns an sinnvollere Daten halten. Nehmen wir doch die Informationen, die wir haben, und arbeiten mit denen.«

»Und was haben wir? Außer, dass er sich irgendwo in einem bestimmten Umkreis, dessen Größe wir nicht einmal genau wissen, um mich herum aufhalten muss? Ist nicht gerade sehr konkret.« Aber bereits während sie die Worte sprach, bekam sie eine erste Idee davon, worauf Adam hinauswollte.

»Genau. Oder andersherum betrachtet, hältst du dich in einem festgelegten Umkreis um ihn herum auf. Wenn du dich also weitestmöglich von ihm entfernen und diese Grenze entlang gehen würdest, dann müsstest du einen Kreis um ihn ziehen. Zugegebenermaßen einen ziemlich großen Kreis.« Und endlich wurde ihr klar, worauf Adam hinaus wollte. Warum waren sie nicht eher darauf gekommen?

»Und genau in der Mitte finden wir Nicolas«, beendete Melissa die Überlegung. Es war eine reine Frage der Geometrie. Und wenn es Nicolas nicht gut ginge, so wäre es unwahrscheinlich, dass er seinen Aufenthaltsort noch veränderte. »Adam, deine Idee ist genial! Wir werden ihn aufspüren.« Erleichtert fiel sie dem Vampir um den Hals. Zum ersten Mal seit Tagen verspürte sie wieder eine Zuversicht, dass sich alles zum Guten wenden konnte, und eine vorsichtige Hoffnung breitete sich in ihr aus.

Adam erwiderte die Umarmung und diesmal blieb Melissa absolut gelassen, trotz der Nähe des Vampirs. Er stellte keine Bedrohung für sie da und langsam verstand das auch ihr Körper.

»Allerdings ...« Behutsam löste Adam sich aus Melissas Armen und lächelte sie entschuldigend an, »habe ich keine Ahnung mehr, wie man so einen Mittelpunkt berechnet. Aber ich bin sicher, das kann man nachsehen.« Obwohl seine Worte zuversichtlich klangen, machte er einen wenig überzeugenden Eindruck. Doch das verunsicherte Melissa nicht.

»Kein Problem. Ich habe Mathe in der Schule geliebt. Knifflige Aufgaben zu knacken war wesentlich unterhaltsamer als jedes Kreuzworträtsel. Und ein Mittelpunkt wird nicht berechnet, sondern konstruiert.«

Adam sah sie an, als hätte sie sich in einen Alien verwandelt. Skeptisch hob er die Augenbrauen. »Und du kannst uns diesen Punkt konstruieren?«

»Ja. Also ... ich bräuchte dafür noch ein paar Sachen. Zunächst einmal einen Plan von der Gegend, in dem wir den Umkreis um Nicolas einzeichnen können. Und dann müsste ich testen, wo genau die Grenze ist, an der ich nicht weiterkomme. Also wo sich der größtmögliche Abstand zu Nicolas sich befindet. Von dieser Grenze brauche ich dann drei verschiedene Punkte und ...«

»Alles klar. Einigen wir uns darauf, dass du weißt, was du tust und ich stehe dir zur Seite, wann immer du Unterstützung benötigst. Eine Karte habe ich tatsächlich schon an einer Tankstelle gekauft. Und sogar einen Laden mit Zirkel, Geodreieck, Lineal und Bleistifte habe ich gefunden. Ich war mir nicht sicher, was von dem Zeug wir brauchen werden, also habe ich einfach alles eingepackt.«

»Du hattest diese Idee schon bei deiner Herfahrt?«

»Naja, nicht ganz so konkret. Ich hätte gedacht, wir müssten noch jemanden finden, der sich damit auskennt. Das scheinst ja nun du zu sein.« Nur wenige Sekunden verließ Adam den Raum und kam mit einer gefüllten Plastiktüte zurück. Er zog einen Stadtplan hervor und breitete diesen vor Melissa aus. »Also, wie fangen wir an?«

»Ich fürchte, noch gar nicht. Zuerst müssen wir einen ziemlich ausgiebigen Spaziergang machen, bis ich die magische Barriere erreicht habe.«

»Wir könnten den Wagen nehmen, den ich mir von Tara ausgeliehen habe.«

»Du hast ihr das Auto gestohlen?« Melissa wollte es sich nicht eingestehen, aber fast beeindruckte diese Aktion sie. Es musste Adam schon eine gute Portion Mut abverlangt haben, die Vampirin derart zu hintergehen. Zumal er sicher kaum Interesse daran hatte, ihre Wut auf sich zu ziehen, wenn man bedachte, wie er zu ihr stand. Dennoch war er dieses Risiko eingegangen. Er musste ernsthaft davon überzeugt sein, dass Nicolas Fortgang keine freiwillige Entscheidung gewesen war.

»Ich habe es nicht gestohlen. Ich ... bringe es nur zurück. Sie hat es von Maurice ausgeliehen.«

»Aber gesagt hast du es ihr nicht«, stellte Melissa trocken fest.

»Nein. Ich habe versucht ihr zu erklären, dass an der ganzen Sache etwas faul sein muss. Dass Nicolas nie gegangen wäre, ohne meine Ernährung und Amias und deine Sicherheit gewährleisten zu können. Doch sie meinte nur, es wäre nicht das erste Mal, dass er wichtige Dinge übersieht, wenn seine Gedanken sich vorwiegend um eine Frau drehen.« Melissa musste schlucken. Glaubte Tara wirklich, dass ihr Einfluss auf Nicolas genauso schlecht war, wie einst der von Kari? Andererseits hatte er seine Familie bereits einmal im Stich gelassen, nur um für sie da zu sein. »Allerdings muss ich zugeben, dass sie recht verunsichert wirkte. Sie weiß im Augenblick selbst nicht, was sie tun soll. Einerseits macht sie sich große Sorgen um Nicolas, andererseits will sie Amia und mich unbedingt in Sicherheit wissen.«

Das wiederum konnte Melissa nachvollziehen. Fast tat Tara ihr leid. Wie es ihr wohl ergehen würde, wenn sie feststellte, dass auch Adam verschwunden war?

»Glaubst du, wir sollten sie einweihen über den Striemen auf meinen Hals?«, fragte Melissa zögernd.

Adam schüttelte den Kopf. »Nein, sie könnte Amia ohnehin nicht alleine lassen, gerade in einer solchen Situation nicht. Sie würde sich nur unnötig verrückt machen. Lass uns die Sache hinter uns bringen und dann erklären wir ihr alles.«

Sie würden sich später bei der Vampirin entschuldigen müssen.

»Das mit dem Auto ist übrigens nett gemeint, aber da ich keine Ahnung habe, wie weit ich mich fortbewegen kann, ohne an einer magischen Mauer zu zerschellen, werden wir es zu Fuß schaffen müssen.«


♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt