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Nur ein gedämpfter Aufprall war zu vernehmen, als ein Körper auf den weichen Waldboden fiel, gefolgt von Lias gurgelndem Röcheln. Melissa betete, dass es Lia war, die dort am Boden lag, aber tief in ihrem Inneren kannte sie die Wahrheit.

»Adam?«, fragte sie dennoch schwer atmend in die Dunkelheit hinein.

»Selbst jetzt noch fragst du nach IHM?« Lias Stimme klang kratzig und ungewohnt hoch. Zum ersten Mal verriet sie deutliche Panik.

Melissa verwunderte es nicht. Adams Biss, sein unnachgiebiger Griff und die Unausweichlichkeit der Situation hatten sich tief in ihr Gedächtnis eingebrannt. Und das grauenhafte Entsetzen, sowie der Gewissheit, den messerscharfen Zähnen in ihrer Kehle nicht mehr entkommen zu können, vermischt mit dem Gefühl zu ersticken. Eindeutig hatte Lia den Biss eines vor Wut außer Kontrolle geratenden Vampirs unterschätzt. Diese Erkenntnis bereitete Melissa einen Funken Genugtuung. Doch sie verpuffte sofort, als ihr klar wurde, dass Adam ihr nicht antworten würde. Hektisch begann sie, sich nach dem kaum noch auszumachenden Umriss am Boden zu bücken. Sie erwischte etwas, das sich wie ein Arm anfühlte, und rüttelte daran, aber der Körper rührte sich nicht.

»Er attackiert mich, und du machst dir Sorgen um den Blutsauger?«, stieß Lia wieder hervor.

»Du hast das alles geplant. Seitdem du wusstest, dass er mit mir herkommmt. Du hast all die Sachen gesagt, damit er die Kontrolle verliert. IHN wolltest du nie überzeugen, nur dass er dich anfällt.«

»Was redest du da für einen Schwachsinn? Kein Mensch auf dieser Welt lässt sich freiwillig von einem Vampir angreifen.« Noch immer keuchte Lia hektisch und der Schock war sicher nicht gespielt.

»Warum sonst hättest du das Medikament einnehmen sollen?«

»Es war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Weil ich wusste, wozu Vampire fähig sind. Weil es das ist, was sie tun. Aber welcher Mensch würde sich diesem Horror freiwillig aussetzen?«

»Ein wahnsinniger.« Es gab nichts, keine einzige Sache auf dieser Welt, die Lia zur Vernunft bringen würde. Niemals. Das so unschuldig wirkende Mädchen würde seinen Plan mit allen Mitteln weiterverfolgen, ohne Rücksicht auf Verluste. Ohne Rücksicht auf das Leben von Menschen oder Vampire.

Marlon hatte sie bereits geopfert, selbst wenn dieser noch atmete, standen seine Chancen mehr als schlecht.

»Geh' nach Hause, Melissa. Und vergiss die Vampire. Ich werde mich hier um alles Weitere kümmern. Geh' einfach.«

Lia würde auch nicht davor zurückschrecken, Adam zu beseitigen. Für immer. Und Nicolas.

»Nein.« Melissa rührte sich keinen Millimeter. Sie würde keinen der beiden hier zurücklassen.

Einige Sekunden war nur Lias abgehacktes Keuchen zu hören, bevor sie ausspie: »Dann fahr doch mit diesen Bestien zur Hölle!«

Die Teufelin wäre auch bereit, ihr das Leben zu nehmen – eine Erkenntnis, die Melissa merkwürdig unbeeindruckt ließ.

Mit einem unerwartetem Satz sprang das blonde Giftbündel auf sie zu und stieß sie rücklings zu Boden. Brutal schlug Melissa mit dem Hinterkopf auf etwas Hartes und tauchte einen gnädigen Moment in einen Nebel aus Vergessen und Frieden. Doch schnell lichtete sich dieser Nebel wieder und machte einem schreienden Schmerz in ihrem Kopf Platz, begleitet von einem grellen Klirren. Immer wieder trafen Lias kleine Fäuste in ihr Gesicht, schmerzhaft, aber ohne größeren Schaden anzurichten. Angestrengt versuchte sie, das kleinere Mädchen von sich zu drücken, welches rittlings auf ihr saß und sie auf die primitivste Weise bekämpfte. Wäre ihr nicht unsagbar übel und würde ihr Kopf nicht drohen, zu zerspringen, hätte sie laut auflachen müssen. Lia kämpfte wie ein kleines Mädchen. Den Boxkurs hatte diese offensichtlich zugunsten des Schauspielunterrichts ausfallen lassen. Eindeutig hatte es zu Lias Plan gehört, Melissa von der Notwendigkeit der Vernichtung der Vampire zu überzeugen. Mit Worten, eventuell mit Magie, aber auf keinen Fall mit Fäusten.

♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt