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»Wie alt bist du eigentlich?«

Überrascht drehte Nicolas den Kopf nach hinten, um Melissa genau anzusehen. Diese krallte sich augenblicklich an den Griff der Innenseite der Wagentür. Das konnte nicht gut gehen. Selbst ein Vampir mit übernatürlichen Instinkten war doch mit Sicherheit darauf angewiesen, auf die Straße zu sehen, wenn er schlangenartige Küstenstraßen mit quietschenden Reifen entlangbretterte.

Offenbar war das nicht der Fall und Nicolas behielt die Kontrolle über den Wagen, bis er mit einem amüsierten Grinsen im Gesicht den Kopf wieder Richtung Fahrbahn wendete. »Du kannst ja sprechen. Mit mir. Und das ganz ohne Beschimpfungen. Es geschehen doch noch Wunder.« Da war er wieder, der Mistkerl, den sie kennengelernt hatte.

»Und du kannst genauso ekelig sein, wie eh und je. Ein Wunder ist wohl eher, wie du deinen Aufenthalt bei Josephina so anständig über die Bühne gebracht hast.«

»Och, das musste sein. Immerhin hatte ich Marlon und Adam versprochen, mich zu benehmen – Und ich habe es dir bereits gesagt, ich halte meine Versprechen.« Nicolas tiefe Stimme füllte den Innenraum des Wagens und versuchte Melissa unter die Haut zu kriechen. Aber darauf würde sie nicht reinfallen. Seinen Vampircharme konnte er sich sonst wo hinstecken.

»Das war mit Sicherheit die Bedingung, damit Josephina dich überhaupt in ihrem Haus duldet.«

»Nun, dulden ist fast übertrieben. Aber ja, das war die Bedingung. Und das, obwohl die alte Dame so reizend sein kann.«

Melissa lachte laut auf und überraschte sich selbst am meisten damit. »Ich fand sie ausgesprochen entgegenkommend.« Zugegeben, das war nicht ganz fair Adam gegenüber, den Josephinas abfällige Behandlung genauso getroffen hatte, wie Nicolas. Aber Melissa konnte darauf gerade keine Rücksicht nehmen. Sie hatte eine Schlacht zu gewinnen. Oder sowas Ähnliches. In Wahrheit hatte sie keine Ahnung, was sie hier tat. Sie hoffte inständig, Adam, der dem Gespräch vom Beifahrersitz interessiert folgte, möge ihr verzeihen.

»Du kannst also umgänglich sein, wenn du das willst.« Hatte sie das gerade tatsächlich laut gesagt? Autsch, Melissa biss sich fest auf die Zunge. Nicolas Anwesenheit, zumal auf so engen Raum wie in einem Wagen, machte sie noch immer nervös. Aber war es wirklich die beste Taktik, ihn zu provozieren, um das zu überspielen? Es war kaum mehr als einige Stunden her, da wollte er ihr an den Hals. Im wörtlichsten Sinne. Und sie wäre niemals alleine in der Lage, das zu verhindern.

»Sagen wir, ich weiß, was ich tun muss, um zu bekommen, was ich will.« Melissa konnte Nicolas im Rückspiegel selbstzufrieden grinsen sehen. Aus ihr unverständlichen Gründen fiel es ihr leichter, mit ihm zu reden, wenn sie sich nicht direkt ansehen konnten.

»Und?«, fragte Melissa knapp.

»Was und?«

»Wie alt bist du wirklich?« Melissa klang mutiger, als sie sich fühlte.

»Sieht man mir meine 23 Jahre nicht an?« Nicolas tiefe Stimme schnurrte jetzt fast. Er hatte eindeutig seinen Spaß an der Situation.

»Ich glaube dir kein Wort.«

»Du möchtest doch nicht etwa wissen, wie lange ich schon 23 bin?«

»So kann man es natürlich auch ausdrücken.«

Erneut drehte Nicolas seelenruhig den Kopf zu ihr um, inmitten einer schmalen Kurve. Sie hätte doch den Platz direkt hinter ihm wählen sollen. Mist, jetzt kam ihnen auch noch ein Auto entgegen. Reflexartig kniff Melissa die Augen zusammen und klammerte sich an dem Türgriff. Nicolas lachte leise.

»Ich wurde vor 158 Jahren zu einem Vampir.«

Der Gegenverkehr brauste an ihnen vorbei und Melissa atmete erleichtert aus.

♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt