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»Weißt du, was das bedeutet, Lia?«, fragte Melissa besorgt.

»Du meinst, ich habe mit dem falschen Vampir begonnen? Glaubst du, ich hätte zuerst Adam aus dem Weg räumen sollen? Adam, der immer so harmlos wirkte und alle glauben ließ, er könne niemandem etwas antun. Nur, dass er meine Schwester umgebracht hat, das hat er vergessen zu erwähnen.«

»Nein, du begreifst nicht. Nicolas ist unschuldig. Und auch Adam wollte Claire nur helfen. Lia, Vampire sind keine Monster! Du hast dich getäuscht. Ich bin froh, dass du mir deine Geschichte erzählt hast, so kann ich endlich verstehen, wie du darauf gekommen bist. Aber nun wissen wir, was geschehen ist. Jetzt müssen wir Nicolas befreien. Bitte, bring mich zu ihm!«

Das Mädchen lachte laut, aber ohne jede Spur von Heiterkeit. »Du bist drollig. Du wirst nie den Glauben an das Gute in diesen Blutsaugern verlieren, oder? Adam hat meine Schwester getötet. Er hat sie wehrlos vorgefunden, und anstatt ihr zu helfen, hat er seine Chance genutzt und von ihr getrunken. So wie Nicolas es mit dir gemacht hat. Denn das ist es, was Vampire tun. Sie trinken unser Blut, bis wir sterben! Und bis dahin versuchen sie, uns in Sicherheit zu wiegen. Sag mir ehrlich, Melissa, hast du nie Angst gehabt vor Nicolas? Oder sogar vor Adam? Hat dich nie einer von ihnen bedroht oder gebissen, ohne dich vorher um Erlaubnis zu fragen? Niemals?«

Melissa schwieg. Sie konnte diese Frage nicht ehrlich beantworten und Lia gleichzeitig begreiflich mach, wie diese Situationen zustande gekommen waren. Dass die Vampire keine Schuld trugen.

»Dachte ich es mir.« Kein Triumph lag in Lias Stimme, nur Bitterkeit. »Und dennoch stehst du bedingungslos hinter ihnen. Du bist das beste Beispiel dafür, wie manipulativ sie sind. Melissa, geh' nach Hause. Du hast hier nichts mehr verloren. Seh' zu, dass du soviel Abstand zu diesen Monstern nimmst, wie es dir möglich ist.«

»LIA!«, schrie Melissa jetzt. »Sie sind unschuldig. Sie alle! Keiner von ihnen hat etwas getan. Du musst uns sagen, wo Nicolas ist.«

»Unschuldig? Es sind alles Monster, gefährliche Bestien, einer wie der andere. Ihre Natur macht sie dazu. Ich werde nicht zulassen, dass jemand Nicolas befreit. Im Gegenteil, ich werde auch die anderen unschädlich machen. Niemand soll jemals wieder das durchmachen müssen, was Claire erlebt hat.«

So lange hatte sie den Gedanken daran unterdrückt, was Nicolas in diesem Moment erleidete und wie stark er verletzt war, doch jetzt breitete sich Panik in Melissa aus. Lia hatte nie vorgehabt, ihr Nicolas' Versteck zu verraten. Das Mädchen war derart verblendet von ihrem Hass auf die Vampire, dass sie nicht mehr klar sehen konnte und die Tatsachen solange verdrehte, bis sie zu ihrem wirren Weltbild passten.

»Ich sehe nur ein Monster hier«, zischte Melissa ihre ehemalige Freundin an, »und das ist bereit, unschuldige Wesen zu quälen.«

»Du glaubst, ihm den Hals aufzuschlitzen ist eine ungerechtfertigte Maßnahme? Du hast keine Ahnung, wie es sich anfühlt, wenn einem brutal jemand entrissen wird, den man liebt. Aber du hast recht. Es war ein Fehler, was ich mit Nicolas gemacht habe. Er lebt und es besteht jederzeit die Möglichkeit, ihn zurückzubringen. Ich hätte ihn gleich im Meer versenken sollen, damit er nie wieder gefunden wird.«

Melissa stockte der Atem. Das war es, was Lia am liebsten getan hätte? Ihre Beine wurden weich bei dem Gedanke daran, dass Lia diesen Plan tatsächlich hätte ausführen können.

»Nur wegen Sarah ist er noch nicht bei den Fischen«, sprach Lia weiter. »Weil sie Angst hatte, ihre Mutter müsste dafür bezahlen, falls Helena noch lebt und herauskäme, dass wir Nicolas unwiederbringlich beseitigt hätten. Deswegen haben wir ihn hierher gebracht, in der Hoffnung, dass ihn niemand ausfindig macht und alle annehmen, er ist freiwillig untergetaucht. Ein Fehler, den ich korrigieren werde.«

♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt