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Wie betäubt stand Melissa vor ihrem Kleiderschrank in ihrer Hütte und konnte nicht entscheiden, was sie einpacken sollte oder wie viel, hatte sie doch keine Ahnung, wie lange ihre Reise dauern würde.
Als es klopfte, hielt sie gerade einen Stapel Hosen in der Hand und überlegte, ob sie einfach alles, was sie besaß, in eine große Tasche stopfen sollte.

Lia steckte den Kopf zögernd durch die Tür. »Hallo. Brauchst du Hilfe?«

»Komm rein. Nein ... ja ... ich weiß nicht. Was packt man für eine derartige Flucht? Meinst du, ich brauche mehr als drei Blusen? Gummistiefel? Etwas Festliches?« Melissa lachte verzweifelt auf.

»Ach Süße ...!« Von Lias sonst so lebendiger Art war wenig übrig und ohne etwas Weiteres zu sagen, nahm sie den Stapel Kleidung aus Melissas Händen und drückte diese so fest sie konnte. »Ich werde dich wahnsinnig vermissen. Ich hoffe, dieser Ortswechsel ist nicht für lange und das ganze Chaos in unser aller Leben löst sich bald auf.« Traurig sah sie Melissa an. Sie konnte nicht verbergen, dass sie selbst nicht so recht an dieses Szenarium glauben konnte. Doch dann straffte sie die Schultern und brachte ein klägliches Lächeln zustande. »Ist ja nicht für immer!« Ohne um Erlaubnis zu fragen, griff sie in Melissas Kleiderschrank und zog einige Teile hervor. »Hier, dieses solltest du unbedingt mitnehmen. Ein prima Outfit um in einem netten Café zu brunchen. Nur weil ihr woanders wohnen werden, heißt es nicht, dass du dein Leben nicht mehr genießen darfst. Aber versprich mir, dass du hin und wieder an mich denkst. Und wenn du wieder hier bist, hast du mir viele neue Geschichten zu erzählen, die du mit deinem wundervollen Vampir erlebt hast. Und bis dahin isst du jeden Tag ein Croissant für mich mit, versprochen?«

Melissa stutzte, nickte aber.

»Was? Magst du keine Croissants mehr?«

»Äh ... doch. Das ist es nicht ...«

»Sondern?«, fragend sah Lia sie an.

»Du hast Nicolas gerade wundervoll genannt ...«

Jetzt lächelte Lia breit. »Nun, ja, das habe ich wohl. Ich beginne zu verstehen, was du an ihm findest.«

Irritiert zog Melissa die Augenbrauen zusammen.

»Nein, nicht so!« Lia schmunzelte. »Aber es hat mich doch sehr beeindruckt, wie wichtig ihm die Sicherheit der Menschen ist, die ihm nahestehen – oder der Vampire. Und dafür ist er bereit, Opfer zu bringen. Und er kümmert sich. Mittlerweile glaube ich wirklich, dass er keine Gefahr für dich birgt. Er wird auf dich aufpassen. Und dafür bin ich gewillt, ihn nicht ausnahmslos als arrogant und überheblich zu betrachten.«

Gelöst lachte Melissa auf. »Ich verstehe, was du meinst. Nicolas kann schon hin und wieder etwas provokant sein.«

»Etwas, ja.« Lia dehnte ihre Worte übertrieben lang, fiel aber in das Lachen mit ein. »Ich will doch nur, dass es dir gut geht!«

Melissas Inneres vibrierte sanft bei diesen Worten. Und zog sich dann umgehend zusammen. Seit sie der Zauber in dieses unglaubliche andere Leben hineingerissen hatte, hatte sie Lia wirklich gern gewonnen. Und kaum, dass sie sich soweit angenähert hatten, dass sie sich vertrauten und einander Zuneigung entgegenbrachten, wurden Lia wieder aus ihrem Leben gerissen. Und obwohl das blonde Mädchen noch neben ihr stand, vermisste Melissa sie bereits jetzt schmerzhaft.
Es war nur eine Frage der Zeit, wann die anderen nicht mehr Teil von ihrem Leben sein würden.

Wann Nicolas es nicht mehr sein würde.

Ihre Augen brannten und sie wendete den Blick ab, als es zaghaft an der Tür klopfte. Mit belegter Stimme presse sie ein »Herein« hervor.

Amia öffnete die Tür und trat zögernd ein. Ganz offensichtlich hatte sie eine Frage auf der Seele, doch als wolle sie nicht stören, bewegten sich nur leicht ihre Lippen, ohne dass ein Wort hervorkam. Das Mädchen hatte sofort begriffen, in welcher Gemütslage sie Melissa überrascht hatte.

♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt