Gebrochenes Herz

Teil 51

Natürlich hat sich Lee nicht wie durch ein Wunder an alles erinnert und wir sind auch nicht wieder zusammen, aber ich denke das war ein guter Anfang. Auch wenn es wehtut, weiß ich jetzt das es wenigstens einen Funken Hoffnung gibt, dass für uns irgendwie alles wieder gut wird. So bin ich dann auch besser gelaunt als sonst zu meinem Großvater nachhause gefahren und zum ersten Mal nach Wochen, saßen wir wieder zusammen am Esstisch und aßen. Ich erzählte ihm was alles passiert war. Alles was ich in den letzten Wochen nicht geschafft hatte zu erzählen und er saß da und hörte mir aufmerksam zu. Am liebsten hätte ich da wieder angefangen zu heulen, weil das bisher keiner aus meiner Familie getan hat.

Mein Grandpa riet mir mich nicht mehr zu stressen und mich weiter auszuruhen. Er sagte, ich solle erst einmal auf mich achten und wenn ich mich bereit dazu fühlte vielleicht mal mit Lee reden. Womöglich könnte ich ihm dann helfen seine Erinnerungen zurückzubekommen.

Wie viel muss ein Mensch wohl ertragen, bis er es nicht mehr aushält?

Ich hatte auch noch einmal mit Lee's Eltern bei seinem Arzt. Er meinte auch nur, dass wir geduldig sein sollten und Lee nicht unter Druck setzen sollten, dass wir es langsam mit ihm angehen sollten. Trotzdem fand er es richtig Lee zurück in die Schule zu schicken, damit er ein wenig Struktur in seinem Leben hat. Medizinisch schien wohl nicht dagegen zu sprechen. Das es mich aber jedes Mal umbringt, wenn er mich mit leeren Augen ansieht spielte dabei leider keine Rolle.

Die Frage, ob Lee sich jemals vollständig an die verlorenen Jahre erinnern würde stand die ganze Zeit unausgesprochen im Raum. Ich glaube keiner traute sich so richtig das zu fragen, aus Angst vor der Antwort.

In der Schule wusste ich auch nicht so recht wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Die anderen hatten es da einfacher. Sie hatten ja schon vor drei Jahren eine Bindung zu ihm. Lee und Oliver waren ja schon seit dem Kindergarten befreundet, daher kannte Lee auch noch Adi und ihre beste Freundin Han. John stieß in der 5. Klasse dazu, als Lee und Oliver auf die Middle School gewechselt hatten. Ich kam dann ja erst in der 9. Klasse dazu. Noch nie in meinem Leben war ich dankbarer für einen Umzug gewesen.

Oliver und Adi erzählten mir, dass sie Lee nicht erzählt hatten wer ich früher mal für ihn war. Der Arzt hatte wohl dazu abgeraten, weil Lee sich womöglich sonst stressen würde sich an mich zu erinnern. Dabei sagte der Arzt aber auch, dass wenn Lee direkt fragen sollte wir ebenso ehrlich antworten sollten.

Aber obwohl Lee nicht wusste wer mich war sah er manchmal mich mit so einem Blick an. Als würde er wissen, dass ich mal irgendwie mal wichtig war oder er mich besser kannte, doch er hatte keine Ahnung wieso. Und in anderen Momenten, wie vor ein paar Tagen auf dem Flur sah er mich wieder wie vor einem Jahr an, voller Liebe und Zuneigung, dass es mir wieder Hoffnung gab. Hoffnung, die oft einen Moment später verschwand, wenn er kopfschüttelnd sich abwendete.

Allerdings befolgte ich auch dem Rat meines Großvaters und achtete besser auf mich. Ich versuchte mich irgendwie aufzubauen, alleine. Alle anderen hatten schließlich gerade mit dem widergekehrten Freund zu tun, was ich total verstand. Würde er sich an mich erinnern, wäre ich auch nur bei ihm und würde alle anderen vergessen. Obwohl meine Freunde fragten oft wie es mir ging, doch sprechen konnten wir nicht wirklich darüber, wenn Lee da war.

Ich ging wieder jeden Tag laufen, begann wieder zu malen und entwickelte auch langsam wieder einen gewissen Appetit, hauptsächlich auf Eton Mess (siehe oben). Keine Ahnung wieso ausgerechnet darauf, aber ich stand gerade total auf das Durcheinander, welches wie ich finde mein Inneres widerspiegelte, naja und auch ein wenig auf die Schlagsahne. Ich finde Schlagsahne toll! Wer braucht schon Schokolade, wenn man Schlagsahne hat?

„Du solltest mal wieder etwas gesundes Essen, das Zeug kann auf Dauer nicht gut sein!" meinte mein Grandpa zu mir, als ich wieder in der Küche stand, um mir zur Belohnung am Nachmittag, nach der Schule, einen Eton Mess zu machen.