Kapitel 12

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,,Wie viel Uhr ist es eigentlich?'' fragte ich Niel. Es fühlte sich schon wie eine halbe Ewigkeit an, die wir dort saßen. Zwischendurch waren wir auch etwas essen oder frische Luft schnappen gegangen. Die Uhr hatte ich überhaupt nicht im Blick.
,,16:12 Uhr'' sagte er, meine Augen weiteten sich. Sechs Stunden waren vergangen?

Mir fiel George wieder ein und dass er etwas mit mir unternehmen wollte, doch er hatte gar keine klare Uhrzeit genannt. Nur, dass es gegen Abend sein sollte. Noch immer hatte ich dem Ganzen ein skeptisches Gefühl gegenüber, aber ich hatte bereits zugesagt.

Langsam fing ich an meine Sachen zusammenzupacken.
,,Du gehst?'' fragte Niel überrascht.
,,Ja tut mir leid, ich hab noch was vor'' entgegnete ich ihm.
,,Oh okay, kein Problem. War ein schöner Tag'' lächelte er mich an. Ich erwiderte sein Lächeln und machte mich auf den Weg ins Zimmer.

Dort angekommen war natürlich mal wieder keine Spur von George zu sehen. Ich legte meine Sachen auf dem Schreibtisch ab und sah einen kleinen Zettel dort liegen.
,,Komm um 18 Uhr in die vierte Etage, warte am großen Fenster'' stand darauf, offensichtlich von George. Was wollte er denn dort? Soweit ich wusste war die vierte Etage ziemlich abgekapselt und mit nur alten Räumen, die als Stauraum dienten beschmückt. Ich war mir nicht einmal sicher, ob wir uns dort aufhalten durften.

Bis zu der besagten Uhrzeit lag ich eigentlich nur im Bett, um mich etwas entspannen zu können. Es war selten, dass ich im Zimmer mal wirklich Ruhe hatte und mich wirklich entspannen konnte, daher nutzte ich jede Gelegenheit aus.

Während ich im Bett lag, schaute ich zu Georges Seite herüber. Zum ersten Mal schien sie halbwegs aufgeräumt zu sein, seine Sachen lagen weder auf dem Boden noch verteilt auf seinem Bett, sondern hingen über seinem Stuhl. Fasziniert darüber schaute ich auf die Uhr, kurz vor 18. Ich stand auf und machte mich auf den Weg in den vierten Stock.

Je mehr Stufen ich die Treppe hinauflief, desto staubiger wurden sie. Als ich letztendlich die vierte Etage erreichte wimmelte es nur von Staub. Ich war mir sicher, dass der vierte Stock definitiv nicht genutzt wurde. So war ich mir auch sicher, dass Schüler sich nicht hier aufhalten durften. Aber natürlich würde es George nicht davon abhalten das zu tun, was er wollte.

Ich stand vor dem großen schrägen Fenster, es war wie ein Dachfenster. Ich drehte mich im Kreis und hielt Ausschau nach George, doch er war nirgends. Plötzlich spürte ich etwas an meiner Schulter hinter mir und schreckte nach vorne, während ich mich umdrehte. Ich konnte nicht glauben, was ich sah.

George schaute auf mich herab, aus dem Fenster. Und wenn ich sagte aus dem Fenster, dann meinte ich, dass er hinausgeklettert war und sich auf dem Dach des Schlosses aufhielt. War er eigentlich total lebensmüde? Wenn er abrutschte war's das für ihn.
,,Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich da hochklettere?'' entgegnete ich ihm fassungslos.
,,Es ist sicher, ich halte mich hier fast jeden Abend auf. Dir passiert nichts, versprochen.''

Seine Worte klangen ernst und vertrauenswürdig, doch es war verdammt dämlich und gefährlich. Er hielt mir seine Hand hin, die ich zögernd anstarrte.
,,Solltest du mich vom Dach stoßen, ziehe ich dich mit'' warnte ich ihn, ehe ich nach seiner Hand griff und er mir half durch das Fenster zu klettern. Er grinste nur vor sich hin. Als sich unsere Hände berührten schoss ein merkwürdiges Gefühl durch meinen Körper.

Als ich auf dem Dach stand wurde mir für einen Augenblick schwindelig, denn es war verdammt hoch. Was kein Wunder war, denn es war ein verdammt altes Schloss.
,,Wir sind lebensmüde...ich bin lebensmüde...du bist lebensmüde...'' stammelte ich vor mich hin, während ich versuchte nicht nach unten zu schauen.
,,Hast du Höhenangst?'' fragte er mich.
,,Ein wenig'' antwortete ich.
,,Naww'' machte er, woraufhin ich ihn mit zusammengekniffenen Augen anstarrte.

,,Willst du meine Hand halten?'' kam es von ihm.
,,Nicht einmal in deinen Träumen'' entgegnete ich ihm, woraufhin er lachte.
,,Hast du vorhin schon'' zwinkerte er mir zu.
,,Erinnere mich nicht daran'' verdrehte ich die Augen, doch konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
,,Hier lang und achte darauf, dass du dich nicht zu nah am Rand befindest.''

Nun saßen wir auf einer etwas größeren Fläche des Daches. Erst jetzt bemerkte ich was für einen schönen Ausblick man von hier aus hatte. Zum Großteil war nur der Wald zu sehen, doch weiter hinten auch Gebäude. Die Sonne ging langsam unter, was den Himmel verfärbte. Ich spürte Georges Blick seitlich auf mir, so trafen sich unsere Augen.


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Niemals auf Dächer klettern! 🙆‍♀️

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