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Nach der Untersuchung half ich Milan seinen Pulli wieder anzuziehen, in dessen langen Ärmeln er sofort seine Hände versteckte.

„Können wir jetzt nach Hause?",fragte er müde.

„Ja, ich pack noch schnell deine Sachen zusammen, dann können wir gehen"

Milan schloss erneut die Augen und kuschelte sich in die Bettdecke, während ich erst seine Kleidung in eine Tasche packte und danach seine anderen Sachen einpackte. Das war eine Sache von nichtmal zwanzig Minuten.
Als ich wieder zu meinem Sohn sah, war er am schlafen und würde man nicht genau hinschauen würde man meinen, er würde ruhig und entspannt schlafen.
Doch das tat er nicht.
Sein Körper war dauerhaft am zittern, was man gut erkennen konnte, wenn man genau hinsah.

Ich ging neben seinem Bett in die Hocke, sodass ich direkt in sein Gesicht sehen konnte und strich sanft über seinen Oberarm.

„Milan, aufwachen ich bin fertig. Wir können jetzt nach Hause"

Langsam und verschlafen öffnete er seine Augen, die einst mal voller so viel Lebensfreude strahlten. Nun waren sie mit Schmerz getränkt und verkörperten nichts weiter außer leere.

„Der Arzt meinte, es wäre vermutlich besser, wenn du heute noch mit dem Rollstuhl fährst, da dein Körper sich erst wieder dran gewöhnen muss stehen zu können"

Milan nickte nur wieder kaum erkennbar als Antwort, woraufhin ich sachte einen Arm unter seine Knie schob und den anderen unter seinen Rücken und ich langsam den zitternden Körper meines Sohnes hoch hob und kurz darauf in den schwarzen Rollstuhl setzte.

Alles in einem waren es nur zwei Taschen die ich tragen musste, was eigentlich ganz gut ging, auch wenn ich den Rollstuhl schieben musste.
Ein letztes mal schaute ich nochmal im Zimmer umher, um zu überprüfen ob wir noch irgendwas vergessen hatten, doch das war nicht so.

Kaum waren wir aus dem Zimmer raus und kamen an ein paar Menschen vorbei zog Milan sofort die Kapuze seines Pullover tief in sein Gesicht, sodass man nur noch einen großen dunklen Schatten in seinem Gesicht sah.
Wieso wollte er sich denn so sehr verstecken?
Ich wollte das nicht einfach so stehen lassen, weshalb ich es sofort ansprach.
„Was ist los Milan, warum versteckst du dich so?"

Er zuckte wieder nur mit den Schultern , nichts weiter.

Traurig seufzte ich und fuhr ihn einfach weiter, bis zum Empfang des Krankenhauses, wo ich noch Milans Entlassungspapiere unterschreiben musste. Nachdem ich das erledigt hatte verließen wir das Gebäude auch schon und machten uns auf den weg zu meinem Auto. Dort angekommen wollte ich Milan wieder hochheben um ihn ins Auto zu tragen, doch meine Bewegungen waren wohl zu plötzlich, weswegen er stark zusammen zuckte und die Hände reflexartig, schützend vor sein Gesicht packte, abgehakt atmete und sich ein wenig weg von mir drehte.

Diese Aktion war irgendwie wie ein schlag ins Gesicht. Zu sehen, was dein eigenes Kind für eine Angst vor dir hat, auch wenn es im Moment vielleicht gar nicht dich gesehen hat, war das Gegenteil von schön. Dass er bei anderen Leuten diese Art von Aussetzern hatte, war mittlerweile klar, aber vor mir? Das war bisher das erste Mal...

„Milan, ich-... es tut mir leid, ich wollte dich nicht so erschrecken! Ich würde dir doch nie etwas tun, das weißt du doch", entschuldigte ich mich.

Milan blinzelte ein paar mal und schien jetzt erst wieder ins hier und jetzt zurück zu kommen. Wahrscheinlich hatte er wieder einen kleinen Flashback, das passiert bei ihm ja nicht selten.

„S-Schon ok. Mir gehts gut, mir gehts gut.", murmelte er den zweiten teil eher zu sich selbst.

„Ich heb dich jetzt hoch, okay? Ich bin ganz vorsichtig", versicherte ich ihm und tat ,nach einer kurzen Zustimmung seinerseits, genau das.
Ich spürte zwar sein leichtes zittern, doch ansonsten hatte er sich wieder beruhigt und schmiegte sich sogar ein wenig an mich, als er in meinen armen war.
Durch den vielen Schlaf- Entzug war es fast so als wäre er dauerhaft im Halbschlaf.

Nachdem ich ihn auf den Beifahrersitz gesetzt hab verstaute ich noch schnell den Rollstuhl im Kofferraum und fuhr dann los. Während der fahrt schlief Milan schon wieder ein und lehnte sich an die Fensterscheibe.

Zuhause angekommen trug ich meinen schlafenden Sohn in sein Bett, deckte ich zu, ging nach unten auf das Sofa und rief Maya an.

„Hey Alex, schön, dass du anrufst, wie gehts dir und Milan?"

„Hi. Mir gehts gut, ich mach mir halt sorgen um Milan... Er kann in der Nacht nicht mehr schlafen, weil er sonst Panik bekommt und wegen dem wenigen schlaf ist er nicht mehr wirklich er selbst, einfach wie eine leere Hülle...", gestand ich ihr meine sorgen.

„Tut mir leid zu hören... Wenn sein Psychologe ihm nicht wirklich zu helfen scheint, solltest du ihm vielleicht einen neuen suchen... Vielleicht geht es ihm aber auch besser, wenn er jetzt zuhause ist und wieder mehr mit seinen Freunden machen kann"

Was man vielleicht noch erwähnen sollte ist, dass Maya auch Psychologin ist. Sie hat mir schon viele gute Räte gegeben hinsichtlich mir selbst aber hauptsächlich Milan.

„Ich hoffe du hast recht, ich will einfach, dass es ihm wieder gut geht"

„ich versteh dich, aber ich denke es geht nicht so schnell. Vielleicht solltest du auch in Erwägung ziehen ihn in eine Psychiatrie zu bringen, wenn es wirklich gar nicht mehr geht. Bevor er sich selbst verletzt oder sich irgendwas antut, ist das die bessere Lösung"

„Ich weiß, aber eigentlich würde ich ihm das gerne ersparen"

„Schau einfach mal, wie er sich die nächsten Tage so entwickelt"

Ich stimmte ihr zu und redete noch einige zeit mit ihr, was mir wirklich gut tat. Es ist schön sich jemandem anvertrauen zu können, ich hoffe Milan wird das auch noch erkennen.

No Way.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt