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Die Stille im Krankenzimmer war so dicht, dass sie fast greifbar schien, nur durchbrochen von dem gleichmäßigen Piepen der Monitore und dem flachen, zögerlichen Atem, der aus dem Bett neben mir kam

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Die Stille im Krankenzimmer war so dicht, dass sie fast greifbar schien, nur durchbrochen von dem gleichmäßigen Piepen der Monitore und dem flachen, zögerlichen Atem, der aus dem Bett neben mir kam. Milans Brust hob und senkte sich, ein Mechanismus des Lebens, das ihn gegen seinen Willen festhielt. Ich wusste nicht, wie lange ich schon hier saß und ihm beim Atmen zusah. Minuten? Stunden? Die Zeit hatte ihre Bedeutung verloren. Alles, was zählte, war dieses fragile Band zwischen ihm und dem Leben, das er versucht hatte zu durchtrennen.

Das Geräusch der Tür, die sich langsam öffnete, riss mich aus meinen düsteren Gedanken. Ich blinzelte und hob den Kopf, gerade rechtzeitig, um Alex hereinkommen zu sehen. Er wirkte erschöpft, sein Gesicht von Sorgen gezeichnet, und in seiner Hand hielt er einen dampfenden Becher Kaffee. Der bittere Duft mischte sich mit dem sterilen Geruch des Krankenhauszimmers.

"Oh, hi Maik", begrüßte er mich mit einem schwachen, müden Lächeln. Es war der Versuch eines normalen Gesprächs, als wäre nichts passiert. Doch der Schmerz, den er in sich trug, schwang in jedem Wort mit. "Schön, dass du hier bist." Sein Blick wanderte kurz zu Tyler, der neben mir stand, und seine Stirn legte sich in Falten.

"Das ist Tyler", erklärte ich hastig. "Ein guter Freund. Er hat mich hergefahren."

Alex nickte und wandte sich dann an Tyler, der seine Hand ausstreckte. "Freut mich, dich kennenzulernen, Tyler", sagte er mit einem angestrengten Lächeln, das nicht ganz seine Augen erreichte. Sie schüttelten kurz die Hände, ein flüchtiger, mechanischer Austausch, der sich seltsam fehl am Platz anfühlte.

Mit einem Seufzen ließ sich Alex auf einen der freien Stühle neben Milans Bett sinken und zog ihn näher heran, als würde er seinem Sohn näher sein wollen, ihn mit bloßer Anwesenheit vor dem Abgrund retten wollen, den er so offensichtlich gesucht hatte. Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee, und die Stille legte sich wieder über uns, schwer und unausweichlich, bis Alex schließlich leise zu sprechen begann.

"Er ist vor etwa einer Stunde eingeschlafen", sagte er und starrte auf das schlafende Gesicht seines Sohnes, als könne er darin irgendein Zeichen der Hoffnung finden. "Er ist noch sehr erschöpft von den Narkosemitteln. Ich weiß nicht, ob er mit euch sprechen wird, falls er aufwacht. Mit mir hat er es nicht getan." Er schüttelte leicht den Kopf, ein trauriges Lächeln auf seinen Lippen. "Aber vielleicht geht es ihm ja etwas besser, wenn er ausgeruht ist."

Ich spürte einen Kloß in meinem Hals, eine Schwere in meiner Brust, die ich nicht abschütteln konnte. Der Milan, den ich kannte, der immer so voller Energie gewesen war, schien wie ausgelöscht, ersetzt durch diese leere Hülle, die nur noch mechanisch atmete, lebendig, aber auch irgendwie nicht. Es war schwer, sich vorzustellen, dass er je wieder so sein würde wie früher. Wie hatte er diesen Punkt erreicht? Wie hatten wir ihn nicht kommen sehen?

Alex nahm einen weiteren Schluck von seinem Kaffee, der längst kalt geworden war, und seufzte tief, bevor er weitersprach. Seine Stimme war rau vor Emotionen, die er mühsam zu unterdrücken versuchte.

"Milan muss verstehen, dass niemand sauer auf ihn ist. Dass wir nicht enttäuscht sind", sagte er, und seine Stimme brach fast, als er diese Worte aussprach. "Er muss wissen, dass er Menschen hat, denen er vertrauen kann. Aber er muss auch begreifen, dass das, was er getan hat, nicht der Weg ist. Wir müssen ihm helfen, wieder Sinn im Leben zu finden. Ihn daran erinnern, wie schön es sein kann, zu leben."

Seine Worte hallten in meinem Kopf wider, doch sie fühlten sich hohl an. Wie sollten wir ihm das klarmachen? Wie sollten wir ihm zeigen, dass das Leben lebenswert war, wenn er so tief in der Dunkelheit versunken war, dass er den Weg zurück nicht mehr finden konnte?

Ich nickte stumm, unfähig, etwas zu sagen, was dem Moment gerecht werden würde. Die Wahrheit war, dass ich Angst hatte. Angst, dass wir ihn bereits verloren hatten. Dass es keinen Weg mehr gab, ihn zurückzuholen.

In diesem Moment hörte ich ein leises Rascheln, das von Milans Bett herüberdrang. Es war kaum mehr als ein Flüstern, doch es reichte, um uns alle in Alarmbereitschaft zu versetzen. Sofort wanderten unsere Blicke zu ihm. Milan bewegte sich langsam unter der Decke, als würde er aus einem tiefen, schweren Schlaf aufsteigen, der ihn festgehalten hatte. Ein leises Brummen entwich seinen Lippen, kaum hörbar.

Alex sprang auf, als wäre er von einer unsichtbaren Hand gezogen worden, und trat näher an das Bett heran. Er griff nach Milans unverletzter Hand, hielt sie vorsichtig in seiner eigenen und strich sanft mit dem Daumen über die blasse Haut. Seine Stimme war sanft, liebevoll, als er sprach, doch ich konnte den Hauch von Verzweiflung in seinen Worten hören.

"Milan... Wie geht's dir, mein Schatz?", fragte er leise und fuhr behutsam mit der anderen Hand über die Stirn seines Sohnes, schob eine verirrte Haarsträhne beiseite.

Milan blinzelte, sein Blick verschwommen, als würde er versuchen, die Realität um ihn herum zu begreifen. Für einen Moment sah er so verloren aus, so zerbrechlich, dass es mir das Herz zusammenzog. Es war, als wäre er nicht wirklich hier, als würde er irgendwo anders sein, gefangen zwischen der Welt der Lebenden und der Welt, die er so verzweifelt gesucht hatte.

Langsam kehrte das Bewusstsein in seine Augen zurück, und ich konnte sehen, wie die Erkenntnis in ihm aufstieg. Er wusste, was passiert war. Er wusste, wo er war. Doch statt einer Reaktion, irgendeiner Emotion, kam nichts. Nur ein schwaches, kaum erkennbares Zucken seiner Schultern. Kein Wort. Kein Lächeln. Nichts.

"Sieh mal, Maik ist auch hier", sagte Alex, als wollte er Milan damit einen Anker in die Realität werfen. Milans Blick wanderte zu mir, aber auch in seinem Gesicht war nichts zu lesen. Kein Erkennen, kein Interesse. Nur Leere. Seine Augen waren so stumpf, so leblos, dass es mir das Herz brach. Es war, als würde ich nicht mehr den Menschen ansehen, den ich kannte. Stattdessen sah ich nur eine leblose Puppe, die irgendwie noch atmete, aber nicht wirklich lebte.

Ich wollte etwas sagen, wollte ihm irgendwie zeigen, dass ich da war, dass ich für ihn da war, aber die Worte blieben mir im Hals stecken. Was sollte ich sagen? Was konnte man in einer solchen Situation überhaupt sagen, das nicht vollkommen unzureichend wäre?

Tyler legte eine Hand auf meine Schulter, ein stummer Ausdruck von Unterstützung, doch es fühlte sich weit entfernt an. Alles in mir war taub, überwältigt von der Schwere dieses Moments. Von der Erkenntnis, wie tief Milan gefallen war.

Alex ließ Milans Hand nicht los, er sprach nicht weiter, als wüsste er selbst, dass Worte in diesem Moment wenig bedeuteten. Stattdessen streichelte er weiter sanft über die Hand seines Sohnes, während wir alle in dieser lähmenden Stille verharrten, unsicher, was der nächste Schritt sein sollte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 19 ⏰

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