Was machen Sie so spät noch hier?Es sind einige Wochen vergangen, in denen Juliet langsam wieder in ihrem Alltag angekommen ist. In den letzten Wochen hat sie den Professor seit ihrer Abreise aus dem Hotel In Washington nicht wieder gesehen und sie macht sich Sorgen, dass ihm etwas passiert ist oder er gar nicht mehr in Harvard unterrichtet.
Dicke Schneeflocken fallen vom Himmel, als sie über den Campus läuft und ihren Mantel enger um sich zieht. Sie hat ihren Rucksack geschultert und ein dicker Wollschal hat sich um ihren Hals geschlungen, der zusätzlich ihre rote Nase vor der Kälte schützt. Ihre Vorlesung heute ist recht spät.
Emotional hat sich Juliet die letzten Wochen abgeschottet und lange hat sich nicht mehr so eine innerliche Verwirrung verspürt. Es ist nicht zu verleugnen, dass sie Nathan Gardner liebt und so sehr sie auch versucht ihn und ihre Gefühle zu vergessen, es funktioniert nicht. Abends erwischt sie sich immer wieder alleine in ihrem Zimmer bei dem Gedanken an den Mann und seinen warmen brauen Augen, seinen rosa perfekten Lippe, den leichten Stoppeln seines frisch rasierten Bartes, die Juliet kitzeln, wenn er sie küsst.
Jedes Mal könnte sie sich für ihre Gedanken und Gefühle verfluchen, doch letztendlich ist es Nathan Gardner, den sie will und an den sie -ohne es auch nur kontrollieren zu können- immer denkt.
Sie hat geglaubt, dass sie ihm auch mehr bedeutet, als der blöde Vertrag vorgibt. Doch er scheint wie vom Erdboden verschluckt und melden tut er sich auch nicht bei ihr. Ihm ist es also egal.
Tief in Gedanken versunken betritt sie das Gebäude der Universität und läuft zu ihrem Vorlesungssaal, als ihr plötzlich eine Idee kommt. Wenn Mister Gardner nicht mehr in Harvard unterrichten sollte, dann ist sein Büro bestimmt leer.
Juliet's Augen weiten sich, als sie sich dazu entscheidet nachzusehen. Mit einem Ziel vor Augen, läuft sie gefasst durch die Gänge der Uni, begegnet hier und da bekannten Gesichtern, aber auch Fremden, die fluchend sich über die Nässe des Schnees beschweren, wobei andere wiederum die weiße Schönheit, die sich auf den Campus niedergelegt hat, bewundern.
Als sie ein letztes Mal in einen Gang einbiegt, in denen sich die meisten Büros der Professoren befinden, fällt ihr sofort das Büro Mister Gardner's in die Augen. Die Türe ist geschlossen und das Schild mit seinem Namen hängt nach wie vor an der Türe. Er ist also noch hier.
Warum jedoch sieht sie ihn nicht mehr?
Mit leicht gequältem Blick denkt die Dreiundzwanzigjährige nach, doch als sie plötzlich das Klicken der Türklinke hört, sprintet sie ohne zu zögern um die Ecke und lehnt sich schwer atmend gegen die Wand, in dem Versuch kein Geräusch von sich zu geben.
Sie kann hören, wie sich die Türe öffnet und wieder schließt. Das Rascheln eines Schlüsselbundes dringt durch den Gang und kurz darauf hallen Schritte lautstark wider. Nervös kaut Juliet auf ihrer Unterlippe, als sie heimlich um die Ecke linst.
Ihr offenbart sich der Anblick von Mister Gardner's Rücken, da dieser gerade in die entgegengesetzte Richtung läuft. Er hat eine schwarze Anzughose, ein weißes Hemd und passende schwarze Slipper an. In seiner rechten Hand hängt sein Schlüsselbund lose herunter, sodass die Schlüssel fast den Boden berühren.
Ihn jedoch auch nur so zu sehen, sorgt dafür, dass Juliet's Herz einen Hüpfer macht. Ein rasendes Gefühl breitet sich in ihrer Brust aus, sodass ihr die Luft wegbleibt. Schwer schluckend lehnt sie sich erneut gegen die Wand und schließt schmerzlich die Augen.
Wo ist er die letzten Wochen nur gewesen?
Plötzlich baut sich in ihr der Drang auf, ihm hinterherzurennen, ihn zu fragen, warum er sich so verhält, wo er war, ob er wirklich nichts für sie empfindet und ihm die Zeit mit ihr nichts bedeutet hat. Dieser Drang bahnt sich von ihrem Bauchnabel hoch zu ihrem Hals, bis hin zu ihrem Mund und als sie ruckartig um die Ecke biegt, den Mund öffnet, um ihn zu rufen, verstummt sie jedoch bevor sie überhaupt rufen kann. Er ist weg.
Schwer ausatmend sackt sie zusammen und kauert sich auf dem Boden gegen die Wand. Sie zieht ihre Knie schützend zu sich heran und vergräbt ihr Gesicht zwischen ihren Beinen. Was ist nur los mit ihr?
-
Nach ihrem kurzen Aussetzer im Flur vor Mister Gardner's Büro hat Juliet ein paar Minuten gebraucht, bis sie sich aufraffen konnte und schlussendlich zu ihrer Vorlesung gegangen ist. Mister Malkin hat ihre kurze Verspätung mit einem sanften Lächeln abgetan und auch wenn die Rothaarige ihren Studiengang liebt und immer fasziniert ist von dem, was sie lernt, kann sie sich heute einfach nicht darauf konzentrieren.
Ihre Augen sind schwer und sie muss sich tatsächlich zusammenreißen nicht einzuschlafen. Sie ist müde, nicht körperlich, sondern mental und dagegen wirken auch keine 10 Stunden Schlaf.
Als ihr Professor die Vorlesung endlich beendet, sind die meisten Studenten schneller aus dem Saal, als Juliet überhaupt ihre Sachen einpacken kann. Letztendlich ist sie die letzte die zurückbleibt und langsam, in Gedanken versunken schlurft sie aus dem Raum.
Sie achtet überhaupt nicht darauf, was um sie herum passiert oder wo sie überhaupt hinläuft. Ihr Kopf ist leer und ihr Blick ebenfalls.
Als sie endlich bemerkt, dass sie ohne Ziel durch die Universität läuft und sie ihren Kopf hebt, um sich umzuschauen, seufzt sie tief aus. Sie blickt geradeaus durch den Gang, der sich völlig leer vor ihr erstreckt, blickt rechts von ihr aus dem Fenster und kann den Hof des Campuses erkennen. Es ist dunkel draußen und Laternen spenden warmes orangenes Licht, in dem man die weißen Schneeflocken tanzen sehen kann.
Juliet wird von dem Anblick abgelenkt, als sie plötzlich Fußschritte wahrnimmt. Ihr Kopf schnellt erneut in Richtung Gang und diesmal ist dieser nicht mehr leer. Die Schritte verstummen, als der Mann die Studentin erkennt.
Juliet und Mister Gardner haben einige stille Sekunden Blickkontakt und sie könnte schwören, dass der Professor just in diesem Moment darüber nachdenkt, sich umzudrehen und abzuhauen. Sein Brustkorb hebt und senkt sich schwer, wohingegen die Dreiundzwanzigjährige überhaupt nicht mehr atmet.
„was machen Sie so spät noch hier?" hallt die sanfte Stimme des Mannes durch den ausgestorbenen Gang, weswegen seine Stimme alles ist, was Juliet in diesem Moment umgibt und ihren Kopf befällt wie Nebelschwaden, die ihr das Denken erschweren.
Arme Juliet :( ich relate zu ihr und dem was sie empfindet. Wer kennt noch dieses Gefühl ??
DU LIEST GERADE
Romeo | 𝐫𝐝𝐣
FanfictionWenn der strenge Rechtswissenschafts-Professor plötzlich mehr Bedeutung im Leben einer jungen Frau bekommt, als ihr lieb ist. „every juliet needs a romeo" - e