Klischee

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Am Nachmittag sitzen wir alle zusammen und essen die Plätzchen, die Patrick und ich gestern gebacken haben. Also für die anfängliche Katastrophe, schmecken sie jetzt doch ganz gut. "Ich will dir noch meine Highschool zeigen, wenn wir uns beeilen sind vielleicht noch ein paar Schüler da", meint Patrick irgendwann und zieht mich von meinem Stuhl. "Ich will mit", ruft Mia, doch Randi bremst sie sofort. "Lass die zwei das mal alleine machen, du kannst bestimmt morgen nochmal mit ihnen raus", sagt Randi liebevoll und mein Freund hat mich schon in den Flur gezogen. "Mach doch mal langsam, morgen ist Weihnachten, da ist doch bestimmt keiner mehr in der Schule", lache ich, als er mir seine Jacke zuwirft. "Doch, die Schule macht immer vor Weihnachten ein öffentliches Footballtraining, wo jeder mitmachen darf", antwortet er und zieht mich schon raus vor die Tür, "Du wolltest doch Unterricht, jetzt bekommst du ihn. Ich gebe auf und lasse mich von ihm mit ziehen. Zur Highschool ist es wirklich nicht weit, sodass wir nach fünf Minuten Fußweg schon ankommen. "Wow, das ist wirklich cool", gebe ich zu, als ich das volle Spielfeld entdecke. "Ich glaube es nicht, Patrick?", höre ich eine männliche Stimme hinter mir und wir drehen uns beide um. "Hey Andy, ich dachte ich schaue mal vorbei", lacht Patrick und schüttelt dem Mann die Hand. "Mein ganzer Stolz, komm mit die Kinder werden sich freuen", antwortet er und geht voraus. "Das war mein Coach in der Highschool", flüstert er mir zu als wir dem Mann schließlich aufs Spielfeld folgen. 

Die Kinder freuen sich natürlich unheimlich über Patrick's Besuch und der Start des Trainings verzögert sich durch unser Auftauchen. "Hey, du hast was vergessen", ruft auf einmal Jackson und wirft Patrick eine Tasche zu, "Du glaubst doch nicht, dass du hier auftauchen kannst ohne mitzuspielen". Ich grinse breit und sehe das als Stichwort mich vom Acker zu machen. "Was glaubst du wo du hingehst?", fragt Patrick und hält mich an der Hüfte fest. "Zur Bank", antworte ich und drehe mich in seinem Arm um ihn anzuschauen. "Auf keinen Fall, du spielst", widerspricht er und zieht mich hinter sich her zu den Umkleiden. "Ich kann nicht spielen", versuche ich kläglich mich vor dieser Blamage zu bewahren. "Die wenigsten hier können spielen, hab einfach Spaß", versucht er mich zu beruhigen, doch ich bin skeptisch. Patrick zieht sich um und ich hocke einfach in der Umkleide auf einer Bank. "Ich habe gar nicht die passenden Klamotten an", starte ich einen neuen Versuch, den er natürlich direkt erstickt. "Keiner wird die richtigen Klamotten anhaben. Zuerst spielen alle, die noch nie auf dem Feld waren und danach findet das normale Training statt. Heute gibt es sozusagen ein Trainingsspiel, da die Mannschaften aus ehemaligen und aktuellen Schülern zusammengewürfelt wird und somit zwei vollständige Mannschaften zustande kommen", erklärt er und ich gebe seufzend auf. Okay, dann lasse ich mir halt von Teenagern die Knochen brechen. 

Minuten später stellt mich Patrick auf die Position des Runningbacks und verzieht sich vom Feld. Natürlich habe ich vorher eine kurze Einweisung von ihm bekommen, trotzdem fühlt es sich an, als würde ich geradewegs auf eine Schlucht zusteuern. Das wird so schief gehen. Tatsächlich brauche ich aber gar nicht so lange um Spaß an der Sache zu finden. Kurz vor Ende des Spiels wirft schließlich jemand den Ball in meine Richtung. Wider erwarten fange ich sogar und renne vom Adrenalin angetrieben Richtung Endzone. Gerade so schaffe ich es die Linie zu überqueren und werde von den Füßen gerissen. Mit einem Mal weicht die gesamte Luft aus meiner Lunge und ich brauche einen Moment um mich zu sammeln. "Liv!", ruft Patrick und taucht im nächsten Moment in meinem Sichtfeld auf. "Liv, alles okay?", fragt er atemlos und wirft sich neben mir auf die Knie. "Hast du das gesehen? Ich habe einen Touchdown gemacht", keuche ich und lasse den Ball neben mich fallen. "Und wie ich das gesehen habe, geht es dir gut? Tut dir was weh?", antwortet er, noch immer mit einem besorgten Blick. "Ging mir nie besser", gebe ich grinsend zu und richte mich auf zum sitzen. "Gott sei dank, das war ein echt harter Tackle und nebenbei bemerkt auch völlig unnötig", gibt er zu und atmet auf. "Haben wir gewonnen?", frage ich und reibe mir über die Stirn, an der ein wenig Gras hängt. "Und wie ihr gewonnen habt",  lacht er und zieht mich auf die Beine, "Ich glaube wir haben ungeahnte Talente in dir entdeckt". Ich fange an zu lachen und klopfe mir den Dreck ab. Mein dunkelblaues T-Shirt hat Grasflecken, genau wie meine Knie. Unauffällig versuche ich die Hosenbeine meiner Leggings wieder runter zu krempeln, doch Patrick hat mein blutendes Knie schon bemerkt. "Das solltest du sauber machen", murmelt er und zieht mich mit. "Wer von uns beiden ist hier der Mediziner?", frage ich lachend und schließe schnell zu ihm auf. "Du bist stur", sagt er lediglich, kann sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. Nachdem er mein Knie verarztet hat, schlüpfe ich wieder in seine warme Jacke und setze mich an den Spielfeldrand. Jetzt sind die Profis dran. 

Natürlich wird sich mächtig um Patrick gestritten bei der Wahl der Mannschaften, doch am Ende wird einfach eine Münze geworfen. Ich schaue lächelnd zu, wie toll er mit den Kindern trainiert und ihnen Tipps gibt. Schon bald verabschieden sich die ersten Familien nach Hause, während Pat und ich dem Coach helfen aufzuräumen. "Ihr könnt euch wirklich los machen, ich kriege das schon hin", beteuert er noch einmal, doch mein Freund und ich schütteln den Kopf. Seufzend löse ich die geflochtenen Zöpfe auf meinem Kopf, da langsam meine Kopfhaut Einspruch erhebt. "Wir helfen gerne, das ist kein Problem", antworte ich und trage einen Stapel Hütchen ins Lager. Mittlerweile habe ich auch wieder nur mein T-Shirt und die Beine meiner Leggings hochgekrempelt, da diese Aufräumerei furchtbar anstrengend ist. Das Telefon des Coachs klingelt, kurz darauf kommt er leichenblass zu uns nach draußen. "Patrick, meinst du, du könntest vielleicht abschließen und die Lichter aus machen? Meine Frau ist gestürzt, ich muss dringend nach Hause", fragt er zerknirscht und Pat nickt sofort. "Klar, wir machen alles fertig hier. Den Schlüssel werfen wir dir nachher in den Briefkasten", stimmt er sofort zu und ich muss darüber lächeln, wie selbstverständlich das Wir geworden ist. "Alles Gute für deine Frau", sage ich zum Abschied und schaue dem aufgeregten Mann hinterher. Hoffentlich ist es nicht schlimm... "Da waren es nur noch zwei", stellt Patrick fest und schlingt seine Arme um mich.  "Du musst dich noch umziehen", stelle ich fest und lächle ihn an. "Und du musst was drüber ziehen", antwortet er und küsst mich zärtlich. "Mir ist warm", nuschle ich gegen seine Lippen. "Gut", flüstert er zurück und zieht mich noch näher an sich. Er vertieft den Kuss und ich seufze leise. Langsam wird mein Highschool Film komplett, jetzt knutsche ich schon im Flutlicht mit dem Quarterback auf dem verlassenen Spielfeld. Hallo Klischee, und ich muss sagen, ich liebe es. 

Quaterback's Number OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt