Guter Ast

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"Das wird morgen überall zu sehen sein", flüstert Patrick leise. "Ist mir egal", antworte ich genauso leise und drücke meine Lippen wieder auf seine, um ihn zum Schweigen zu bringen. "Hey Lovebirds, irgendwann reicht es auch mal", ruft Travis zu uns rüber. "Pass auf. Liv, sonst kriegt er hier noch eine Latte", pflichtet ihm Rashee bei und ich stöhne genervt auf. "Hab ich euch schon mal gesagt, dass ihr echt nervt?", seufze ich und löse mich von meinem Freund. "Aber Rashee hat nicht unrecht", brummt er, wofür ich ihm den Ellenbogen in die Seite stoße. "Kommt schon, lasst uns duschen gehen und dann feiern", mischt sich nun auch Isiah ein, "Du kannst sie auch gerne mitnehmen, solange sie mitmacht". Ich bemerke, wie Patrick schon wieder anfängt innerlich zu kochen, weshalb ich mir seine Hand schnappe und ihn mit mir Richtung Kabine ziehe. Natürlich nicht ohne den anderen einen Mittelfinger zu zeigen. Ich geselle mich vor der Kabine zu Taylor und wir warten, bis die Jungs fertig sind. Leider Gottes wollen sie danach in die Bar. Meine Nebenjob-Bar. Wo ich sehr sehr lange nicht mehr gearbeitet habe. Genauer gesagt, seitdem ich bei Patrick eingezogen bin. Am Anfang unserer Beziehung habe ich ein paar Mal gearbeitet, wenn er Training hatte oder während er Zuhause Spiele analysiert hat. Nach und nach ist es aber weniger geworden und jetzt, wo ich ab nächstem Monat keine Miete mehr zahlen muss... Verdammt, ich werde es meiner Chefin sagen müssen. "Worüber zerbrichst du dir schon wieder deinen hübschen Kopf?", fragt Patrick, als er frisch geduscht aus der Kabine kommt, in Hoodie und Jogginghose. "Du riechst gut", sage ich und kuschle mich an seine Brust, "Ich habe darüber nachgedacht, dass ich meiner Chefin sagen muss, dass ich den Job nicht mehr brauche". Er schaut mich breit grinsend an, wohl wissend, dass es für uns den nächsten Schritt bedeutet. "Sie wird darüber hinweg kommen, bis wann müssen wir eigentlich deine Wohnung leer haben?", will er wissen. "Monatsende", seufze ich, "Aber viel ist nicht mehr da. Die Möbel gehören mir nicht und mein Kleiderschrank ist ja praktisch schon zu dir umgezogen. Es sind nur noch ein paar Bücher und Kleinkram". Er muss sich damit nicht beschäftigen, das packe ich alleine. Nichts, was ihn von den Playoffs ablenken sollte. In einer großen Truppe laufen wir den kurzen Weg zu Barney's Bar und mein Herz pocht etwas zu schnell, als wir eintreten. Als Gast bin ich noch nie hier gewesen. 

"Willkommen in Barney's Bar", begrüßt uns meine Chefin Babette. "Oh hey Liv, dich habe ich ja ewig nicht gesehen. Alles klar?", fügt sie hinzu, als sie mich entdeckt und bleibt kurz mit ihrem Blick an den verschränkten Händen von Patrick und mir hängen. "Alles super, danke", murmle ich zurück und bin froh, dass sie mit der durstigen Mannschaft alle Hände voll zu tun hat. "Hey Pat, kriege ich morgen bei dir Asyl? Meine Freundin hat mich gerade aus meinem eigenen Haus ausgeladen", ruft Travis zu uns rüber, er sitzt mit Taylor schräg gegenüber von uns. "Wieso das denn?", fragt er verwirrt. "Weil wir einen Mädelsabend machen", erkläre ich und beobachte genau die Emotionen, die über sein Gesicht huschen. Erst Verwirrung, dann schaut er mich leicht gekränkt an und dann leuchten seine Augen. Wow, da wird einem ja schwindelig. "Klar, das wird super", antwortet er Travis schließlich. "Das wird die erste Nacht ohne dich seit... Keine Ahnung wie lang, ehrlich gesagt", flüstert er und ich nicke. "Stimmt, aber nicht die letzte. Ich fahre nicht mit euch zu den Ravens", antworte ich und der selben Lautstärke. "Ich weiß", seufzt er, "Ich bin trotzdem nicht gerne von dir getrennt. "Das ist ehrlich nicht gesunde", brummt der Coach neben uns und ich muss lachen. "Das hat auch niemand behauptet", feuere ich zurück. "Macht was ihr wollt Kinder, aber wehe du spielst nicht ordentlich", droht er mit erhobenem Zeigefinger und ich schaue belustigt zu, wie die zwei sich freundschaftlich zoffen. "Wie ein altes Ehepaar", seufzt Rashee rechts von mir und ich lache. "Stimmt, aber er hat Recht. Vielleicht hängen wir wirklich zu viel aufeinander. Wir müssen es ja auf die Reihe kriegen auch ohne einander auszukommen", pflichte ich dem Coach bei. "Das zwischen euch ist besonders. Ich habe ihn noch nie so gesehen und ich glaube dir tut er auch gut", bemerkt er und schaut mich nachdenklich an. Ich habe das Gefühl, dass er alles von mir sieht und ich wende den Blick ab. "Ich war verloren bevor ich ihn getroffen habe und ich merke jetzt erst, wie wenig ich gelebt habe", murmle ich und schaue ihn wieder an. Es tut gut offen zu Patrick zu sein, also wieso sollte ich nicht versuchen meine Mauern, zumindest ein Stück weit, auch für andere einzureißen. Nur ein kleines bisschen. "Ich kenne jemanden, der genauso guckt wie du. Ich glaube ihr teilt etwas", murmelt er und ich horche auf. "Wer?", frage ich und bereue es im gleichen Moment. Ich übertrete gerade Grenzen. "Meine Cousine. Sie hat mir nie erzählt, was passiert ist, aber seit ihrem Exfreund schaut sie auch so. Als wäre das Leben ein Fluss und sie ertrinkt", erzählt er nach kurzem Überlegen, "Du siehst jetzt glücklicher aus". Ich knete nervös meine Finger und spüre Patricks Arm, den er mir um die Taille schlingt. "Ich habe meinen Ast gefunden, an dem ich mich festhalten kann", flüstere ich, so leise, dass ich beinahe glaube er könnte es überhört haben. "Ich weiß nicht ob es mir zusteht dich das zu fragen, aber meinst du... Du könntest mal mit ihr reden? Ich mache mir Sorgen um sie, große Sorgen und sie redet mit niemandem", fragt er zögerlich und Patrick's Griff um meine Hüfte verstärkt sich leicht. "Ich kann es ihr anbieten, lad sie doch mal zu einem Spiel ein oder so. Oder wir unternehmen mal was zusammen", stimme ich nach kurzem Überlegen zu und habe nun die überraschten Blicke von zwei Männern auf mir ruhen. "Wirklich? Das ist toll, ich versuche was zu organisieren", freut er sich und ich lächle leicht. Vielleicht kann das mein erster Versuch sein jemandem zu helfen. Sozusagen eine Übung für unsere Organisation. "Ich bin so stolz auf dich", flüstert mir Patrick ins Ohr und ich lehne mich leicht gegen ihn. "Noch habe ich niemandem geholfen", erinnere ich ihn, doch das scheint ihm egal zu sein. "Allein, dass du es versuchen möchtest, ist doch ein Fortschritt. Vielleicht hilft es euch beiden", erinnert er mich und ich nicke. Er hat Recht, vielleicht tut es mir auch gut. Rashee schaut uns noch immer nachdenklich an und lächelt dann. "Ihr zwei seid wirklich füreinander bestimmt. Und Pat? Respekt, du machst scheinbar einen guten Job als Ast". 

Quaterback's Number OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt