Erster Streit

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"Na ja, ich glaube ich bin in letzter Zeit ein bisschen depressiv geworden", gibt er zu, "Ich bin nur noch zum Training raus gegangen, habe nichts mehr mit den Jungs unternommen und habe am liebsten alleine Zuhause gesessen. Irgendwie ist mir der Leistungsdruck zu Kopf gestiegen und ich dachte ich dürfte keinen Spaß haben, weil mich das vom Training ablenkt". Ich starre ihn erstaunt an. "Aber... Ich habe davon gar nichts bemerkt, wieso hast du nichts gesagt?", frage ich verblüfft. Einen kleinen Stich verspüre ich, weil er nicht mit mir geredet hat, so wie ich mit ihm rede. "Weil es nichts zum Reden gab. An dem Tag, als ich dich kennengelernt habe, habe ich eine hundertachtzig Grad Wendung gemacht. Ich hatte das Zeil vor Augen, dich kennenzulernen und zu überzeugen, dass ich ein toller Kerl bin", erzählt er mit einem schiefen Grinsen, "Und als ich das geschafft hatte, habe ich bemerkt, dass du selbst genug Probleme hast. Mir ging es dann ja wieder gut, also hat es nicht gedrängt". Ich denke über seine Worte nach. "Ich verstehe das, aber ich möchte, dass du auch mit mir über deine Probleme redest, das hier ist keine Einbahnstraße, ich will dir helfen, wie du mir hilfst", antworte ich schließlich und er nickt. "Deshalb erzähle ich es jetzt. Ich habe gemerkt wie idiotisch es von mir war zu denken, dass du mit dir selbst zu viel zutun hast. Ich weiß, dass du immer für mich da bist", gibt er zu und ich nicke. "Ich glaube wir haben das mit der Kommunikation mittlerweile echt drauf", lache und er nickt. "Stimmt. Ich habe vorhin gehört was meine Mom gesagt hat und sie hat Recht. Wir schaffen alles", sagt er grinsend und legt dann wieder seine Lippen auf meine. Ja, wir schaffen fast alles. Bei einer Sache bin ich mir aber nach wie vor nicht sicher, ob wir es tatsächlich so hinbekommen, dass wir beide zufrieden sind. Und diese Sache ist Sex. Ich habe das Gefühl ich halte ihn unnötig hin, auf der anderen Seite ist der Gedanke daran auch furchtbar angsteinflößend. "Worüber denkst du nach?", fragt er und streicht eine Denkfalte auf meiner Stirn glatt. Ach verdammt, dass er immer alles merken muss. Offene Kommunikation, ich ziehe das jetzt durch. "Sex", seufze ich und er zieht erstaunt eine Augenbraue hoch. "Ich habe das Gefühl dich hinzuhalten und das will ich wirklich nicht, aber ich weiß einfach nicht, wie ich diese Angst überwinden soll", erkläre ich und schaffe es dabei nicht ihn anzuschauen. "Zusammen, wir überwinden die Angst zusammen. Und jetzt hör endlich auf dich selbst unter Druck zu setzen, das hilft dir eh nicht weiter", murmelt er, "Ich möchte nicht, dass du dir deshalb den Kopf zerbrichst und ich sage dir gerne immer wieder, dass ich auf dich warten werde, egal wie lang es dauert". Ich schließe frustriert die Augen. 

"Essen ist fertig!", schallt Randi's Stimme durch den Garten und ich bin fast schon froh das Gespräch beenden zu müssen. "Ich kann mir nicht mit angucken wie du dich meinetwegen unter Druck setzt", seufzt Patrick als er mich an seine Seite zieht und mit mir zurück zum Haus geht. "Dan guck nicht hin", pampe ich ihn an und habe im selben Moment ein schlechtes Gewissen. "Jetzt wirst du unfair", stellt er fest und schaut mich leicht verärgert an. "Ich weiß", seufze ich, "Aber es klingt halt viel leichter als es ist". Wir laufen schweigend weiter und ich ärgere mich, dass ich das Thema überhaupt angesprochen habe. Ist das unser erster Streit? Es fühlt sich so an und es fühlt sich schrecklich an. "Warte", sagt er, als ich das Haus betreten will und hält mich fest, "Ich will nicht, dass es so zwischen uns ist. Das ist doch kacke. Es tut mir leid". Ich schaue ihn an und nicke. "Mir tut es auch leid", murmle ich zerknirscht. Wir haben uns vorhin gegenseitig verletzt und sind emotional geworden. "Alles wieder gut?", fragt er mit vorgeschobener Unterlippe und ich nicke lachend. "Alles gut", bestätige ich und stelle mich auf die Zehenspitzen, um ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen zu drücken. Doch so schnell lässt er mich nicht davonkommen. Patrick schlingt beide Arme um mich und zieht dichter an sich. "Unter einem Mistelzweig küsst man sich richtig", nuschelt er gegen meine Lippen und dann höre ich auf zu denken. In diesem Kuss liegen die ganzen Gefühle, die unser Gespräch vorhin aufgewirbelt hat. "Ach kommt schon, ehrlich? Auf der Veranda?", beschwert sich Jackson, der gerade die Tür aufgemacht hat. "Verzieh dich", brummt Patrick und denkt nicht mal daran aufzuhören. "Mom wird dich umbringen, wenn du nicht gleich an diesem Tisch sitzt", stellt Jackson fest und verschränkt die Arme. "Ihhhhh", höre ich jetzt auch Mia's Stimme und gebe offiziell auf. Enttäuscht seufzend öffne ich die Augen und schiebe Patrick weg. "Ich kann es kaum erwarten die Gans zu probieren", sage ich und marschiere an den Jungs vorbei ins Haus. "Ehrlich das war voll ekelhaft", höre ich noch hinter mir, dann einen dumpfen Schlag. Im Haus duftet es herrlich nach Essen und mein Magen macht sich lautstark bemerkbar. "Setz dich Liebes", sagt Randi, als ich eintrete und klopft auf den Stuhl neben sich. Ich folge lächelnd ihrer Aufforderung und lasse mich neben sie fallen. Und dann habe ich das erste Familienessen seit einer Ewigkeit. Wir lachen und unterhalten uns, Randi und ich trinken Wein, die Männer trinken Bier. Das Essen schmeckt einfach unglaublich gut und wir räumen alle gemeinsam den Tisch ab, als wir fertig sind. "Hat es dir gefallen?", fragt Patrick, als wir einen Moment ungestört in der Küche sind und die Spülmaschine einräumen. "Es war toll", gebe ich zu und lächle ihn an. Er streicht mir die Haare aus dem Gesicht und schaut mich liebevoll an. "Oh bitte jetzt nicht auch noch in der Küche", fleht Jackson, der gerade einen Stapel Teller bringt. "Jackson! Lass die zwei in Ruhe und freu dich lieber für deinen Bruder", maßregelt Randi ihn im selben Moment und ich muss grinsen. "Ist schon okay, ich kann verstehen, dass er neidisch ist", antworte ich mit einem süßen Grinsen in Jackson's Richtung. Patrick fängt lauthals an zu lachen, während Jackson beleidigt davon stapft. Auch Randi hat ein Lächeln auf den Lippen, als sie die Küche wieder verlässt. 

"Und jetzt kommt der anstrengende Part", stellt Patrick fest und zieht mich zurück ins Wohnzimmer, "Monopoly". Auf dem Tisch ist schon das Spielfeld aufgebaut und ich lache. "Oh ja, das wird gefährlich für den Hausfrieden", stimme ich zu und setze mich neben ihn an den Tisch. Schnell sichere ich mir die Hundefigur und lehne mich zurück. Meine Güte, ich habe viel zu viel gegessen! Patrick's Dad kommt mit Schnapsgläsern und einem Nusslikör rein und Randi stellt Knabberzeug auf den Tisch, dann beginnen wir zu spielen und zu trinken. 

"Können wir endlich Geschenke auspacken", quengelt Mia und wir geben schließlich nach. Das Spiel wird pausiert und Mia stürzt sich auf die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum. Ich habe ein paar Kleinigkeiten zugesteuert, ohne zu wissen, ob ich die richtige Wahl getroffen habe. Als Mia aber ihr Geschenk auspackt und strahlend das Olaf-Kuschletier an sich drückt, bin ich mir sicher, dass ich ins schwarze getroffen habe. Für Randi habe ich ein paar meiner geliebten Hüttensocken besorgt und Pat hat eine Auswahl an deutschem Bier bekommen. Patrick und ich haben uns geeinigt, uns nichts zu schenken. "Vielen Dank, die Geschenke sind toll", sagt Randi und zieht direkt ihre Hüttensocken an, dann drückt sie mir ein Päckchen in die Hand. Neugierig öffne ich das Papier und staune. "Wie hast du das so schnell gemacht?", frage ich ungläubig, als ich das handgeschriebene Kochbuch herausziehe. "Habe ich nicht, das war gar nicht geplant. Das Buch wurde in der Familie weiter gegeben. Ich habe alle Rezepte im Kopf, deshalb möchte ich es dir geben. Ursprünglich war das der Plan", erklärt sie und drückt mir einen Uglysweater in Chiefs Design in die Hand. "Du willst mir das Buch geben obwohl es in der Familie weiter gegeben wird?", frage ich noch einmal nach und versuche das Brennen meiner Augen zu unterdrücken. "Du gehörst zur Familie", antwortet sie lediglich und ich wische mir die Träne aus dem Gesicht, die es doch geschafft hat, sich zu befreien. 

Quaterback's Number OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt