Sebastian

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"Woher weißt du das?", stammle ich, schockiert, dass er es rausgefunden hat. "Ich weiß gar nichts, ich bin aufmerksam. Ich sehe alles, schon vergessen?", murmelt er und hebt die Hände. "Ich...", fange ich an, doch bringe es nicht fertig weiter zu sprechen. Wie soll ich dem Mann, bei dem ich auf dem besten Weg bin mich Hals über Kopf zu verlieben, erzählen, wie mein Exfreund mich behandelt hat? "Du musst mir überhaupt nichts erzählen, ich will nur sicher gehen, dass du das hier wirklich willst", fährt er fort und kommt langsam auf mich zu. Mir hat es jetzt komplett die Sprache verschlagen und ich kämpfe mühsam gegen die Tränen. Mein Kopf ist wie leer gefegt, als hätte ich Sprechen und Denken verlernt. Noch einmal öffne ich den Mund um ihm zu antworten, doch versage wieder. "Weißt du, es ist mir egal. Es ist egal wie lang ich warten muss und es ist mir egal, wenn ich um dich kämpfen muss. Du hast mir in den letzten Tagen gezeigt wie schön es sein kann und ich werde das nicht aufgeben. Wenn du bereit bist kannst du davon erzählen, wenn du nie bereit bist, ist das auch okay für mich", sagt er und streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich merke wie die erste heiße Träne meinem Gesicht hinunter läuft und direkt danach die zweite folgt. Patrick scheint immer noch unsicher zu sein, wie er gerade mit mir umgehen soll, daher schlinge ich meine Arme um ihn und vergrabe das Gesicht in seinem Shirt. Ein Schluchzen entkommt meiner Kehle und er zieht mich dicht an sich. "So was hat noch nie jemand zu mir gesagt", flüstere ich atemlos. Ich löse mich leicht von ihm um ihn anzuschauen. "Ich will das hier wirklich. Ich kann dir nicht versprechen, dass ich keine Flashbacks oder Panikattacken bekomme, aber ich will es wirklich. Ich habe mich seit Sebastian nicht mehr entspannen oder mich wohlgefühlt wenn ein Mann in der Nähe war. Ich will das hier", verspreche ich ihm und stocke. Ich hatte Sebastian's Name nicht mehr erwähnt, seitdem ich ihm entkommen bin. Patrick streicht mir die Tränen aus dem Gesicht und ich löse mich von ihm. "Also willst du nach Hause fahren oder hierbleiben", frage ich und greife nach einem Taschentuch. "Ich lasse dich jetzt nicht allein", antwortet er sofort und ich nicke. 

Im Bad werfe ich ihm eine verpackte Zahnbürste zu und klatsche mir kaltes Wasser ins Gesicht. Als wir fertig sind schlurfen wir uns Schlafzimmer. Ich tausche meine Klamotten gegen sein Trikot und schlüpfe unter die Bettdecke. Patrick steht noch immer planlos im Zimmer und starrt an die Stelle, an der ich eben noch stand. "Kommst du erst wenn das Bett angewärmt ist", frage ich schmunzelnd. Er erwacht aus seiner Starre, schlüpft aus seiner Jeans und legt sich endlich neben mich. "Weißt du, ich erzähle es dir irgendwann. Wenn ich dir jetzt davon erzähle halte ich es nicht aus und werde die ganze Nacht wach liegen. Ich merke, jetzt schon, dass ich zu tief drin bin und Albträume kriegen werde. Alles was du jetzt wissen musst ist, dass er ein Arsch war und seine gerechte Strafe bekommen hat. Und, dass es mir leid tut, falls ich dich heute Nacht versehentlich wecke", sage ich und und lächle ihn traurig an. Ich sehe ihm an, dass er sich Fragen verkneift und bin ihm wirklich dankbar dafür. 

Patrick's POV:

Nach allem was sie erzählt hat, liege ich jetzt wach neben ihr. Auf einmal denke ich über jede Berührung nach und wie sie auf sie wirken könnte. Eigentlich hat sie ja noch gar nichts erzählt, aber ihre Reaktion vorhin hat mir gezeigt, dass ich es vielleicht gar nicht wissen will. Sie weinen zu sehen hat mir mehr zugesetzt, als ich es für möglich gehalten hätte und ich weiß nicht wie ich ihren gesamten Schmerz ertragen soll. Ich wünschte so sehr ich könnte ihr eine der vielen Lasten abnehmen. Seufzend drehe ich mich auf die Seite und blicke direkt in ihre warmen Augen. "Alles okay?", fragt sie, was fast lächerlich ist. Sollte ich nicht derjenige sein, der das fragt. Sie scheint mit alldem viel besser umzugehen als ich, wobei das ja kein Wunder ist, schließlich macht sie das ja schon länger durch. "Hör auf dir den Kopf zu zerbrechen. Ich komme schon klar", verspricht sie und greift nach meiner Hand. "Du bist der stärkste Mensch, den ich je getroffen habe", flüstere ich. "Cool, darf ich mir dafür was wünschen?", grinst sie und ich tue mich wirklich schwer einzuordnen, ob sie nur versucht ihren Schmerz zu überspielen. "Alles was du willst", antworte ich genauso leise. "Küss mich", haucht sie und ich glaube kurz mich verhört zu haben. Verdammt, ja den Wunsch erfülle ich ihr liebend gerne. Trotzdem zögere ich kurz. Wo kann ich sie berühren ohne etwas zu triggern? Sie verdreht die Augen, zieht mich zu sich und küsst mich. Der Kuss ist nicht so harmlos wie unser erster, sie knabbert an meiner Unterlippe und ich schalte mit einem Seufzen den Kopf aus. Ich küsse sie, als könnte ich sie schon mein nennen. Und das würde ich auch verdammt gerne. Der Gedanke, dass sich unsere Wege wieder trennen könnten erscheint mir so absurd. "Ich brauche kein Mitleid und ich brauche keine Sonderbehandlung. Wenn mir etwas zu viel wird habe ich einen Mund um etwas zu sagen", nuschelt sie gegen meine Lippen und ich nicke kaum merklich. Der Gedanke, dass sie meine Zurückhaltung noch mehr belasten könnte, ist mir gar nicht gekommen. Wenn man mal überlegt, ist es aber logisch. Wenn ich sie nicht behandle als wäre nichts, kann sie es nie vergessen. Sie wird immer wieder daran erinnert, dass etwas vorgefallen ist. Verdammt Liv, du hast mich voll und ganz um den Finger gewickelt. "Kommst du wirklich nicht zu unserem nächsten Spiel?", frage ich, als wir uns etwas außer Atem voneinander lösen. "Gemeiner Zeitpunkt um zu fragen, aber nein ich komme nicht. Ich habe Montag früh Uni und muss lernen", antwortet sie während sie Kreise auf meinem Unterarm zeichnet. Seufzend gebe ich nach, für den Moment jedenfalls. Ich habe da schon einen guten Plan B, falls ich sie nicht überzeugen kann. Denn einer kann es ganz sicher und es wird sicher kein Hexenwerk um Zed's Instagram Account zu finden und ihm zu schreiben. "Gute Nacht", seufzt sie schließlich und ich schlinge einen Arm um sie. "Gute Nacht", nuschle ich meine Antwort in ihre Haare. 

Quaterback's Number OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt