Habe ich da einen Mann gehört?

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Unter seiner Massage bin ich irgendwann eingeschlafen, im Dämmerzustand merke ich nur noch, wie er sich neben mich legt und die Decke über uns zieht. Normalerweise sind die Nächte nach Flashbacks immer besonders schlimm, aber heute habe ich mal ein gutes Gefühl. 

Den Tag nach einer solchen Attacke bin ich meist zu nichts zu gebrauchen, weshalb ich garnicht erst versuche für die Uni aufzustehen. Patrick ist vor mir wacht und ich erwische ihn, wie er mich beobachtet. "Morgen", seufze ich, während ich mühsam versuche die Augen richtig auf zu kriegen. "Guten Morgen", antwortet er, "Gut geschlafen?". Ich horche kurz in mich hinein und nicke dann. "Ich hatte keinen einzigen Albtraum", antworte ich selbst erstaunt. Er lächelt und zieht mich näher an sich. "Das ist toll", freut er sich für mich. Ich glaube er weiß gar nicht was das eigentlich bedeutet. "Ich hatte seit Jahren keine Nacht ganz ohne Albtraum. Und normalerweise ist es nach einem Flashback immer noch viel schlimmer", erkläre ich breit grinsend. Das ist der absolut größte Fortschritt, den ich bisher gemacht habe. "Ehrlich? Dann ist das ja noch viel toller", ruft er und strahlt mich an. "Und ich glaube das liegt an dir", gestehe ich, "Als wir uns nicht gesehen haben, hatte ich wieder mehr Albträume. Es hilft mir mit dir zu sprechen und schlafe viel besser wenn du da bist. Ich fühle mich richtig erholt". Er grinst noch breiter und legt sanft seine Lippen auf meine. "Ich liebe dich", flüstert er, was mir ein Kribbeln im Bauch beschert. "Ich liebe dich viel mehr", antworte ich genauso leise. "Das ist unmöglich", lacht er und küsst mich wieder. Damit ist die Konversation fürs erste beendet und wir konzentrieren uns aufs Fühlen. In dem Kuss stecken so viele Gefühle von uns beiden. Trauer, Freude, Sehnsucht, Verlangen und ganz ganz viel Liebe. "Du Patrick, was machst du über Silvester", frage ich nach einer Weile nachdem wir aneinander geschmiegt im Bett gelegen haben. "Ich habe noch keine Pläne. Immerhin spielen wir dieses Jahr nicht.  Ein paar Tage habe ich frei bis es wieder losgeht", antwortet und wickelt sich eine meiner Haarsträhnen um den Finger. "Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht mit mir nach Deutschland kommen möchtest. Ich habe meine Eltern schon für Weihnachten vertröstet und muss wenigstens mit ihnen ins neue Jahr feiern. Der Besuch würde wesentlich angenehmer werden, wenn du dabei bist", schlage ich vor und schließe die Augen, damit ich ihn nicht anschauen muss. "Das klingt nicht gut", stellt er fest, doch ich höre die Frage heraus. "Meine Eltern und ich kommen nicht mehr gut aus seit der Sache mit Sebastian. Sie hatten nie Verständnis dafür, dass ich so lange bei ihm geblieben bin und sind sauer, dass ich es ihnen damals nicht direkt erzählt habe. Ich habe mich verändert, bin depressiv geworden und habe mich vor allen zurückgezogen. Sie konnten damit einfach nicht umgehen und dann bin ich gegangen. Wir streiten viel. Aber das ist es nicht, ich bin einfach nicht mehr gerne in Deutschland. Seit ich hierher gezogen bin, habe ich mich nicht zurück getraut. Ich habe Angst, dass dann alles wieder kommt, was ich endlich im Griff habe", erkläre ich und hole tief Luft, "Ich hoffe, dass ich wenigstens etwas schlafen kann, wenn du dabei bist". Patrick hat aufmerksam zugehört und nickt. "Wir bekommen das schon hin", murmelt er aufmunternd und ich nicke. Wenn er das so sagt und mich aus seinen Teddyaugen anschaut, glaube ich es fast. "Unter einer Bedingung", fügt er hinzu, "Du kommst Weihnachten mit mir nach Texas zu meiner Familie. Ich möchte, dass sie dich kennenlernen". Ich bin einen Moment sprachlos. Wann ist unsere Beziehung eigentlich so ernst geworden? Ich habe es definitiv verpasst, aber erstaunlicherweise fühlt sich die Vorstellung wirklich gut an, seine Familie kennenzulernen. "Ich gebe mein Bestes frei zu kriegen", verspreche ich, "Ich möchte deine Familie wirklich sehr gerne kennenlernen, aber ich will nichts versprechen, solange ich keinen Dienstplan habe". Patrick nickt zufrieden und ich bin erleichtert, dass ich nicht alleine nach Deutschland fliegen muss. Mein Handy fängt an zu vibrieren und Pad wirft es zu mir rüber. "Hallo Bruderherz", begrüße ich meinen Bruder, "Was verschafft mir die Ehre?". "Was dir die Ehre verschafft? Ich stehe zum dritten Mal vor deiner Haustür und du bist nicht da, in der Uni bist du aber scheinbar auch nicht und du antwortest nicht auf Nachrichten", beschwert er sich, "Ist dir was passiert? Wo bist du?". Ich halte das Handy ein Stück von meinem Ohr weg, als er mich anpöbelt. "Sag ihm, dass er her kommen kann", schlägt Patrick vor und ich schaue ihn skeptisch an. Das ist vermutlich nicht die beste Idee, mein Bruder ist wirklich überempfindlich was Männer in meiner Nähe betrifft. "Wo bist du?", wiederholt er sich und ich seufze. "Im Bett", antworte ich wage und hoffe er schluckt es. "Und wieso zur Hölle HABE ICH DA EINEN MANN GEHÖRT?!", brüllt er regelrecht. "Hör auf mich anzubrüllen sonst leg ich auf", pampe ich ihn beleidigt an, "Ich habe nie behauptet in meinem Bett zu sein. Krieg dich ein, Pad hat vorgeschlagen, dass du her kommen kannst, aber ich glaube die Adresse gebe ich dir lieber nicht wenn du so drauf bist". Am anderen Ende herrscht Stille. "Du verteidigst einen Kerl?", fragt er plötzlich ruhiger, "Sag mir die Adresse, ich will ihn kennenlernen".  "Okay, aber versau mir ja nicht den Morgen. Ich bin verdammt gut gelaunt heute Morgen und das soll so bleiben", drehe ich, ehe ich ihm die Adresse nenne. "Ich sollte mir was anziehen. Und du auch", seufze ich, wohl wissend, das mein Bruder nicht lang auf sich warten lassen wird, jetzt da er weiß, dass ich in männlicher Gesellschaft bin. Meine Leggings ist vom Laufen gestern durchgeschwitzt, weshalb ich zu meinem Sweatshort greife und einen Pulli von Patrick drüber ziehe. Die Narben an meinen Oberschenkeln sind so nicht bedeckt, weshalb ich kurz zögere und auf die helle Haut starre. "Du bist wunderschön", flüstert mir Patrick uns Ohr und schlingt von hinten einen Arm um meine Taille. Ich lasse mich seufzend gegen ihn sinken und schließe kurz die Augen. "Ich werde mich nie daran gewöhnen", gebe ich zu und zucke kurz Zusammen, als er über die vernarbte Haut streicht. "Das musst du nicht. Aber du musst es akzeptieren", murmelt er und küsst meine Halsbeuge. Ein Schauer geht über meinen ganzen Körper und wir lösen uns erst voneinander, als es klingelt. "Egal was er sagt, er meint es nicht so. Er ist einfach überfürsorglich", warne ich meinen Freund, bevor ich meinen Bruder reinlasse. "Hey", begrüße ich ihn mit einem Lächeln und hoffe, dass er entspannt bleibt. Sein Blick gleitet sofort zu meinen Beinen und er reißt erstaunt die Augen auf. Ja, mein Bruder kennt mich und weiß, dass ich nie jemanden einen Blick auf die Narben erhaschen lasse. "Was ist das hier? Ein riesiges Haus? Ein Hoftor? Ein Typ? Und du versteckst deine Narben nicht?", will er wissen, ich kann es ihm nicht verübeln. "Komm rein", seufze ich und schiebe ihn Richtung Wohnzimmer, "Das ist Patrick, mein Freund". Mein Bruder erstarrt in der Bewegung und schaut zwischen uns hin und her. "FREUND?!", ruft er fassungslos. 

Quaterback's Number OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt