Therapie

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"Ich kann nicht mehr", keucht Patrick und bleibt stehen. Er schnappt laut nach Luft und hat die Hände auf die Oberschenkel gestützt. Ich bleibe ebenfalls stehen und drehe mich besorgt zu ihm um. "Alles okay?", frage ich und gehe zu ihm. Er nickt und richtet sich langsam wieder auf. "Ich brauche nur einen Moment", bringt er abgehakt hervor. In mir macht sich das schlechte Gewissen breit, er ist nur meinetwegen gelaufen. "Tut mir leid, ich wollte nicht, dass das hier so für dich ausgeht", gebe ich zerknirscht zu und fühle seinen Puls am Handgelenk. "Passt schon, war ja meine Idee. Ich habe nur nicht damit gerechnet, dass du so eine verdammt gute Kondition hast", antwortet er und kommt langsam wieder zu Atem. "Lass uns zurück gehen", seufze ich und lasse sein Handgelenk los, "Stehen bleiben ist jetzt nicht gut". Er nickt und wir schlendern nebeneinander zurück zum Haus seiner Eltern. "Geht es dir jetzt besser", fragt er und ich nicke sofort. "Ja, keine Panik mehr. Das hilft mir immer. Danke, dass du mitgekommen bist", murmle ich und er bleibt stehen. "Ich würde dich in so einem Moment nie alleine lassen", versichert er mir und schlingt einen Arm um meine Hüfte. "Ich weiß. Und genau deshalb liebe ich dich", sage ich lächelnd und ziehe ihn dann weiter. Meine Beine zittern, aber ich bin nicht ganz so am Ende, wie bei meiner letzten Laufeskapade. Ich schätze das habe ich Pat zu verdanken. 

"Um Gottes Willen, was habt ihr denn gemacht?", ruft Randi, als wir völlig fertig das Haus betreten. "Wir waren laufen, das endet immer in einem Wettrennen", erklärt Patrick und ich bin einen Moment sehr erstaunt, dass er seine Mutter anlügt, das weicht dann aber Dankbarkeit. "Kinder, euch kann man echt nicht alleine lassen. Hopp unter die Dusche und dann gibt es Frühstück", scheucht sie uns aus der Küche. Wir springen nacheinander unter die Dusche und ziehen uns dann bequeme Klamotten an. "Wow, das riecht fantastisch", murmle ich, als wir die Küche wieder betreten. "Setzt euch, das Omelett ist gleich fertig", ruft Randi vom Herd herüber und wir folgen der Aufforderung sofort. Die Frau hat wirklich ein Händchen fürs Kochen, auf dem Tisch stehen Pancakes, gebratener Bacon, Omelett und Brötchen. Was ein Festmahl. "Frohe Weihnachten meine Lieben", höre ich die Stimme von Patrick's Dad hinter mir. Wow, das hatte ich ja völlig vergessen! Heute ist Heiligabend. Wir erwidern den Gruß und fangen an zu frühstücken, als auch Mia und Jackson um die Ecke geschlittert kommen. Das Frühstück ist genauso himmlisch, wie es ausgesehen hat. 

Nach dem Frühstück kuscheln wir uns mit Mia aufs Sofa und schauen die Eiskönigin, während sie mir die Haare flechtet. Also für meine Disney Sucht wäre eine kleine Schwester ehrlich praktisch gewesen. Der Nachmittag vergeht wie im Flug und schon bald dämmert es. Randi verschwindet wieder in der Küche und ich erhebe mich vom Sofa um zu schauen, ob sie Hilfe braucht. "Hey, wo willst du hin", schmollt Patrick, der noch in die Decke eingekuschelt auf der Couch liegt. "Ich schaue, ob ich was von deiner Mutter lernen kann", lache ich und gehe hinüber in die Küche. "Hey, kann ich dir was helfen?", frage ich und lehne mich gegen den Türrahmen. "Das musst du nicht, ich komme zurecht", antwortet sie mit einem dankbaren Lächeln. "Aber ich würde mir sehr gerne was von dir abschauen", gebe ich zu und sie lacht. "Na wenn das so ist, du könntest die Äpfel für die Füllung der Gans schälen", gibt sie mir endlich eine Aufgabe und ich mache mich sofort an die Arbeit. "Wegen heute Morgen", fängt sie an und ich versteife mich sofort, "Ich merke wenn mein Kind lügt. Ich wollte dir nur sagen, dass wir für dich da sind. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und du gehörst jetzt zur Familie. Wenn du etwas brauchst, kannst du jederzeit auf uns zukommen". Ich schaue sie an und mir steigen Tränen in die Augen. Jetzt weiß ich, wo Patrick es her hat, genau das richtige zu sagen. "Ich bin so froh, dass ich hier sein darf, danke", presse ich hervor. "Tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten", erwidert sie, als sie meine Tränen sieht. "Das bist du nicht, ich hatte nur lange nicht mehr so etwas wie eine Familie. Weißt du, ich hatte nicht gedacht, dass ich mich jemals wieder auf einen Mann einlassen könnte, bis ich deinen Sohn kennengelernt habe. Ich habe mich immer gefragt, wie er es schafft, immer das richtige zu sagen. Wie er die Geduld aufbringt einfach abzuwarten, bis ich ihm Dinge von mir aus erzähle... Aber jetzt weiß ich, wo er es her hat. Er macht mich so glücklich", erkläre ich und wische mir Tränen von den Wangen. Randi kommt auf mich zu und schließt mich in ihre Arme. "Du machst ihn auch glücklich, er hat noch nie ein Mädchen angeschaut, wie er dich anschaut", murmelt sie leise, "Ich kann mir nicht vorstellen, was du erlebt haben musst, aber ihr werdet alles schaffen, wenn ihr ehrlich zueinander seid. Solange ihr über alles reden könnt, kann euch nichts passieren". Ich bin so gerührt von ihren Worten, dass mir erneut Tränen übers Gesicht laufen. "Mom, hast du meine Freundin zum weinen gebracht?", höre ich Patrick's Stimme und löse mich von ihr. "Sie ist genauso toll wie du", schniefe ich und er grinst schief. "Ich habe von der Besten gelernt", lacht und streicht mir über die nassen Wangen. "Warum zeigst du ihr nicht den Garten", schlägt Randi vor und Patrick nickt sofort. 

Wir holen unsere Jacken und treten nach draußen in die Kälte. Er führt mich durch den Garten, bis wir zu einem kleinen See gelangen, der mit einer dünnen Eisschicht bedeckt ist. "Hier haben Jackson und ich früher immer gespielt. Wir haben uns ein Floß gebaut und sind dann bis zur Mitte des Sees gepaddelt. Dummerweise sind unsere Knoten dann aufgegangen und wir sind ins Wasser gefallen. Wir haben mächtig Ärger bekommen, für den Schrecken, den wir Mom eingejagt haben", erzählt Patrick lächelnd. "Du kannst es ihr erzählen", platze ich heraus und er schaut mich überrascht an. "Was?", fragt er ungläubig und ich nicke. "Erzähl es ihr. Sie hat es nicht verdient, dass du Geheimnisse vor ihr hast und ich möchte nicht der Grund dafür sein. Es ist okay für mich, wenn du es ihr erzählst", versichere ich ihm und in seinem Blick blitzt Stolz auf. "Du machst so viele Fortschritte in so kurzer Zeit", flüstert er. "Ja, aber erst seitdem ich dich kenne", bestätige ich lächelnd, "Du bist meine beste Therapie". Er schaut mich liebevoll an und beugt sich zu mir runter. "Und du bist meine", erwidert er bevor er mich sanft küsst. "Du brauchst doch gar keine", grinse ich und er seufzt leise, was mich stutzen lässt. "Ich wusste nicht, dass ich es brauche, bis du da warst", gibt er zu und ich schaue ihn fragend an. "Das musst du mir genauer erklären". 

Quaterback's Number OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt