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Demir:
Still saß ich in meinem Wagen.
Nach dreizehn Jahren traute ich mich zurück in diese gottverdammte Stadt und traf dabei sofort auf Okan Aslan.
Dabei war er es nicht, der meine Aufmerksamkeit geweckt hatte.
Es war seine Begleitung.
Konnte das die kleine Filiz sein?
Es hieß Okan sei verheiratet, ich schätzte nicht, das seine Frau so viel jünger als er war.
Also musste sie es sein.
Ich hatte sie seit sie ein Kind war nicht mehr gesehen, doch ihre grünen Augen war immer noch unvergleichlich gewesen.
Noch nie hatte ich solche stechend grüne Augen gesehen.
Nur bei Filiz und Umut...
Ich lehnte meinen Kopf gegen die kalte Fensterscheibe meines Audis.
Das sie mich gesehen haben, bedeutete meinen Tod.
Ich sollte hier nie mehr herkommen.
Meine ganze Familie sollte hier nie mehr hekommen.
Das hatte uns Veysel Kaplan sehr deutlich gemacht.
Die Wohnung meiner Eltern war Tage nach Umuts Tod verwüstet worden.
Die Reifen unserer Autos durchgeschlitzt.
Meine Mutter wollte die Wogen glätten und meine Unschuld beteuern.
Doch sie wurde von ihm nur angespukt und vertrieben.
Meine arme Mutter.
Sie kam gebrochen nachhause an diesem Tag.
Wir beschlossen nach Essen zu ziehen.

Seitdem hatten wir nicht mehr zurück geblickt.
Doch die Sehnsucht nach meiner Heimat und meinen Kindheitserinnerungen hatten mich hierher geleitet.
Erinnerungen an meine Schulzeit hier...
Wie Umut und ich auf dem Bolzplatz unserer alten Siedlung stundenlang gekickt hatten.
An die Zeiten, als wir heimlich am Rhein geraucht hatten.
Ich fuhr genau dorthin.
An die Rheinpromenade.
An den Ort, wo ich meinen besten Freund verloren hatte und damit mein ganzes Leben...
Heute war sein 13. Todestag.
Langsam lief ich zur Bank, wo es passiert war.
Hier hatten wir früher immer gesessen, redeten über Mädchen oder Gott und die Welt.

Ich hielt inne, als ich sah, das eine andere Person auf der Parkbank saß.
Der Mond schien so hell auf das Wasser, sodass ich sie erkennen wollte.
Es war Umuts Schwester.
Sie schien bitterlich zu weinen.
Ich teilte ihren Schmerz...
Vorsichtig ging ich auf sie zu.
Als sie mich sah zuckte sie zusammen und stand auf.
„Bitte... Bitte tu mir nichts.", sagte sie ängstlich, als sie mich erkannte.
Ich konnte verstehen, das sie sich vor mir fürchtete.
Schließlich erzählt man ihr ihr ganzes Leben schon, das ich der Grund für das alles sei.
„Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, ich wollte nur hierher kommen um mit ihm zu reden.", sagte ich leise und deutet dann auf die Laterne und das Bild von Umut, welche am Rande eines Baumes standen.
„Du solltest hier nicht sein.", sagte sie.
„Ich weiss.", hauchte ich und setzte mich dann einfach hin.
Sie schien ganz alleine hier zu sein.
„Ich denke du solltest hier auch nicht sein, Filiz. Besondern um diese Uhrzeit", sagte ich und zündete mir dabei eine Kippe an.
„Nehm meinen Namen nicht in den Mund, du Monster.", sagte sie angeekelt.
Betrübte sah ich zu Umuts Bild.
„Ich möchte nur meinen besten Freund ehren.", erklärte ich kalt.
„Du bist sein Mörder...", flüsterte sie verängstigt.
Sie zitterte sichtbar.
„Das denkt deine Familie bis heute."
„Wir wissen es!", sagte sie nun sauer.
Ich drehte mich zu ihr und sah sie eindringlich an.
„Du warst hier hieß es. Du hast den Mörder gesehen.", sprach ich weiter.
Filiz nickte.
„Auch wenn du es nicht selbst warst, bist du dafür verantwortlich, Demir.", sagte sie leise.
„Du bist dafür verantwortlich, das ich ohne ihn aufwachsen musste! Das ich Nacht für Nacht Albträume habe! Das ist alles deine Schuld!", schrie sie nun regelrecht:
„Alles was dir passieren wird, geschieht dir Recht! Allah sieht alles weisst du!"
Mit diesen letzten Worten lief sie eilig weg.
Sie sprintete förmlich.

Es war alles meine Schuld...
Stumm lief mir eine Träne über die Wange.
Was sie sagte traf mich.
Allah sieht alles.
Doch Gott wusste auch, das ich mit Umuts Tod nichts zu tun hatte.
Mir wurde sein Tod lediglich in die Schuhe geschoben.
Mein Vater und Onkel Veysel hatten irgendwelche schmutzigen Geschäft am laufen zu der Zeit.
Nur Umut und ich waren eingeweiht.
Umut sollte am Tag davor, im Hafen einen Container für seinen Vater aufbrechen und das darin vorhandene Kokain mitnehmen.
Die Ware sollte unter unseren Vätern aufgeteilt werden, doch dazu kam es nie.
Umut stand vor einem leeren Container und informierte mich.
Als mein Vater davon erfuhr, beschuldigte er Umut und seinen Vater Lügner zu sein.
Das sie das Kokain nur für sich geholt hatten.
Er war wütend gewesen.
Als Umut am nächsten Tag tot war, schien es klar wer ein Motiv dafür hatte.
Doch wallah'i wir waren es nicht.
Bis heute weiss ich nicht, wer es war.
„Es tut mir so leid, Bruder.", sagte ich und drückte meine Kippe aus.

Auf dem Weg zurück nach Essen rief mich meine Mutter an.
„Demir?", fragte sie aufgewühlt.
„Ja, Annem."
„Wo bist du, mein Sohn? Wir machen uns Sorgen."
„Ich bin gleich zuhause."
„Wo warst du den ganzen Tag? Ich habe dich beim Abendessen vermisst.", erzählte sie.
„Ich war unterwegs.", entgegnete ich kalt.
Doch plötzlich entfuhr ihr ein Schrei.
„Anne?!", rief ich panisch.
„Demir!!! Hilfe! Komm schnell.", schrie sie, ich hörte wie es im Hintergrund Polterte.
„Was ist los?", fragte ich sie.
„Es ist jemand im Haus.", flüsterte sie ängstlich.
„Annem, versteck dich! Ich bin in 10 Minuten da!", rief ich und gab Vollgas.
„Ich bin in meinem Bad, oglum. Bitte beeil dich.", wisperte sie.
Voller Angst raste ich die Autobahn runter und eilte nachhause.
Vor unserem Haus machte ich Halt.
Ich sah, wie sich zwei Männer mit Skimaske aus unserem Garten schlichen.
Sie schienen das Haus verlassen zu haben.
Waren es Einbrecher?
Sie hatten wie es aussah keine Beute dabei, was ungewöhnlich schien.
Aber noch ungewöhnlicher war, das sie in einer schwarzen G-Klasse wegrasten.
Kennzeichen DU-A-65.
Es waren die Aslans.

Aufgewühlt ging ich ins Haus rein und rief nach meiner Mutter.
„Annem! Ich bin es! Sie sind weg!", rief ich und sie traute sich runter.
Im Erdgeschoss machte ich Licht an und blieb hastig stehen.
An der Wand stand etwas mit roter Farbe geschrieben.
„Günlerin artık, Demir."
Deine Tage sind gezählt.
Weinend fiel meine Mutter in meine Arme.
„Was hat das zu bedeuten, Demir?", weinte sie.
Ich drückte sie fester an mich.
„Es bedeutet, das ich einen Fehler begangen habe."

Liebe unter FeindenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt