Filiz:
Ich fühlte mich in Demirs Anwesenheit nicht verängstigt. Ich spürte, das er mir nicht weh tun wollte.
Wenn ich ihn mir vorgestellt hatte, bevor ich ihn kannte, war er berdrohlich. Er hatte Umut auf dem Gewissen, war ein kaltblütiger Mörder.
Doch diese Vorstellung von ihm, entsprach längst nicht mehr der Realität.
Ich vertraute ihm auf irgendeine Weise...
Vielleicht war es dumm und er erzählte einfach nur irgendwelche Scheisse.
Aber ich musste einfach mehr erfahren.
Mir erzählte niemand etwas über Umuts Tod. Ich hatte blind auf die Worte meiner Familie vertraut.
„Nun gut, aber ich sage dir von vorne rein. Die Geschichte wirft kein gutes Licht auf deinen geliebten Baba.", sagte Demir, nachdem ich ihn aufgefordert hatte mir alles zu erzählen.
„Ich bin schon ein großes Mädchen, ich werde es verkraften.", spielte ich auf seine eben gemachte Bemerkung an.
Demir setzte sich gegenüber von mir hin und seufzte.
„Wie fang ich am Besten an.", murmelte er.
Gespannt schaute ich ihn an.„Dein Bruder und ich waren seit unserer Kindheit beste Freunde. Deine Familie war wie meine. Andersrum genauso. Als Umut und ich älter wurden, wurden wir immer mehr eingeweiht in die Geschäfte unserer Väter."
Ich nickte, was er sagte war mir bewusst.
„Ich sag mal so, unsere Eltern haben nicht immer gutes und ehrliches Geld verdient. Du weisst schon was ich meine.", sprach er weiter.
Meinte er illegale Geschäfte?
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, Demir. Was meinst du genau?"
Er sah kurz weg, dann redete er weiter.
„Unsere Väter haben irgendwann angefangen im Hafen Kontakte zu knüpfen. Dein Vater hat eine Transport-Firma, es war einfach für ihn allerlei Zeug durch die Kontrollen zu schmuggeln."
„Drogen?", fragte ich vorsichtig.
Ich hatte irgendwie öfter solche Vermutungen, aber bekam nie etwas davon mit.
Vielleicht war es auch nur eine einmalige Sache gewesen und mein Vater hatte damit heute nichts mehr zu tun...
„Kokain.", sagte Demir.
„Es ging damals um Kokain. Umut war am Tag vor seinem Tod im Hafen und sollte einen eurer Container aufmachen und das Koks holen."
Ich verzog mein Gesicht.
Daran zu denken, das mein großer Bruder etwas mit Drogen zu tun hatte...
Das er Kokain angefasst hat mit den Händen, mit denen er auch mich berührt hatte.
Es bereitete mir eine Gänsehaut.
„Das Kokain war aber nicht da, also rief mich Umut an. Als mein Vater davon erfuhr, kam es zu einem heftigen Streit. Er sagte das Umut und dein Vater den Stoff für sich haben wollten. Das Umut ein Lügner war. Einen Tag später war er tot.", wisperte Demir.
„Wir waren im Streit auseinander gegangen, es herrschte böses Blut und plötzlich war der Sohn des Feindes tot. Für deinen Vater war klar, wer dahinter steckte."Ich sagte eine Weile nichts und musst das Gesagte erst Mal verarbeiten.
Ich schaute kurz zu Demir, dem das Erzählen sichtbar schwer gefallen war.
Er war Umuts bester Freund gewesen, natürlich hatte er ihm nichts getan!
Wie konnte er auch...
Mir kamen die Tränen.
Ich hatte Demir und seine Familie zu Unrecht all die Jahre gehasst.
Demir guckte mich nun an und setzte sich neben mich.
Er legte sanft seinen Arm um mich und flüsterte: „Psch, Filiz..."
Ich lehnte ergeben meinen Kopf gegen seine Schulter und weinte hinein.
Es schmerzte über Umuts Tod zu sprechen.
Es schmerzte jeden Tag.
Demir strich über meinen Hinterkopf und tröstete mich, wofür ich dankbar war.
Normalerweise machte ich meine Gefühlsausbrüche nur mit mir selbst aus.
Niemand sollte wissen, wie sehr es mich immer noch belastete.
Demir fing nun wieder an zu sprechen: „Jetzt weisst du was passiert ist, aber fehlt nicht noch die wichtigste Frage."
Ich seufzte und nickte.
Langsam löste ich mich von ihm und sah ihn verweint an.
Demir sah mit bemitleidend an und entfernte sich ein Stück von mir, so als wäre es ihm plötzlich unangenehm mir nah zu sein.
Ich wischte meine Tränen weg und atmete tief ein.
„Wer hat ihn getötet?"
„Ich weiss es nicht.", antwortete er.
„Hast du keine Vermutung?", fragte ich.
Demir schüttelte den Kopf.
„Seit diesem Tag geht kein Tag vorbei, an dem ich nicht überlege. Es macht einfach alles keinen Sinn.", teilte er mir mit.
„Ich vermisse ihn, weisst du. Deswegen bin ich auch zurück gekommen nach Duisburg."
„Ich vermisse ihn auch.", flüsterte ich.Das Gesagt war zu viel für mich gewesen.
Ich fühlte mich in diesem Moment einfach nur kaputt.
Langsam schloss ich meine Augenlider und atmete tief ein und aus.
Ich spürte wie ich anfing zu hyperventilieren.
Fuck!
Nicht jetzt, nicht hier!
Eine Panikattacke bahnte sich an, fest drückte ich meine Augen zu.
„Alles okay?", hörte ich Demir fragen, doch ich war nicht mehr in der Lage zu antworten.
In meinen Ohren hörte ich nur noch das laute Klopfen meines Herzens.
Es war so unfassbar laut.
Ich ballte meine Hände zu fäusten und verkrampfte.
Demir sagte nichts mehr und legte wieder seinen Arm um mich.
Ich ließ meinen Kopf auf seinen Schoß sacken und hoffte das es bald vorbei sein würde.
Innerlich zählte ich immer wieder bis 20.
Das Zählen beruhigte mich normalerweise immer.
Doch es war Demir, der es schaffte mich ruhig zu stellen.
„Du hast eine Panikattacke.", murmelte er, während er über meine Haare strich.
„Du bist nicht alleine Filiz. Ich passe auf dich auf. Gleich ist es vorbei.", flüsterte er.
Ich nickte und versuchte meine Atmung wieder unter Kontrolle zu kriegen.
Demir hatte nun meine linke Hand genommen und öffnete langsam meine Faust.
Mein Griff lockerte sich und er nahm meine Hand in seine.
„Siehst du, du hast es fast geschafft."
Ein letztes Mal atmete ich tief aus und blieb dann erschöpft liegen.
Ich schämte mich vor ihm.
Niemand sollte mich so sehen...
„Gehts wieder?", fragte er mich.
Ich nickte.
„Woher weisst du das es eine Panikattacke war?", wollte ich wissen.
„Meine Mutter hat sie auch.", sagte er.
Langsam setzte mich wieder aufrecht hin und schaute beschämt zu ihm.
„Wir sollten uns nicht so nah kommen.", flüsterte ich nur verwirrt.
Es gehörte sich einfach nicht.
„Tut mir leid, du hast Recht", sagte Demir und stand dann auf.
Er ging zum Fenster und sah nach draußen.
Es dämmerte bereits.
„Es ist spät, du solltest nachhause.", teilte er mir mit.
Ich stand langsam auf und nahm meine Autoschlüssel vom Schreibtisch.
Ohne ein Wort lief ich raus und stieg in mein Auto.
War es ein Fehler her gekommen zu sein?
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Liebe unter Feinden
RomanceSeit über einem Jahrzehnt sind die Aslans und die Ceylans verfeindet. Nach einem schrecklichen Mord an Umut Aslan, ist nichts mehr wie es war. Filiz Aslan und Demir Ceylan. Sie sind die einzigen die Frieden zwischen den Familien schaffen können. Doc...