9

45 1 0
                                    

Demir:
Den darauf folgenden Tag erlebte ich wie in Zeitlupe.
Jede Bewegung kam mir so langsam vor, der ganze Tag zog sich unendlich hin.
Meine Gedanken waren nur bei Filiz.
Sie tat mir unglaublich leid.
Diese Panikattacke war nicht ihre erste, das bemerkte ich an ihrem Umgang damit.
Als sie mich am Rhein angeschrien hatte, hatte sie ebenfalls Albträume erwähnt.
Ich konnte nur ahnen, wie sehr sie das alles mitnahm.
Ich wollte ihr diese Last nehmen, sie hatte es nicht verdient ihr Leben lang mit sich selbst zu kämpfen.
Doch ich wusste nicht wie, sie wollte den Frieden zwischen unseren Familien.
Sie war so ein einzigartiges Mädchen...
Sie erinnerte mich an ihren Bruder Umut.
Ihre grünen verweinten Augen, die trotzdessen strahlten.
Ob sie ihren Vater zur Rede stellen würde, wusste ich nicht.
Sie war einfach abgehauen.
Aber ich wusste, das sie mir glaubte.

Ich sah von meinem Laptop hoch und blickte zu meinem Vater.
Heute Abend würde er sich mit Onkel Veysel treffen.
Ich hoffte nicht, das er von dem Treffen mit seiner Tochter Bescheid wusste.
Er würde es sicherlich nicht gut heißen.
Eigentlich wollte ich ihr schreiben, doch ich ließ es sein.
Sie wusste jetzt meine Seite der Geschichte, mehr konnte ich ihr nicht geben.
Im Nachhinein war es dumm von mir, ihr so nah gekommen zu sein.
Filiz war eine junge, schöne Frau. Sie war in einer ordentlichen Familie aufgewachsen, mit guten Werten.
Es gehörte sich einfach nicht.
Sie sollte unberührt bleiben.
Wenn Umut uns so gesehen hätte...
Sie war seine kleine Schwester, ich sollte so gar nicht denken.
Sie hatte mir klar gemacht, das sie das nicht wollte.

Ich seufzte und holte mein Handy raus.
Ich ging meine Kontakte durch und landete bei Maria.
Sie war eine Bekannte von Cem und mir.
Ich schrieb ihr eine Nachricht, ob wir uns nach Feierabend treffen wollten.
Früher hatten wir solche Treffen öfter.
Wenn ich mich einsam fühlte, war sie die erste die ich anrief.
Dann vebrachte ich eine Nacht bei ihr.
Von Cem wusste ich, das sie auf mich stand.
Sie schwärmte seit Jahren von mir, doch ich versuchte das auszublenden.
Ich hatte keine Gefühle für sie, das zwischen uns war eine reine Freundschaft von meiner Seite aus.
Klar, manchmal gingen wir weiter als das. Aber das war für mich lediglich Stressabbau.
Sowie jetzt auch.
Maria lenkte mich ab, brachte mich wieder dazu klar zu denken.
„Klar, Demir. Ich bin ab 18 Uhr zuhause.", antwortete sie mir Sekunden später.

„Oglum?", hörte ich meinen Vater und schon sah ich auf.
„Ja, Baba?", fragte ich und legte mein Handy weg.
Er setzte sich auf das Sofa, auf dem auch Filiz gesessen hatte.
„Heute Abend ist das Treffen mit Veysel. Bitte versprech mir, das du dich daraus hältst."
Ich nickte.
„Ich verspreche es."
„Gut, mein Sohn. Mach dir keine Sorgen, ich werde die Wogen glätten.", sagte mein Vater.
Ob er das schaffen würde? Das bezweifelte ich.
Ich schaute zurück auf meinen Bericht den ich, für die Versicherung eines Kundens, schreiben musste.
„Wer war hier, Demir?", fragte mein Vater plötzlich und hob eine kleine Goldkette mit Herzanhänger von meinem Sofa auf.
Er sah diese verwirrt an.
„Muss von einer Kundin sein.", sagte ich nur.
Ich wusste das sie von Filiz war.
Sie hatte sie immer an.
Mein Vater schaute sich die Kette genauer an, legte sie aber irgendwann auf meinen Schreibtisch.
„Dann sorg dafür, das die Kundin sie wieder bekommt.", sagte er, dann verließ er mein Büro.
Vorsichtig nahm ich die feine Kette in meine Hand.
Auf dem Anhänger war ein kleines F graviert.
Ich fuhr mit dem Daumen über die rauen Stelle.
Ach Filiz...
Wieso tauchte sie immer wieder in meinem Kopf auf?
Ich seufzte und steckte die Kette in meine Hosentasche.
Irgendwann würde ich sie ihr wieder geben.
Doch heute war nicht der richtige Tag.
Ich würde erst abwarten, was mein Vater beim Gespräch mit Onkel Veysel klären würde.
Er war ein ehrlicher Mann, ich schätzte er würde alleine dorthin gehen.
Ich betete dafür, das alles gut gehen würde.

Nach Feierabend fuhr ich sofort zu Maria.
Ich musste mich einfach ablenken.
Meinen Wagen parkte ich vor ihrem Wohnhaus.
Sie war Bankkauffrau und arbeitete in der Stadt.
Ich nahm meinen Autoschlüssel sowie mein Handy und lief zum Eingang.
Ich klingelte bei Alvarez und wartete bis sie aufmachte.
„Demir bist dus?", hörte ich sie durch die Freisprechanlage sprechen.
„Ja, machst du auf."
Sofort wurde die Tür geöffnete und ich sprintete in den dritten Stock.
Sie stand lächelnd im Türrahmen.
Im schwarzen Etuikleid, wie es für sie üblich war.
Ihre schwarzen Haare hatte sie zu einem Zopf gebunden.
Sie war eine schöne Erscheinung.
Eine Erscheinung, die auf mich immer eine gewisse Anziehungskraft ausübte.
Doch mit Filiz war sie nicht zu vergleichen.
Ich seufzte, ich sollte aufhören an sie zu denken.
„Hey.", sagte sie und streckte ihre Arme nach mir aus.
Ich umarmte sie und sagte: „Hey."
Sie drückte mich kurz und ließ mich dann rein.
Ich zog meine Schuhe aus und folgte ihr ins Wohnzimmer.
„Ich hab dir einen Tee gemacht.", meinte sie und deutete auf die Tasse auf dem Couchtisch.
Den machte sie mir grundsätzlich immer.
Auch wir hatten unsere Routine.
Ich setzte mich hin und griff zu Tasse.
Maria stand hinter mir und massierte meine Schultern.
„Wie war die Arbeit?", fragte sie mich.
Ich schloss die Augen und entspannte mich sofort, nach ihren Berührungen.
„Alles wie immer, bei dir?", fragte ich sie nun.
Maria fuhr mit ihren langen Fingernägeln über meinen Nacken.
„Ein bisschen stressig auf der Arbeit, aber es geht schon.", flüsterte sie.
„Komm.", forderte sie mich dann auf und wir gingen in ihr Schlafzimmer.
Maria drückte mich aufs Bett und setzte sich auf meinen Schoß.
Sie wollte wohl schnell zur Sache kommen.
Sie zog mir meinen Pullover aus und fing an meinen Hals zu küssen.
Ich grinste und griff nach ihrem Zopf.
Ich zog ihren Kopf zurück und küsste sie fordernd auf den Mund.
Sie lächelte in den Kuss hinein und ging nun auf ihre Knie.
Mit schnellen Griffen öffnete sie meine Hose und wollte auch diese abstreifen.
Doch es fiel etwas Klimperndes auf den Boden.
Verwirrt griff Maria zu dem Gegenstand und sah ihn sich an.
Es war Filiz Kette.
Enttäuscht sah sie mich an.
Ich schaute weg.
„Wer ist sie?", flüsterte Maria und stand dann auf.
Sofort war die Stimmung im Raum gekippt.
„Nicht wichtig.", kommentierte ich nur und zog mich wieder an.
„Sie scheint ziemlich wichtig zu sein, wenn du eine Kette für sie hast.", sagte Maria und setzte sich neben mich.
Sie übergab mir die Kette und ich packte sie wieder in meine Hosentasche.
„Es ist nicht wie du denkst, Maria. Du weisst ich date niemanden.", meinte ich nur kalt und stand dann auf.
„Ich weiss.", murmelte sie.
Ich wusste das es egal war, was ich noch sagen würde.
Sie hatte sich ihre Meinung bereits gebildet.
„Soll ich gehen?", fragte ich sie.
Maria nickte nur noch angepisst.
Also ging ich, ich konnte mir ihr Geschmolle nicht geben.

Liebe unter FeindenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt