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Filiz
Lautlos saß ich auf dem Boden meines Zimmer und starrte an die Wand.
Wie konnten sie mir so etwas nur antun.
Wie konnte er mir so etwas antun...
Ich fasste an meine Kette.
Dieser verdammte Heuchler!
Er wusste es die ganze Zeit...
Deswegen hatte er sich nicht mehr gemeldet, er meidete mich.
Und jetzt?
Jetzt hatte ich keine Wahl mehr.
Hatte ich überhaupt je eine Wahl gehabt...
Vielleicht, wenn er nicht einverstanden gewesen wäre...
Dann wäre das jetzt nicht passiert.
Ich war meinem Schicksal ausgeliefert.

Ich hörte ein leises Klopfen, dann ging meine Zimmertür auf.
Ich sah durch die Dunkelheit Tante Büsra.
„Filiz? Bist du hier?", fragte sie leise.
Ich seufzte und stand auf.
Sofort kam sie zu mir und nahm mich in ihre Arme.
Ich fing wieder an zu weinen.
Sie tröstete mich und schwieg eine Weile.
In ihren Armen zu sein war so vertraut.
In meiner Kindheit war sie wie eine Mutter für mich gewesen.
Ich hatte ihre Umarmung so vermisst.
„Es wird alles gut werden, canim benim.", flüsterte sie mir zu.
Ich sagte nichts.
„Du bist überrascht, oder?", fragte sie.
Mit einem Nicken bejahte ich.
„Dein baba hätte es dir früher sagen sollen, aber es ändert nichts am Bevorstehendem."
Ich sah traurig zu ihr auf.
„Wollte Demir das?", fragte ich sie vorsichtig.
Sie schüttelte den Kopf.
„Nein, canim. Nein er wollte das nicht.", antwortete sie.
„Er tut es für unsere Familien, wir wollen niemanden mehr verlieren.", weinte sie nun.
Ich schluchzte und dachte an Umut.
„Dein Bruder ist zu früh von uns gegangen, Filiz.", weinte sie in mein Ohr.
„Es soll euch Kindern nichts passieren. Er hat mir versprochen, das er die ein guter Mann sein wird."
Ich löste mich und bekam eine Gänsehaut.
Ich konnte mir nicht vorstellen seine Ehefrau zu sein... Ich konnte mir nicht mal vorstellen wie ich in einem Brautkleid aussehen würde...
Ich war nicht bereit dafür.
„Demir ist ein guter Mann, weisst du. Als er es erfahren hat, hat er sofort nach dir gefragt. Er sorgt sich um dich."
Stumm hörte ich ihr zu.
Es war für mich immer noch ein großer Schock.
„Kommst du mit mir runter, canim?", wollte sie irgendwann wissen.
„Wird er mich gleich fragen?", fragte ich sie ängstlich.
Tante Büsra nickte: „Komm alle warten auf dich, du schaffst das schon."
Ich atmete tief ein und sah mich im Spiegel an.
Mein schönes Makeup war nicht mehr ganz intakt.
Meine Haare kämmte ich kurz durch.
Wenn Demir es für seine Familie tat, dann würde ich es auch schaffen.
Ich wollte meinen Vater nicht enttäuschen.

Tante Büsra ging vor ins Wohnzimmer.
Zitternd lief ich ihr hinterher und setzte mich neben sie.
Ich spürte Demirs Blicke auf mir.
„Da bist du endlich, hayatim.", sagte mein Vater und gab mir einen Tee.
Ich nickte und trank davon.
Ich wollte es einfach nur hinter mich bringen...
„Veysel, wir sind natürlich hier um im Names unseres Sohnes Demir, um Filiz Hand anzuhalten.", sprach nun Demirs Vater.
Mein Vater schaute zu mir: „Bist du damit einverstanden, meine Tochter."
Ich zögerte, doch ich konnte nicht einfach Nein sagen.
Ich schaute Demir an und stellte mir vor, wie es wäre, wenn er wirklich mein Freund wäre... Wenn das alles aus Liebe passiert wäre.
Eine kleine Träne lief über meine Wange, doch ich nickte.
„Verdim, git!", sagte mein Vater darauf glücklich.
Onkel Berkan lächelte nun auch.
„Demir, die Ringe.", sagte Demirs Mutter.
Er nickte und kramte aus seiner Jackentasche eine Schachtel.
Nun stand er auf und kam zu mir.
Er kniete sich zu mir und sah mich ermutigend an.
Das er mich so ansah tat gut.
Er nahm mir ein wenig meine Angst.
Demir holte nun die beiden Ringe, die mit einem roten Band verbunden waren, hervor.
Baba steckte ihn mir an und tat das Selbe bei Demir.
Levent war der jenige, der das Band durchschnitt.
Somit war es offiziell...
Wir waren wirklich aneinander versprochen...
Ich zitterte so stark.
Unsere Eltern fingen an zu klatschen und beglückwünschten einander.

Demir saß nun neben mir und sah auf unsere Ringe.
„Es tut mir leid, Filiz.", flüsterte er mir zu.
Doch ich antwortete nicht.
Es war schwer für mich, nun mit ihm zu sprechen.
Alles ging einfach so schnell.
Ich konnte nicht aufhören daran zu denken, was passiert wäre, wenn Umut noch am Leben wäre.
Wäre es dann jemals so weit gekommen?
Hätte er Demir überhaupt erlaubt, seine kleine Schwester auch nur anzusehen?
Hätte ich mich vielleicht irgendwann in den erwachsenen Demir verguckt.
Mein Unterbewusstsein war nicht dumm, ich hatte eine gewisse Schwäche für ihn.
Er war ein richtiger Mann, kein kleiner Junge, wie die Jungs in meinem Alter.
Aber ich war noch längst keine Frau...
Ob er mich hübsch fand?
Tante Büsra hatte mir gesagt, das er mich nicht heiraten wollte.
Vermutlich sah er mich immer noch als das kleine Mädchen von damals.

„Kinder, geht ein wenig spazieren. Lernt euch kennen.", schlug mein Vater plötzlich vor.
Niemand wusste, das wir uns bereits kannten...
„Komm.", forderte mich Demir auf.
Ich nickte und stand langsam auf.
Eigentlich wollte ich nicht mit ihm alleine sein, ich musste die Gedanken in meinem Kopf erstmal sortieren.
Demir half mir im Flur in meine Jacke und öffnete mir dann schweigend die Tür.
Ich trat raus und hörte wie er die Haustüre schloss.
Doch er zwang mich nicht mit ihm zu sprechen.
Wir liefen einfach nur nebeneinander meine Straße entlang.
Das er mich nicht dazu drängte, zu sprechen, war schön.
Stattdessen war er es der anfing zu reden.
„Ich war werde dir immer treu sein, Filiz. Das sollst du wissen. Ab heute wird es keine Geheimnisse mehr zwischen uns geben."
Ich sah vorsichtig zu ihm auf.
„Wieso hast du es verschwiegen?"
„Es ist für mich genauso überraschend gekomen, wie für dich auch. Es war nicht an mir es dir zu erzählen.", erklärte er.
„Deine Mutter sagte, du wolltest es nicht.", flüsterte ich.
Demir nickte: „Ich wollte es dir nicht antun, Filiz. Du bist noch so jung."
Nun sah ich wieder weg.
Er sah mich noch als Kind...
„Du hast dir wohl kaum vorgestellt, schon so früh zu heiraten.", sprach er weiter.
Doch hatte ich.
Ich hatte es mir viele Male vorgestellt. Mein Vater hatte mir oft genug gesagt, das er jemanden für mich finden würde.
„Vor Allem keinen alten Sack wie mich.", lachte Demir nun.
Er machte Witze! Es war gerade nicht die Zeit für Witze.
„Wie alt bist du?", fragte ich, obwohl ich die Antwort kannte.
„31, kücük."
Küken.
„Ich bin kein Küken!", sagte ich gespielt verärgert.
„Du bist erst 21 geworden. Du bist immer noch ein Küken, Filiz.", meinte Demir, langsam lockerte sich unsere Stimmung.
„Dann wirst du eben ein Küken heiraten.", murmelte ich.
Demir nahm nun plötzlich meine Hand.
„Und du einen alten Hahn.", späßelter er.
Ich musste lachen und schlang meine Arme um seine Mitte.
Überrascht hielt er inne, doch dann drückte er mich fester an sich.
„Wir zwei schaffen das schon.", meinte er.
Demir war kein schlechter Mann. Nein im Gegenteil.

Liebe unter FeindenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt