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Filiz
Aufgeregt stand ich am Anfang meiner Straße.
Das war das zweite Mal, das ich mich zu Demir rausschlich.
Es fühlte sich sehr verboten an, schließlich waren wir noch nicht verheiratet.
Doch ich freute mich ihn zu sehen.
Er war für mich ein ganz besonderer Mensch geworden, denn er verstand mich.
Es war nicht so einfach jemanden zu finden, dem man nicht genau sagen musste, was gerade mit einem nicht stimmte.
Er hatte eine gute Intuition, was das anging.
Den Tag über hatte ich viel geweint.
Mich belastete vor Allem der Gedanke, das ich bald mit ihm zusammen ziehen würde.
Der Gedanke, mein Elternhaus verlassen zu müssen, schmerzte.
Ich hatte schreckliche Angst vor unserer Zukunft...
Es fing schon damit an, das ich nicht Mal ansatzweise wusste, wie man einen Haushalt führte.
Dann mein Studium, würde ich es abbrechen müssen?
Am meisten hatte ich Angst davor, was er von mir erwartete und das ich diesen Erwartungen nicht gerecht werden würde.
Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch.
Er würde mich hoffentlich verstehen.
Demir hatte mir gesagt, das er in 5 Minuten da war.
Schon bog ein Auto mit Essener Kennzeichen ein. Das war er.
Demir fuhr einen schwarzen Audi, sein Auto hatte ich zuvor nie gesehen.
Er hielt neben mir an und ich stieg schnell ein.
Als ich mich angeschnallt hatte sah er mich lächelnd an.
„Hey.", sagte er und wirkte etwas müde.
„Hi, danke das du gekommen bist.", sagte ich dankbar.
Demir fuhr los: „Natürlich, kücük."
Ich lächelte nun auch, er nannte mich nu öfter so. Irgendwie gefiel es mir.
„Wo warst du bis eben?", fragte ich ihn vorsichtig, ich wollte nicht das er dachte, ich würde ihn jetzt kontrollieren.
„Ich war in Düsseldorf, ich hatte meinen Jungs versprochen mit ihnen feiern zu gehen.", sagte er ehrlich.
Er ging feiern?
War er nicht ein bisschen zu alt dafür.
„Keine Sorge, ich gehe sonst nie. Aus dem Alter bin ich lange raus.", grinste er und fuhr sinnlos durch die Gegend.
„Das ist auch eher was für Jungs in meinem Alter.", kommentierte ich.
Er lachte auf: „Richtig."
„Möchtest du was trinken, ich hab Durst.", sagte er und hielt vor einer Aral an.
„Bring mir irgendwas mit, ich trinke alles.", meinte ich.
Er stieg aus und lief nach drinnen.
Ich schaute mir sein Auto genauer an.
Die Innenausstattung stellte meinen Mini in den Schatten.
Er war scheinbar ein sehr ordentlicher Mensch, den sein Auto sah aus wie neu.
Ich schaute in die Tankstelle rein.
Er bezahlte gerade und kam dann wieder zum Wagen.
„Hier.", sagte er und überreichte mir eine Caprisonne.
„Danke.", sagte ich leise und schaute zu seinem Getränk.
„Kaffee um diese Uhrzeit?", fragte ich ihn.
„Ich hatte einen langen Tag hinter mir.", erklärte er.
„Komm, wir fahren an einen schönen Ort.", sagte Demir und fuhr dann los.
Normalerweise würde ich nie mit einem Typen mitgehen, wenn er sowas sagte.
Doch Demir war nicht so einer...
Außerdem war er mein Verlobter.

Gemeinsam fuhren wir auf den Kaiserberg und hörten leise Rnb-Musik.
Er schien wohl auf Oldschool zu stehen, denn er summte leise mit.
„Da wären wir.", sagte er und wir hatten von hier eine gute Aussicht auf die Stadt.
Demir stellte den Motor ab und sah dann zu mir.
Liebevoll sah er mich an und forderte mich auf zu sprechen.
„Frag mich was du willst."
Ich war ein wenig überfordert und sammelte mich erstmal.
Ich hatte vorher tausende Fragen gehabt, doch in diesem Moment war mein Kopf leer.
Lange saß ich einfach nur schweigend da.
„Findest du nicht die passenden Worte?", kam es dann von Demir.
Ich schüttelte den Kopf.
Er nahm zärtlich meine Hand und strich darüber.
Mein ganzer Körper stand, durch seine Berührung, unter Strom.
„Ich habe einfach Angst...", murmelte ich traurig.
„Das ist normal, Filiz. Ich war auch noch nie verheiratet, ich weiss auch nicht wie das alles geht.", sagte er ermutigend.
Das stimmte wohl.
„Wovor hast du genau Angst?", wollte er wissen.
Ich schämte mich es auszusprechen...
Aber Demir hatte Recht, ich brauchte keine Geheimnisse vor ihm zu haben.
„Ich habe Angst, deinen Erwartungen nicht gerecht zu werden.", flüsterte ich, prompt kamen mir auch wieder die Tränen.
Demir seufzte.
„Da kann ich dich beruhigen, kücük. Ich habe keinerlei Erwartungen an dich. Mach dir keine Sorgen darum."
„Wirklich?", fragte ich verwirrt.
„Du musst dich noch in deine Rolle einfinden, aber das wird dir gelingen, da bin ich sicher."
Langsam löste ich meine Hand aus seiner und wischte meine Tränen weg.
„Demir?"
„Ja?"
„Du musst wissen, das ich noch nie mit einem Mann war.", flüsterte ich beschämt.
Es war gut, das ich mich aufgespart hatte, doch ihm gegenüber fühlte ich mich so unterlegen.
„Das hab ich mir gedacht, meine kleine Filiz.", sagte er und lächelte mich an.
„Du bist einzigartig, weisst du das?", fragte er.
Ich traute mich nun wieder ihm in die Augen zu sehen.
Darin lag so viel Bewunderung.
„Du auch."
„Wir gehen alles ganz langsam an. Auch darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich werde dich zu nichts drängen.", ging er nun wieder auf das Thema ein.
„Was liegt dir noch auf dem Herzen?"
„Wenn wir verheiratet sind, müssen wir ausziehen. Ich war noch nie weg von meiner Familie...", gab ich zu.
Demir nickte.
„Wir finden schon ein passended Haus für uns. Es hat noch Zeit."
Ich atmete beruhigt aus, der ganze Stress die letzten Wochen hatte mich so fertig gemacht.

„Lass uns jetzt über etwas anderes reden, Filiz. Sag mir was deine Lieblingsfarbe ist.", sagte er.
Ich sah müde zu ihm: „Rosa und deine?"
„Grün.", grinste er.
„Lieblingsessen?", fragte ich ihn nun.
„Beyti kebap."
„Meins auch.", sagte ich überrascht.
Er grinste und lehnte seinen Kopf gegen die Kopfstütze.
„Wir gehen morgen beyti essen, keine Wiederrede.", sagte er lachend.
„Da sag ich nicht nein, Herr Ceylan."
„Sehr schön Frau Aslan, morgen 19 Uhr. Ich hol dich ab."
„Abgemacht.", sagte ich und schüttelte seine Hand.
Demir sah mich schon wieder so liebevoll an.
Es verängstigte mich irgendwie.
Ich wollte mir einfach nichts einbilden.

Liebe unter FeindenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt