Teil48

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Als wir aus dem Krankenhaus rauskamen, fiel der erste Schnee. Erst ganz wenig und nur ein paar Flocken aber dann immer stärker. Als wir an der Haltestation ankamen, waren meine Haare durchnässt vom Schnee. Ich wollte meine Kapuze nicht auf setzten. War mir doch alles egal. Wieso musste Dad das tuen. Woher hatte er die Pistole? Leonie rief gerade ihr Mutter an, das alles okay sei und wir nach Hause kommen würden als mir der Gedanke in den Kopf kam. Der entscheidende Gedanken. Wieso war ich nicht früher auf die Idee gekommen? Ich könnte einfach jetzt weg rennen. Klar ich würde wiederkommen, aber erst muss ich mich abreagieren. Ich begann zu joggen. Ich hörte Leonie hinter mir her schreien. Ich wurde schneller. Ich rannte Richtung Stadtrand. Ich rannt und rannte. Meine Lunge brannte, mein Herz schlug wie verrückt, aber ich rannte weiter. Mein Muskeln in den Waden schmerzten doch ich rannte weiter, ich hatte den Stadtrand erreicht. Ich lief nun etwas langsamer und schließlich kam mein Ziel in Sicht. Ich rannte darauf zu. Beschleunigte wieder und setzte zum Endspurt an. Ich ließ erst wieder das Tempo fallen als ich im Wald war. Ich joggte noch eine Minute und ließ mich dann auf eine Bank fallen. Es war schon gruselig im Wald. Ich japste und schnappte nach Luft, aber irgendwann entspannte sich mein Körper. Es war kalt. Ich spürte meine Fingerspitzen nicht mehr, und doch lief mir heißer Schweiß an der Schläfe hinab. Mein Handy klingelte. Ich ging nicht dran. Nach einer Weile kam eine SMS und das Klingeln hörte auf.

Claire! Bitte lies diese Nachricht ganz durch, es ist wichtig. Es tut mir Leid, das etwas mit deinem Vater passiert ist, was nicht hätte passieren sollen. Claire, ich liebe dich. Unsere Babys brauchen uns! Brauchen DICH!!! Bitte Claire komm wo immer du auch bist, ruf mich an, wir holen dich mit dem Auto ab. Wirklich. Aber du musst jetzt anrufen. Wir suchen dich. Ich mache mir Sorgen. Dein Linus

Ich überlegte lange bis ich mich entschloss, was zu tun. Ich schrieb ihm eine SMS, dass er zur Kirche kommen sollte, in der unsere Babys getauft wurden, also hier in diese Stadt. Ich würde in 20 Minuten da sein. Dann bückte ich mich. Auf dem Boden lagen viele Scherben. Ich hob eine auf. Sie war scharf. Ich überlegte. Ich wollte mir weh tun. Aber ich hatte Angst. Ich wollte mich verletzten, entschied mich aber doch dagegen. Ich ließ die Scherbe fallen und lief zur Kirche. Dort stand schon ein Auto. "Hey Claire, komm." Sagte die Gräfin die das Fenster kurz runter gekurbelt hatte. Ich ging zum Autofenster. "Claire, ich bitte dich. Sei vernünftig. Für Mia und Felix. Wenn das der einzige Grund ist, der dich daran hindert dir was anzutun." sagte sie. Dann stieg sie aus. Ich war vom Schnee durchnässt. Leonies Mutter kam. Niemand befand sich auf dem Kirchplatz. Sie zog meine Jacke aus und schubste mich ins warme Auto. Dann sagte sie: "Zieh die nassen Hosen aus, du erkältest dich noch." Da bemerkte ich, dass Leonie hinten drin saß. Sie reichte mir ein Handtuch und eine Jogginghose. "Zieh dich um." sagte sie. Nichts weiter. Ich zog mich um, und Elisabeth fuhr das Auto los.

Zu Hause angekommen, duschte ich und legte mich ins Bett. Linus war immer noch da, obwohl es schon nach 9 war. Er kümmerte sich weiterhin um die Babys und brachte mir was zu essen. Ich aß kaum etwas, ich konnte es einfach nicht runterwürgen. Ich überlegte lange ob ich Mama hätte allein lassen dürfen, aber sie hatte ja darum gebeten. Etwas später am Abend legte sich Linus zu mir ins Bett. Ich rutschte ein bisschen, dass er Platz hatte. Er schlang die Arme um mich und so schliefen wir ein.

Am nächsten Morgen wachte ich vom Schreien eines Babys auf. Neben mir bewegte sich etwas. Die Person stand auf. Die Matratze ging ein bisschen hoch, als das Gewicht leichter wurde. Das Schreien hörte auf. Ich hörte nur das Atmen von 4 Personen. Ein Atmen kam von mir. Ich drehte mich um. Linus stand da und wickelte Felix im anderen Raum. Weil die Türen offen waren sah ich ihn. Mia atmete auch noch in diesem Zimmer und auf einer Luftmatratze auf dem Boden lag Leonie. Neben ihr lag Bella, mein Schwester. Ich stand auf und schlich zum Bad. Ich sah in den Spiegel. Meine Augen waren blutunterlaufen und meine Nase war auch rot. Der Rest war blass. Ich trank etwas und sah auf die Uhr. 8:12! Die anderen hatten Schule! Ich stürmte in das Wohnzimmer. Leonies Mutter saß dort auf meinem Sofa und war schon angezogen "Schule!" keuchte ich. Sie lächelte mich an und sagte: "Nicht heute. Nicht für euch!" "Es ist Donnerstag!" "Ich weiß. Die anderen brauchen jetzt Ruhe. Deine Lehrerin habe ich angerufen. Sie kommt heute auch nicht." "Aber Leonie hat mit dem Vorfall nichts zu tun. Linus auch nicht. Wieso dürfen sie dann auch zu Hause bleiben." Sie biss sich auf die Lippe. Dann sagte sie: "Sie sind vielleicht nicht die Kinder von Dieter und Martina, deinen Eltern, aber sie verstört so ein Vorfall auch. Was glaubst du wie geschockt Leonie war als sie es erfahren hat? Jetzt leg dich noch ein bisschen hin." "Ist Mama wieder gekommen?" "Ja, heute morgen um 3. Sie ist vor einer viertel Stunde wieder weg gefahren." Ich sagte nichts sondern schlurfte zum Schrank. Ich holte mir eine Tafel Schokolade heraus und ein Glas. Ich füllte Apfelsaftschorle hinein und schlappte wieder zu meinem Bett. Irgendwie war ich antriebslos. Vielleicht war ich auch einfach nur müde, erschöpft und enttäuscht von meinem Vater. Ich lag nun wieder im Bett, doch an Schlaf war nicht zu denken. Irgendwas in mir hielt mich davon ab. In meinem Kopf flüsterte etwas: Sei nicht albern. Reiß dich zusammen. Ich bin nicht albern. Ich trauere nur. Ja, wieso trauerst du, dein Vater lebt doch! Aber er wollte sich selbst umbringen. Er wollte sein Leben beenden! Na und? Er ist in Behandlung, bald wird er wieder den Sinn des Lebens finden. Und jetzt häng nicht so nutzlos hier rum. Tu was! Es hilft dir. Mh mag sein, aber darf man sich nicht mal in selbst Mitleid suhlen? Nein, nicht jetzt. Komm schon beweg deinen Arsch aus dem Bett und tu was! Danke für dieses Gespräch, dachte ich ironisch und im selben Augenblick, die Stimme hat Recht! Beweg dich aus dem Bett du faule Socke. Wäsche müsste mal gemacht werden, außerdem musst du mal deine Blusen bügeln die seit Wochen auf dem Bügelbrett liegen. Die Küche hat ja Elisabeth schon aufgeräumt aber der Herd ist bestimmt schon schmierig. Du musst außerdem mal dein Bett neu beziehen, es stinkt! Dachte ich. Bin ich irgendwie doof? Wieso unterhalte ich mich mit mir selbst? Egal, Arbeit ruft. Ich schwinge mich aus dem Bett. Kaum stand ich, fand ich das Bett plötzlich so anziehend. Ich seufzte und ging ins Badezimmer zur Waschmaschine. Ich stopfte als erstes Jeans hinein. Stellte die Maschine an und begann das Klo zu putzen. Das hatte ich glaub ich seit ich hier wohne erst 7 oder 8 Mal gemacht. Ich weiß ekelig, weil ich schon 10 Monate oder so hier wohne, aber ich finde das total widerlich. Als ich fertig war, widmete ich mich dem Waschbecken. Es hatte weiße Flecken, ich putzte es zwar regelmäßig aber eben nicht jeden Tag. Als ich damit fertig war, wechselte ich zur Küche. Die Gräfin sah mich komisch an, sagte aber zum Glück nichts. Ich polierte meine 2 Herdplatten gründlich und befasste mich dann mit dem Kühlschrank. Leonies Mum hatte schon darin aufgeräumt, aber ich säuberte ihn nochmal gründlich. Als mein Blick auf die Uhr fiel, sah ich dass mittlerweile schon 9:47 war. Ich war erschöpft. Ich hatte lange nicht mehr so geputzt wie heute. Ich ging in mein Schlafzimmer. Linus schlief, Leonie schlief und Bella schlief. Felix lag in Linus Armen und schlief auch friedlich. Ich deckte meinen Freund und meinen Sohn behutsam zu und nahm mein Schlüssel. Dann verließ ich das Haus. Ich war einige Schritte gegangen da hörte ich Rufe: "Claire! Wo willst du hin?" "Oh, Elisabeth, tut mir Leid, ich habe vergessen Bescheid zu sagen. Ich wollte runter an den Strand. Mama anrufen. Mich nach Daddy erkunden und ich will wissen wie es ihr geht." "In Ordnung, aber bleib vor der Tür, dass ich nach dir sehen kann. Okay?" Eigentlich kotzte es mich an, dass sie so besorgt war und mich wie ein Kleinkind behandelte, aber ich fand das irgendwie vernünftig mich nicht einfach abhauen zu lassen, nach der Show die gestern abgezogen hatte. Und ich fand es auch süß, dass sie sich um mich Gedanken machte. Deswegen nickte ich. (Gespräch zwischen Mama M und Claire C)

M:Hallo, wer spricht da?
C:Hi Mum, ich bins Claire
M:Oh Claire.
C:Wie geht es Papa?
M:Es wird.
C:Wie wollte er er sich eigentlich umbringen? Also klar mit der Pistole, aber wie hat er überlebt und woher hat er die Waffe?
M:Du Schatz, ich will nicht darüber reden.
C:Ich wills aber wissen.
M:Wenn ich es dir sage, lässt du mich dann erstmal in Ruhe?
C:Okay, Mum.
M: Woher e die Pistole hat, weiß niemand. Vermutlich Internet oder so. Und ähm, ich will dich nicht damit belasten aber ich habs versprochen. Naja also er hat sich in den Hals geschossen. Nicht in den Mund. Er hat versucht die Hauptschlagader zu treffen, hat sie aber napp verfehlt. Es ist ein Wunder das er noch lebt.
Ihre Stimme brach an dem Punkt.
C:Mummy, komm, leg dich ins Bett, du brauchst eine Pause vom Krankenhaus.
M: Ich komme wenn der Arzt da war. Ich kann ihn doch nicht alleine lassen.
C: Okay. Bis gleich.
Mich schockierte was sie gesagt hatte, konnte es aber nicht ertragen ihr beim Schluchzen zuzuhören. Ich ging zurück in die Wohnung. Das Leben spielt halt nicht immer mit. 

Mit 14 durchgeknallten Jahren schon MutterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt