Teil 6

41 12 8
                                    

Pierre verschwindet zwei Gänge weiter und ich stelle mich neben Sebastian, der einen großen weißen Eimer voll mit Kartoffeln vor sich hat. Er schält eine nach der anderen in Rekordgeschwindigkeit und wirft mir einen Schäler zu, ich fange ihn etwas umständlich auf und drehe das Teil in der Hand hin und her. Schaue ihm dabei zu, wie er ihn richtig in der Hand hat, und hole ungelenk eine Kartoffel heraus. Versuche, dieselben Bewegungen nachzumachen, was sich äußerst schwierig entpuppt, weil ich noch nie in meinem Leben Kartoffeln geschält habe. In diesem Moment wird mir sehr deutlich klar, dass die Tarnung schneller auffliegen könnte, als mir lieb ist.

"Hast du schon einmal in einer richtigen Küche gearbeitet?", fragt Sebastian mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht, beobachtet mich bei dem kläglichen Versuch und schält weiter, ohne hinzuschauen. Er schnappt sich die Nächste, zeigt mir alles in Zeitlupe und nach vier eckigen Exemplaren, einem Schnitt im Daumen, schaffe ich es tatsächlich, schneller zu arbeiten und sie einigermaßen rund hinzubekommen. Nachdem der Eimer leer ist, stellt er eine Holzkiste mit verschiedenen Gemüsesorten auf die Arbeitsfläche, ich vermute es, genauso gut, kann auch exotisches Obst vor mir stehen.

"Du schälst die Möhren, funktioniert fast wie eben, nur das du sie längst hältst und dabei leicht weiterdrehst. Ich kümmer mich um den Spargel, der ist zu teuer für Anfänger", zwinkert er mir zu und wir arbeiten im gleichen Takt. Niemand außer Sebastian hat bemerkt, dass ich noch nie in einer Küche gestanden habe. Der erste Abend vergeht rasend schnell, mir bleibt keine Zeit Pierre näher unter die Lupe zu nehmen, weil er in einer ganz anderer Ecke arbeitet. Ehe ich mich versehe, flattert die letzte Bestellung herein und wir beginnen mit den Putz- und Aufräumarbeiten.

Mir tun die Füße vom Stehen weh, ich habe mich dreimal geschnitten, wenigstens habe ich als Entschädigung, ein Pflaster in rot, schwarz und blau um die verletzten Finger gewickelt. Sebastian hat mich nicht verraten und schnell verarztet, dass es niemand bemerkt.

Ich falle jede Nacht todmüde ins Bett und schlafe sofort ein, nach einer Woche habe ich nicht einen Bericht geschrieben und König zitiert mich in sein Büro. Ein Blick in den Spiegel im Bad sagt mir, dass ich echt scheiße aussehe. Ich dusche, hole die letzte frische Jeans aus dem Schrank, schlüpfe hinein, sie lässt sich ohne Probleme schließen, ohne zu hungern, abgenommen, jubele ich innerlich. Schnuppere an dem T-Shirt von gestern, streife es über und werde zuerst einen Abstecher in den Waschsalon um die Ecke machen. Die Haare binde ich zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammen und fahre ins Büro.

Oben angekommen, staune ich, dass es mir viel leichter gefallen ist, und ein zufriedenes Lächeln huscht über meine Lippen, was aber sofort erstirbt, weil Vince in unserem Flur unterwegs ist.

"Gabriella", ruft er mit hinterher, weil ich schnell die andere Richtung einschlage, König muss also warten. Doch mein Ex lässt sich nicht abschütteln und greift hektisch nach dem rechten Handgelenk, was ich ihm wütend entziehe. "Fass mich nicht an", er weicht einen Schritt nach hinten und ich lege die Hand auf die Türklinke zu Caro und meinem Büro.

"Was ist?"

"Ich habe dich hundertmal angerufen, warum rufst du nicht zurück?!"

"Weil sie Besseres zu tun hat", ruft König im Flur und nähert sich mit schnellen Schritten. "Ich habe noch nicht einen Bericht, ist dein Computer kaputt, oder was ist los?! Und Sie müssen doch sicherlich mit Ihrem Kollegen auf Streife in die Nikolaistraße, oder?!", er nickt mit dem Kopf nach rechts und Vince verschwindet ohne ein weiteres Wort. Ich öffne die Tür und Caro strahlt mich freundlich an.

"Hey Fremde", begrüßt sie mich und lehnt sich in ihrem Stuhl an. König zieht den alten Holzstuhl unter dem Doppelschreibtisch raus und ich schließe die Tür hinter mir.

Dangerous taste Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt