Teil 28

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"Wer suchet, der findet", erklingt Danielles kalte Stimme. Das Rasseln der Schlüssel im Schloss ist ohrenbetäubend und er drückt die vergitterte Tür quietschend auf. Pierre und ich rutschen ein Stück auseinander und warten gespannt, was passiert. Mein Bruder kniet sich auf den Boden und sieht uns arrogant an.

"Weißt du noch Schwesterchen, als wir hier in den Gängen verbotenerweise verstecken gespielt haben und der gute Mario, Gott hab ihn selig, dir von dieser Todeskammer erzählt hat?", ich schlucke hart, er kommt noch näher, greift fest um mein Kinn und Pierre baut sich gefährlich neben mir auf. Doch ich umfasse seine Hand fest, um ihm zu signalisieren, dass er sich unter keinen Umständen einmischen soll.

"Du hast Catania verlassen, die Familie im Stich gelassen, Vater musste den Verlust mit Mama verarbeiten -", "hat er dir die Wahrheit gesagt?", frage ich mit der gleichen Kälte in der Stimme.

"Sie hat sich verhalten wie eine Hure, und somit verdient zu sterben -."

"Du bist ja völlig irre, hat er dir eine Gehirnwäsche verpasst?! Oder ziehst du dir vom Koks selbst etwas in die Nase, bevor du es verkaufst?", ich beuge mich dichter, aber durch die Dunkelheit sehe ich seine Pupillen nicht richtig.

"Dein Stecher bezahlt, genauso wie Mama", er steht auf, schreitet kerzengerade vor uns auf und ab, greift erneut nach unten, diesmal um meinen Hals. "Die Drogen, die er in München vertickt, sind von uns. Ganz Sizilien liegt uns zu Füßen, wir lassen arbeiten und machen uns nur noch selten, selbst die Hände schmutzig. Ihr seid wieder eine Ausnahme", seine Finger graben sich tief in das weiche Fleisch, ich atme flach durch den Mund ein und aus. Sehe ihn herausfordernd an und zeige die Angst, die in mir tobt nicht. Er packt mit der freien Hand fest in Pierres Haare und zieht seinen Kopf tiefer, so dass er schmerzerfüllt stöhnt.

"Genieß die letzten Stunden mit meiner Schwester, du kommst hier nicht mehr lebend raus. Dein Kumpel, erlebt das gleiche Schicksal, die zwei die euch hergebracht haben, sind bereits wieder auf dem Weg nach München und warten nur darauf ihn in die Finger zu bekommen. Los, aufstehen! Beide!", er lässt von uns ab und wir sehen ihn verwundert an. Leisten keinen Widerstand und stehen wackelig auf, wie er es verlangt hat. Meine Beine fühlen sich wie Pudding an, Danielle entfernt die Fesseln und schubst uns Richtung Ausgang.

"Ihr werdet zum Abendessen erwartet, andiamo", scheucht er uns vor sich her. Ich präge mir sämtliche Winkel, Ecken, Abzweigungen ein, es fühlt sich an, wie früher beim Verstecken spielen. Die Erinnerungen sind, trotz der Jahre, die vergangen sind, nicht verloren und ich habe das unterirdische Labyrinth wieder komplett im Kopf. Wir erreichen die Treppe, mit dem darunter liegenden Weinkeller und steigen hintereinander nach oben. Bei jedem Schritt schaltet sich eine kleine Lampe in den Stufen an und direkt aus. Ich werfe einen letzten Blick in das dunkle Gewölbe, folge Pierre und Danielle über den dicken roten Teppich, der zu sämtlichen Zimmern und in den ersten Stock führt.

Meine Augen verfolgen die goldene Umrandung bis nach oben, und da steht er am Geländer. Mein Vater, schneeweiße Haare, die Haut gealtert, aber trotzdem leicht gebräunt und den Blick auf mich gerichtet. Eiskalt, aber ich erkenne auch etwas anderes in ihm. Schmerz, Leid, wahrscheinlich sieht er in mir, das Ebenbild seiner Frau, die er einst abgöttisch geliebt und später auf grausame Weise getötet hat. Ich habe nur Verachtung für ihn übrig, die Abneigung lasse ich ihn deutlich spüren und sehe demonstrativ nach unten. Wir gehen zum Esszimmer und Danielle bittet uns, hier stehen zu bleiben. Bevor er verschwindet, beugt er sich dicht zu mir.

"Versuch es erst gar nicht", flüstert er mir ins Ohr und ein Schauer rieselt am Rücken herab. Der Tisch ist mit einer gestärkten, weißen Tischdecke abgedeckt, in der Mitte steht eine große Vase mit frischen Blumen aus dem Garten, ausgerechnet, sonnengelbe Rosen, die Lieblingsblumen meiner Mutter. Sie hat sie geliebt und etliche Büsche in verschiedenen Farben sind hoffentlich noch überall draußen verteilt.

Dangerous taste Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt