Teil 25

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Ich bin zwischenzeitlich fest eingeschlafen, schrecke hoch und schaue mit hektischem Blick raus. Der Wagen rast weiter über eine zweispurige Autobahn. Pierre liegt mit dem Kopf ans Fenster gelehnt, ich rutsche etwas näher an ihn heran und schubse ihn mit dem Ellbogen. Auch er ist weggenickt und zuckt erschrocken zusammen, seine angsterfüllten Augen sehen mich müde an. Ich versuche, mich tröstend an seine Schulter zu lehnen, und er rutscht mir entgegen.

Wir dämmern erneut weg, und sind durch zuschlagende Autotüren sofort wieder wach, die zwei Männer stehen am Straßenrand, Pinkeln und lachen dreckig über etwas. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind, weil weit und breit nicht ein Schild zu sehen ist. Der Tag weicht der Nacht, zurück auf der Autobahn tauchen hohe Berge auf, ich drehe mich zur Heckscheibe, um vielleicht auf der anderen Seite Beschilderungen zu entdecken, was ich dort in der Ferne erkenne, lässt das Blut in meinen Adern gefrieren. Ein Autogrill, wir sind in Italien.

Mein Heimatland, dem ich vor zwanzig Jahren, in einer halsbrecherischen Aktion, den Rücken kehrte und mir eisern geschworen habe, nie wieder hierher zurückzukehren. Pierre holt tief Luft, öffnet flatternd die Augen und ich wende mich zu ihm. Senke resigniert den Blick nach unten, wir halten erneut an, die Typen steigen aus und verschwinden. Schnell rutsche ich an die Tür, drehe mich, mit den gefesselten Händen an den Griff und probiere ihn aufzumachen, schaffe es sofort beim zweiten Versuch, ihn zu erreichen, aber es ist abgeschlossen. Ich schreie stumm vor Wut, in das Klebeband über meinem Mund.

Sie kehren zurück, öffnen die Tür bei mir, reißen grob das Paketband vom Mund, einer dreht eine Flasche stilles Wasser auf und hält sie mir an die Lippen, gierig trinke ich ein paar Schlucke, bis sie halb leer ist. Der andere wiederholt es bei Pierre.

"Was soll das?! Was habt ihr mit uns vor?! Wer sind eure Auftraggeber? Ihr habt nicht die leiseste Ahnung, wen ihr entführt habt und quer durchs Land chauffiert. Macht uns los, die Kabelbinder schneiden uns ins Fleisch", sie antworten nicht, stattdessen kleben sie frisches Band über unseren Mund. Der eine sagt etwas auf Italienisch zu seinem Kollegen, ich verstehe jedes einzelne Wort.

"Ganz schön große Fresse, die kleine Farina, ruf Michele an, dass wir in drei Stunden an der Fähre sind. Ich hoffe, er hat eine Kabine für die zwei gebucht, ich brauch mal eine Pause!", meine Muttersprache habe ich nie verlernt und suche im Gedächtnis nach dem genannten Namen, aber es dämmert nichts. Pierre stupst mich leicht mit dem Fuß an und ich sehe ihn an. Er nickt raus und dort ist der nächste Hinweis, ein Schild, welches Rom, Florenz und Neapel mit Kilometerangaben anzeigt. Meine Augen weiten sich, ich sehe ihn traurig an, weil mir so langsam dämmert, was die eventuell mit uns vorhaben.

Irgendwann fängt meine Blase an zu drücken und ich trete dem Fahrer mit dem Knie in den Rücken, versuche zu signalisieren, dass etwas nicht stimmt. Er fragt seinen Kollegen, der sich zu mir umdreht und das Klebeband abreißt.

"Ich muss dringend aufs Klo, ihr wollt nicht, dass ich ins Auto pinkele, oder?", sage ich drohend. Der Fahrer schert scharf rechts aus, biegt auf die Raststätte. Schnallt mich ab und zerrt mich aus dem Wagen, auch Pierre wird nach draußen befördert. Ich werde in Richtung der Toiletten geschubst. Er ist so dicht hinter mir, dass niemand die gefesselten Hände erkennt, zusätzlich spüre ich den Lauf einer Waffe im Rippenbereich. Innerlich bete ich, dass er die schusssichere Weste nicht unter der Kochjacke bemerkt.

An den Frauentoiletten angekommen, halte ich die Hände hin, damit er die Fesseln abnimmt, er nähert sich und flüstert auf Italienisch, "Versuch gar nicht erst, abzuhauen, sonst stirbt dein Freund, einen grausamen Tod", ich nicke, er schneidet sie mit einem Messer auf und ich verschwinde. Erleichtere meine Blase, wasche gründlich die Hände, die Striemen bluten leicht und ich klatsche noch ein bisschen Wasser ins Gesicht. Ein kurzer Blick in den dreckigen Spiegel zeigt mir, dass die Strapazen der vergangenen Stunden deutlich Spuren hinterlassen haben. Kurz überlege ich doch, durch das kleine Fenster zu klettern, aber ich riskiere auf keinen Fall, dass Pierre für mich stirbt.

Dangerous taste Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt