Kapitel 42

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Gegenwart

Ich verzog meinen Mund zu einem Lächeln und schaffte erneut alles um mich herum auszublenden. Ich kam nach Hause. Mit jedem Mal, wenn ich sie hier sitzen sah. Mit jedem Mal, wenn sie mich anlächelte oder mich küsste. Sie hatte mich verändert, mich von einem Jungen zu einem Mann werden lassen. Sie hatte mir verziehen und dafür war ich ihr jeden Tag aufs Neue dankbar. Das war es. Das war es, was ich wollte. In letzter Zeit hatte ich viel zu oft darüber nachgedacht, meinen Job an den Nagel zu hängen und mich nur noch Kaly und dem Boxcenter zu widmen. Ich hatte den Traum, von dem ich geträumt hatte, gelebt, hatte meine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Warum fühlte sich das dann alles so falsch an? Warum fiel es mir von Mal zu Mal schwerer in den Ring vor Publikum zu steigen? Wieso ertrug ich den Gedanken nicht mal mehr, einen weiteren Kampf zu bestreiten?

Mittlerweile waren Kaly und ich wieder ein halbes Jahr zusammen, wir hatten uns zu Beginn, oft getroffen und waren was essen gegangen, oder ich hatte sie ins Kino eingeladen. Wir hatten Spaziergänge gemacht oder einfach nur telefoniert. Es hatte eine Zeit lang gedauert, bis sie meine Kämpfe wieder besucht hatte, ebenso hatte es gedauert, bis wir miteinander intim geworden waren. Ich hatte mich ihr anvertraut, genauso wie sie sich mir. Stück für Stück hatten wir einander angenähert und hatten uns erst kürzlich darauf geeinigt, solange ich zwischen den Städten pendelte, würde uns ihr Appartement in Long Beach reichen, sodass wir uns mit dem Zusammenziehen Zeit lassen konnten.

Sie und ich, das war es, was zählte. Wieso hatte ich das nicht vorher begriffen?

Mit einem Blick forderte ich sie auf, zu mir zu kommen. Meine Kaly. Meine Liebe. Sie verstand unausgesprochen meine Worte und kam zu mir in den Ring. Mit jedem Schritt, den sie mir näher kam, wurde ich aufgeregter. Mit jedem Atemzug, den ich nahm, gierte ich danach, sie endlich neben mir stehen zu haben. Es war nicht mehr wie früher, dass ich sie körperlich bei mir haben wollte. Nein. Ich wollte sie neben mir als meine zweite Hälfte, als meine Freundin, irgendwann meine Verlobte und dann als meine Frau.

Ich streckte die Arme nach ihr aus und zog sie an mich. Ich küsste ihren Scheitel und atmete ihren Duft ein. Der Duft, der alles für mich war. Ich liebte Kaly so sehr. Den Trubel um uns herum vergessend legte ich meine Lippen an ihr Ohr und flüsterte »Ich höre auf.«

Oh ja! Ich hatte mir das gut überlegt und es würde verdammt nochmal Schwierigkeiten geben. Immerhin hatte ich einen Vertrag einzuhalten, an den ich noch zwei Jahre gebunden war, doch ich würde mit Folder sprechen. Ich hatte absolut keinen Plan wie es für mich weiter ging, doch so konnte ich nicht mehr weiter machen. Kaly legte ihre Stirn in Falten und musterte fragend mein Gesicht.

»Ich höre mit dem Boxen auf«, erklärte ich ihr, obwohl sie es schon längst verstanden hatte. Sie wollte nur wissen, ob ich mir endlich sicher war. Sie hatte das schonmal verlauten lassen in einem unserer tieferen Gespräche, die wir zwischendurch führten, seitdem wir wieder zusammen waren.

»Weißt du, ich habe manchmal den Eindruck, dass du das Rampenlicht nicht magst«, hatte sie mir einmal gesagt und sie hatte recht gehabt.

Ich hasste es, wenn ich auf der Straße erkannt wurde. Oder wenn ich einen Tisch in einem Restaurant bekam, nur weil ich, ich war. Ich hasste es, wenn die Leute mich ehrfürchtig ansahen. Ich hasste es, wenn etwas über mich in der Zeitung stand und ich hasste es Anzüge zu tragen, ebenso zu irgendwelchen Sportveranstaltungen zu gehen und mich mit Leuten zu unterhalten, die alles übers Boxen wissen wollten. Die mir sagten, wie gut ich sei und welcher meiner Kämpfe ihnen besonders gut gefallen hatte. Ich hasste es früh aufzustehen um zu irgendwelchen Werbeterminen zu müssen. Interviews zu geben oder zu lächeln, wenn mir überhaupt nicht danach war. Kaly verstand das. Ich wollte wieder der sein, der im Boxcenter mit Dad und Chase trainierte, nur würde sich das jetzt schwierig gestalten, denn ich war nicht mehr der Junge von damals. Mein Leben hatte sich geändert. Ich hatte mich verändert und ich würde verdammt nochmal dafür sorgen, dass ich mein Leben so lebte, wie ich es wollte.

Deepest Fight - The Fox Story (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt